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Entscheidung: Leben
Die Katze schläft. Der Hund bellt. So kann es passieren. Das Leben schlägt schon ungeahnte Bahnen ein, die uns oft vertraut und manchmal unüberwindbar erscheinen. So habe ich mein Leben immer empfunden. Vieles was ich erlebt habe war sehr interessant und vieles hat mich ziemlich erschreckt.
Aber geht es im Leben nicht darum soviel wie möglich zu lernen? Es gibt Fragen, die mich schon mein ganzes junges Leben beschäftigen und auf die ich noch keine Antwort erhalten habe. Dient das Leben eines einzelnen dazu die Antworten auf die Fragen zu finden? In meiner Kindheit hab ich oft den Satz gehört: „Mach es nicht, ich weiß aus Erfahrung, das es nicht gut gehen kann.“ Und meine Antwort darauf war seit jeher, wenn ich immer vor Fehlern bewart werde, woher weiß ich dann, wann ich einen Fehler mache? Anhand der Konsequenzen? Und wie gehe ich dann damit um? Wie soll ich die Konsequenzen verkraften, wenn ich von früher Kindheit an, niemals die Gelegenheit bekomme, eigene Entscheidungen zu treffen? Zum Glück ist mir das erspart geblieben. Ich habe mich immer dagegen aufgelehnt mit dem Strom zu schwimmen und mir selber die Frage gestellt, will ich das, muss ich es tun oder hab ich eine Möglichkeit eine Entscheidung zu treffen?
Womit ich beim Thema wäre, Entscheidungen im Leben. Darüber ist schon soviel geschrieben worden, dass man damit wahrscheinlich eine eigene Enzyklopädie entwerfen könnte. Warum ich es trotzdem schreibe? Ich mach’s einfach. So ist das mit den Entscheidungen.
Sechzehn Jahre alt und nichts anderes im Kopf als endlich den Perso und ohne schlechtes Gewissen in die Disco. Als ich achtzehn wurde, war mir nichts wichtiger als ein eigenes Auto zu besitzen. Als ich zwanzig wurde, habe ich keinen Gedanken daran verschwendet was mit mir in Zukunft passiert. Mit zweiundzwanzig hatte ich so viele Männergeschichten in zwei Monaten wie manche im ganzen Leben nicht. Aber was soll ich sagen? Mit dreiundzwanzig hatte ich angst davor dreißig zu werden. Ein ziemlich schlechter Zeitpunkt das mit Menschen auszudiskutieren, die alle, ihrer Meinung nach, im besten Alter waren, zwischen fünfzig und sechzig.
Jetzt werde ich dreißig. Und nun? Ich habe immer noch ein schlechtes Gefühl dabei, aber gleichzeitig bin ich auch froh darüber. Wenn ich so darüber nachdenke welche Zeit in meinem Leben die Beste war, komme ich zu dem Punkt an dem ich gestehen muss, dass jetzt dieser Moment gekommen ist. Mit fast dreißig. Man kann es kaum glauben. Die Ironie darin schreit aus allen Zeilen. Mir macht das Leben manchmal wahnsinnige Angst, dann hab ich das Gefühl es wird alles zuviel und ich komme mit allem nicht mehr klar, wie soll ich es schaffen mich überhaupt noch zu Recht finden? Diese Angstzustände, immer in den Momenten, in denen man allein ist und sich auch noch so fühlt, von allen verlassen. Depressionen, Magenkrämpfe, dieses nie endende Dilemma das einen Menschen vernichten kann, wenn man es zulässt. Sich von allen verlassen zu fühlen, keine Hilfe zu bekommen. Immer in der Hoffnung, irgendjemand wird erkennen wie es in mir aussieht. Wo ist die Hilfe wenn man sie braucht? Wo sind die Menschen die für mich da sein sollen? Wann kommen die Antworten auf all diese Fragen? In solchen Momenten scheint manchmal die einzige Lösung zu sein, vor allem zu fliehen. Einfach nur Schluss damit.
Ich fand es, ehrlich gesagt, ziemlich schwierig mich mit achtzehn zu entscheiden wie meine Zukunft aussehen soll und ich war auch gar nicht in der Lage solch eine wichtige Entscheidung zu treffen.
Wie das Leben so spielt. Man lernt nur aus Taten und nicht aus irgendwelchen Phantasien die man sein ganzes Leben hat. Als Kind wollte ich immer nur malen, zeichnen und viel mit Tieren zu tun haben. Diese Träume und Wünsche die ich hatte und immer noch besitze, haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
Ist das Leben eine Art Selbstfindung, die mit dem Tod endet? Wird man irgendwann die ganzen Antworten kennen?
Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur vor dem Wie! Klingt alles ein bisschen durcheinander. So wie alles in meinem Leben. Leben wir heute, genießen wir das, was wir tun. Stehen wir zu unseren Entscheidungen. Übernehmen wir die Verantwortung für unser Handeln. Geboren um zu sterben und jeden einzigartigen Moment im Leben genießen. Hinter das Geheimnis des Lebens zu kommen ist wahrscheinlich das Ziel und die Aufgabe eines jeden Menschen. Wie ich hinter mein Geheimnis komme und vor allem wann, das ist das, worauf ich mich freue und dem ich mich stelle.
Meine Vorstellungen die ich als Kind hatte gingen immer in die kreative Richtung. Merkwürdig, das man als ganz junger Mensch genaue Vorstellungen von dem hat, was die Zukunft bringen soll und als Teenager überhaupt keine Ahnung mehr hat.
Wann ist wohl der Moment, an dem man in dieses Loch fällt? Erwachsen werden ist ziemlich schwierig heißt es immer. Und Erwachsen sein erst recht. Stellt euch dieser Schwierigkeit. Leichter gesagt, als getan. Hat man überhaupt eine Möglichkeit sich dieser nicht zu stellen? Und was ist wenn ja? Sind wir dann mit dreißig immer noch Pampasträger und nuckeln an irgendwelchen Flaschen rum?
Ich hab meine eigene Antwort, irgendwann zwischen fünfundzwanzig und neunundzwanzig, darauf gefunden. Kindheit, Teenagerzeit und das langsame Erwachsenwerden sind nur andere Bezeichnungen dafür, dass die Erfahrungen und Erlebnisse im Leben irgendwann, zu einem bestimmten Zeitpunkt, einen Sinn ergeben. Den so genannten „Aha-Effekt“. Der Punkt an dem man einfach merkt, aha, dafür war das also gut. Wie gesagt, der „Aha-Effekt“. Klingt merkwürdig, aber ich weiß, jeder hat so etwas schon mal erlebt. Mir ist das schon sehr oft passiert.
Ausbildung, oh je!
Mit neunzehn hab ich eine Lehre begonnen. Das erste halbe Jahr hielt ich zu dem Zeitpunkt für die Hölle auf Erden. Gott, wenn ich daran denke wie meine Chefin mich genervt hat und ich absolut keinen Bock auf das alles hatte. Heute danke ich ihr dafür. Merkwürdig, oder? Le(e)hrjahre sind keine Herrenjahre. Na und? Was hat das damit zu tun, das ich jeden Morgen den Kaffee kochen, die Dreimonatskalender mit ihrem kleinen roten Kasten immer einen Tag weiterstellen musste in sämtlichen Büroräumen? Mein Chef, der seinem täglichen Ritual folgend pünktlich jeden Morgen um sieben Uhr sich auf der Bürotoilette erleichterte. Diese dabei entstandenen Gerüche konnten einem schon atmennot bereiten. Eigentlich hätte mir Schmerzensgeld zugestanden. Da war es dann wieder, Lehrjahre sind keine Herrenjahre.
Das erste halbe Jahr hab ich fluchend durchstanden. Jeden Tag schwor ich mir, ich hör auf, ich hab keine Lust mehr, das ist nicht mein Beruf. Aber was sollte ich dann tun? Meine Eltern haben mir über diese Zeit hinweg geholfen, indem sie mich ständig wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Du willst ein eigenes Auto haben? Du brauchst Geld? Dann arbeite, auch wenn es dir manchmal keinen Spaß macht, da musst du durch. Wie ich sie dafür gehasst habe. Immer dieses Gelaber.
Schon in der Schule, du lernst nicht für uns oder die Lehrer, du lernst nur für dich. Und was ist, wenn ich keinen Bock habe für mich zu lernen? Wenn ich der Meinung bin, ich müsste nicht unbedingt wissen, wie man die Wurzel aus 625 zieht, wenn ich nicht unbedingt Zahnarzt werden wollte? Was definitiv nicht der Fall war. Ich hatte mich zu diesem Zeitpunkt entschieden das, wenn ich doch für mich lerne, entscheide ich selbst, was ich wissen muss und was nicht. Wofür brauchte ich überhaupt die Schule, wenn ich doch selber entscheiden konnte, was ich wissen muss? Fragen über Fragen die mir damals niemand beantworten konnte. Auch nicht meine Lehrer. Die ich, nebenbei bemerkt, auch nie gefragt habe, schließlich konnte ich ja selber entscheiden.
Und dann, irgendwann, ich weiß nicht warum und ich hab auch keine Ahnung wieso, wusste ich es. Einfach so aus heiterem Himmel, darauf hatte mich auch niemand vorbereitet. Auf eine meiner Fragen, die mich lange beschäftigt haben, plötzlich eine Antwort zu finden. Nicht das ich morgens aufgewacht bin und wusste, heute wirst du eine Antwort erhalten. Nein, irgendein Moment hat mir klar gemacht, ich hab wirklich immer nur für mich gelernt. Alles was ich heute weiß und auch nicht, mein ganzes Wissen sozusagen, baut darauf auf, was ich in der Schule gelernt habe. Wie dumm das ich jetzt die Uhr nicht ein paar Jahre zurückdrehen kann. Wer will schon in der ersten Runde bei „Wer wird Millionär“ rausfliegen?
Leider ist es nicht möglich die Uhr zurück zu stellen. Schade. Hätte ich diesen Gedankenblitz, diese Einsicht früher erlangt, wäre ich mit Sicherheit der fleißigste Schüler gewesen. Ein Streber sozusagen. Ob die es wohl heute besser haben als ich? Oder anders gefragt, was machen die heute? Was tun die Leute, die in der Schule immer vorne gesessen haben? Die das ganze Wissen, was uns beigebracht wurde, gierig aufgesaugt haben? Schade, das diese Personen nie zu meinem Freundeskreis gehört haben und ich heute nicht weiß was aus ihnen geworden ist. Ist so der Lebensweg eines jeden von uns vorher bestimmt? Wenn ich in der Schule ein Streber gewesen wäre, wäre ich dann heute so wie ich bin? Vielleicht ist es so richtig wie es ist. Aber eines weiß ich ganz bestimmt, wenn ich heute zurück in die siebte Klasse könnte, ich würde manches anders machen. Vor allem mich anstrengen gute Noten zu bekommen und alles Wissen mitzunehmen. Vielleicht auch um die Million bei Günter Jauch zu gewinnen.
Nicht das unser Wissen nur dafür gut wäre. Nein, im Gegenteil. Ich wurde schon oft irgendetwas gefragt, was ich nicht beantworten konnte. Einfach Fragen auf die ich keine Antwort wusste und dann hören musste, hattest du das nicht in der Schule? Super, ich kam mir richtig blöd vor. Ich als In-der-Schule-nicht-Aufpasser. Früher dafür von allen verehrt. Heute von allen ausgelacht. Das Leben spielt schon böse Spielchen.
Auch in meiner Ausbildungszeit musste ich die Schulbank drücken. Berufsschule. War das eine Erleichterung. Die Umstellung von einer fünftagewoche in der Schule mit einem neunstundentag war doch schon anstrengend. Wie schön war es da, zweimal wöchentlich in der Schule zu sitzen und einfach mal abzuschalten. Neue Leute kennen lernen, bisschen Blödsinn treiben, Lehrer zur Verzweiflung bringen. Herrlich.
Nur leider hat alles Schöne auch negative Seiten. Heute weiß ich, wenn ich die Berufsschule ernster genommen hätte, wäre mir mein Arbeitsplatz sicher gewesen. Nichts ist schlimmer als einen Job zu suchen und auf jede Frage des vermeintlich neuen Arbeitgebers, nach der Note die zum Bestehen der Prüfung geführt hat, eine ausreichende Antwort zu geben. Die Reaktion war immer die gleiche. Keinen Job. So quälte ich mich volle sechs Monate durch einen Berg von Zeitungsanzeigen, Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgesprächen. Bis irgendwann jemand Erbarmen zeigte und mich für einen Hungerlohn einstellte. Was war ich froh. Zu dem Zeitpunkt hätte ich auch einen Job in Sibirien zum Eisschollen picken angenommen.
Was für ein verdammtes Glück.
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