Was ist neu

Engelstränen

DCG

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03.11.2009
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Engelstränen

Nur der schwache Mondschein erhellt uns, umgibt uns. Kalt und emotionslos. Stumm und leicht zitternd steht sie mit dem Rücken gewandt zu mir. Nur eine leichte Seidenhose verhüllt ihre Beine, ihr Oberkörper ist nackt. Ihre Haut funkelt bleich im Mondlicht, ihre Flügel hängen leblos an ihrem Rücken herunter. Die letzte Beschützerin der Menschheit steht nun, wie viele ihrer Artgenossen zuvor, am Abgrund, blickt in die Tiefe und erkennt mit Schrecken die gleiche bösartige, schwarze Schlucht wieder, die den meisten Menschen innewohnt.

Sie können uns lesen, in unser Herz blicken. Sehen, was wir uns wünschen, was wir träumen. Und genau das wurde ihnen zum Verhängnis. Ihre Rasse war einst gross und stark und bereit, für jeden Mensch und dessen Reinheit der Seele zu kämpfen, auf dass nie ein Mensch leiden muss. Doch Dunkelheit verbreitete sich schleichend. Ein Tropfen Wahnsinn, ein Tropfen Habgier und ein Tropfen Wut. Verderben schlich durch die menschlichen Reihen und auch durch ihre Beschützer, denn kopierten sie ihre Stimmung und veränderten sich mit ihnen, erkrankten mit ihnen. Und starben mit ihnen. Doch bis vor kurzem gab es noch Hoffnung, denn sie hatte überlebt. Sie war noch nicht krank. Und so tat sie, was sie am Besten konnte. Sie half. Sie versuchte zu ändern, zu verhindern, zu bekämpfen. Doch wurde auch ihr helles Feuer des Guten unterdrückt von den dunklen Steinen böser Gedanken. Sie war eine Kerze im Orkan. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie erlöschen würde. Und nun ist es soweit.

Sie spürt meine Gedanken. Liest in mir wie in einem Buch. Wie üblich. Sie dreht sich langsam zu mir um. Ihre azurblauen Augen treffen die Meinen mit einem scheinbar gleichgültigen Blick. „Sarah!“ Mehr als ein Flüstern bringe ich nicht heraus. Ihr Körper erbebt kurz, leuchtet auf. Aus ihrem Auge läuft ein kleiner Blutstrom über ihre Wange zu ihrem Kinn. Engelstränen. Heilen jede Krankheit, ausser jene, die Sie befallen hat. Dem Aufgeben. Ihre Gedanken hüllen mich noch ein letztes Mal ein, betören mich, wie in den ersten Tagen, als wir uns kennen lernten, weit entfernt von dieser Brücke, auf der wir nun stehen. Sie sieht mir ein letztes Mal in die Augen, bevor sie sich fallen lässt und nach unten segelt. Ihr Kopf verschwindet langsam hinter der Brüstung. Ihre Augen entlassen mich aus meiner inneren Zelle. Ich haste nach vorne, in der irrsinnigen Hoffnung sie noch retten zu können. Doch natürlich gelingt es mir nicht. Auch ihre Beine verschwinden aus meinen Blickfeld, einzig ein paar kleine, schneeweisse Federn, schweben noch in der Luft, erhellt vom selben schwachen Mondlicht, das sich nun auch in meinen Tränen spiegelt. Ich sinke zu Boden, gelähmt von dem soeben Geschehenen. Nicht fähig zu denken, zu begreifen. Ich weine. Kleine Schneeflocken fallen auf meine Schultern, schmelzen und rinnen meinen Oberkörper hinunter.

Als mich ein einsamer Wanderer am nächsten Tag entdeckt, knie ich immer noch dort, an der Stelle, an der sie von mir gegangen war. Mein Körper ist völlig zugefroren, mein Herz hat schon lange aufgehört zu schlagen. Der Wanderer erzählte später der Polizei, er hätte schwören können, dass er blutige Tränen gesehen hätte, die aus meinen Augen quollen.

 

Hallo, die Geschichte ist cool! Ich hab sie gerne gelesen. Schade ist nur, das die zwei sterben. Aber das gehört ja zur Geschichte.
lg

 

Hallo DCG,

leider kann ich mich LOL nicht so ganz anschließen...

Die Idee hinter der Geschichte ist zwar nicht neu, aber ich finde sie prinzipiell gut: (Schutz-)Engel, die an den schlechten Eigenschaften der Menschen, denen sie helfen wollen, verzweifeln.

Dass Engel Selbstmord aus Verzweiflung begehen können - ok, kann man so stehen lassen. Nicht wirklich klar wird mir die Rolle des Erzählers. War er der letzte Mensch, dem sie (an einer Stelle erwähnst du ja sogar den Namen, wo war's denn... ahja, Sarah) zuletzt helfen wollte? Oder eine Art Medium, dass um diese Wesen wusste?

Alles in allem lässt du vieles im Dunklen - ok, viele mögen dieses "mystische" Erzählverhalten, meinen Geschmack trifft es nur bedingt, aber was soll's.

Keine Geschmacksfrage sind jedoch die handwerklichen Fehler in deiner Geschichte:

Die letzte Beschützerin der Menschheit steht nun, wie viele ihrer Artgenossen zuvor, am Abgrund, blickt mit ihren azurblauen Augen in die Tiefe und erkennt mit Schrecken die genau gleiche bösartige, schwarze Schlucht wieder, wie sie den meisten Menschen innewohnt.

Du beschreibst hier eine Person, die mit dem Rücken zum Betrachter steht. Da kommen mir die azurblaue Augen seltsam vor, er kann sie ja nicht sehen und weiß dementsprechend nicht, wohin sie blicken.
genau gleiche klingt nicht gut, entweder ist es die gleiche Schlucht oder eben nicht.
wie sie den ist auch sprachlich schlecht gewählt, besser wäre die den meisten Menschen.

Ihre Rasse war einst groß und stark und bereit für jeden Mensch und dessen Reinheit der Seele zu kämpfen, auf dass nie ein Mensch leiden musste.

und bereit KOMMA für jeden Menschen

nie ein Mensch leiden muss

Doch Dunkelheit verbreitet sich schleichend.

Hier bist du plötzlich wieder im Präsens. Das hat mich beim Lesen rausgebracht, ich denke, diesen Satz könntest du ruhig mit in die Vergangenheit setzen, auch wenn er allgemeingültig ist.

Verderben schlich durch die menschlichen Reihen und auch durch ihre Beschützer, den kopieren sie die menschliche Stimmung und verändern sich mit uns, erkranken mit uns.

Jetzt wird es wirklich wirr, was die Zeiten angeht. Ich weiß, warum du hier das Präsens verwendest, und es ist ja auch (wie bereits bei dem anderen Satz vorhin) nicht wirklich falsch - aber es liest sich nicht gut. Warum nicht in der Vergangenheit bleiben, wenn du die Engelswesen in deiner Geschichte sowieso aussterben lässt?

Außerdem sprichst du im ersten Teil des Satzes von "menschlichen Wesen", als sei der Erzähler selbst keines, im zweiten Teil aber von "uns". Das würde ich nochmal überdenken.

Außerdem: denn sie kopieren

Und so tat sie was sie am Besten konnte.

Hier fehlt ein Komma.

Doch wurde auch ihr helles Feuer des Guten unterdrückt von den dunklen Steinen böser Gedanken.

Lass den Satz weg. Das Bild von der Kerze im Sturm ist wesentlich besser gewählt und macht diesen Satz überflüssig.

Es war nur eine Frage der Zeit bis sie erlosch.

Erstens fehlt ein Komma und zweitens ist hier der konjunktiv angebracht: bis sie erlöschen würde

Schließlich steht sie ja noch auf der Brücke. Dieser Satz bestätigt mich darin, dass im zweiten Absatz durchgängig die Vergangenheit richtig gewesen wäre.

Ihre Augen treffen die Meinen mit einem, scheinbar gleichgültigen Blick

treffen die meinen, das Komma muss raus.

Heilen jede Krankheit, außer die, mit der sie befallen ist. Dem Aufgeben.

Besser: die sie befallen hat. Und mir hätte hier "Die Verzweiflung." oder "Die Hoffnungslosigkeit." besser gefallen als "Das Aufgeben."

Sie schaut mir ein letztes Mal in die Augen, bevor sie sich fallen lässt und nach unten segelt.

Schau' mer mal. Bitte, bitte: "Sie sieht mir"

Auch ihre Beine verschwinden aus meinem Blickfeld, einzig ein paar kleine, schneeweiße Federn, schweben noch in der Luft, erhellt vom selben schwachen Mondlicht, das sich nun in meinen Tränen spiegeln.

spiegelt

Ich sinke zu Boden, gelähmt unter dem soeben geschehenen.

gelähmt von dem soeben Geschehenen.

Mein Körper ist völlig zugefroren, mein Herz hatte schon lange aufgehört zu schlagen. Der Wanderer erzählte später der Polizei, er hätte schwören können, dass er blutige Tränen gesehen hatte, die aus meinen Augen quollen.

hat schon lange aufgehört

dass er blutige Tränen gesehen hätte


So, das war's. Ich kann jetzt nicht in Begeisterung ausbrechen, fand die Geschichte aber auch nicht wahnsinnig schlecht. Bei uns in Bayern würde man wohl sagen: Passt scho.

In diesem Sinne,

Penny

 

Einfach eine geniale Geschichte, wirklich sehr gut geschrieben ich lese selten etwas das mich so fesselt!

 

Liebe penny_lane

Lange, lange ist's her, seit du mir deine Verbesserungsvorschläge präsentiert hast. Nun (unglaublicherweise erst zwei Jahre später) habe ich mir die Zeit genommen, sie dementsprechend zu ändern. Über die kleinen Flüchtigkeits- und Kommatafehler brauchen wir wohl nicht zu disskutieren, die habe ich eins zu eins korrigiert.

Zur kleinen Zeitverwirrung im zweiten Abschnitt: ich habe ihn nun entsprechend deines Vorschlags geändert, finde aber einfach keinen Gefallen daran. Habe ich etwas falsch gemacht, oder kommt mir das Ganze jetzt nur seltsam vor, weil ich es bisher nur falsch gelesen habe?

Auch im zweiten Abschnitt die kleine Unnstimmigkeit mit der "menschlichen Rasse". Ich habe es nun ihn "sie" bzw. "ihnen" geändert, finde aber auch hier nur begrenzt Gefallen an dieser Lösung. Zwar habe ich den Erzähler immer noch aus der "menschlichen Rasse" ausgeschlossen, doch nun im gesamten Abschnitt, damit er sich in der gesamten Rückblende auf die "vergangenen Menschen" bezieht. Trotzdem wirkt die Struktur zwischen den zwei Parteien (den Engel und den Menschen) jetzt unklar. Ist verständlich, welche Gruppe ich zum Ende des Abschnittes meine, oder soll ich mir eine andere Erzählart einfallen lassen?

Ich weiss, das Ganze ist schon ziemlich lange her, aber gerade weil ich in der Zwischenzeit nicht viel Geschrieben habe, hoffe ich durch eine Antwort von dir, wieder etwas dazu zu lernen.

Und entschuldige meine barsche PN nach deinem Kommentar. Wie auf der Startseite steht, wir sind nicht zum Picknicken hier, sondern um etwas zu lernen und jegliche Kritik ist nur konstruktiv gemeint. Ich war wohl damals noch zu jung, um dies zu begreifen.

Vielen Dank und Liebe Grüsse

dcg

 

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