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03.11.2015
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Engelmann

Novembernacht. Stockduster. Regen. Vereinzelte Blitze sind zu sehen. Als Henny den Motor ihres Polos startet und zu ihrer Freundin fahren will, wird der Donner immer lauter. Dann blitzt es ganz hell. Sie erblickt im Rückspiegel die Silhouette einer großen, dürren Figur. Henny schreit und hupt vor Schreck. Dann schaut sie genauer hin. Es ist ein durchnässter Mann mit einem Hoodie, der ihr freundlich zuwinkt. Er kommt auf sie zu. Henny lässt die Fensterscheibe einen Spalt nach unten fahren.

„Was machst du denn hier, Papa?“, fragt sie.
„Bitte fahr nicht. Bitte. Vertrau mir nur dieses eine Mal!“
„Wieso sollte ich? Du hast uns schon so oft enttäuscht und verarscht!“, schreit Henny. Die Fensterscheibe fährt nach oben. Dann schaut sie auf seine Nase. Sie blutet.
„Du kokst schon wieder? Du hast gar nichts kapiert. Ich hasse dich, verpiss dich!“ brüllt sie durch die Scheibe hindurch.
Der Mann öffnet die Türe und packt sie am Ärmel. „Bitte geh nicht!“
„Warum nicht? Ich will weg von dir! Das Auto wird von innen nass. Lass das!“
Der Mann schaut ihr tief in die Augen. „Ich weiß, dass ich den letzten Monaten schwach war und viel Scheiße gebaut habe. Aber wenn du in dieses Auto steigst und losfährst, dann werde ich mich umbringen!“, sagt er mit ruhiger Stimme.
„Sei nicht so eine Dramaqueen.“
„Ich mein es ernst!“, ruft der Mann.
„Warum? Ich fahre doch nur zu Maja! Und dann gehen wir feiern! Was ist daran so schlimm?“
„Weil ihr sterben werdet. Ich habe es gesehen!“
Henny stockt der Atem. „Bullshit! Du willst mich doch nur manipulieren!“
„Was hätte ich davon? Ich wollte immer, dass du Spaß hast. Wirklich! Ich habe etwas Fürchterliches gesehen. Deshalb kann ich dich nicht in dieses Auto steigen lassen.“
„Papa, was soll das? Du spinnst doch und hast Wahnvorstellungen! Hör mit den Drogen auf!“
„Henny, bitte. Bitte fahr nicht. Ich mach das auch alles wieder gut. Ich will euch nicht verlieren!“
„Wieso euch?“
Der Mann macht eine Pause. Dann blickt er wieder tief in die Augen seiner Tochter. „Dich und meinen Enkel!“
Henny stockt der Atem. „Wo …. Öhm. Wo… Woher weißt du das?“
Beide schauen gleichzeitig auf Hennys Bauch.
„Man sieht doch noch gar nichts. Das kannst du nicht wissen! Niemand weiß davon, weder Mario noch die Frauenärztin. Was soll das? Voll die Creep-Show!“
„Das kann man nicht erklären. Du musst einfach Vertrauen haben. Nur dieses eine Mal! Bitte bleib heute Nacht zu Hause. Dein Sohn wird es dir danken. Und bitte sag auch Maja ab. Trefft euch morgen!“

Henny zögert. Dann schaltet sie den Motor aus und steigt aus dem Auto. „Du Arsch! Du dummer Arsch. Du nimmst mir seit Wochen jegliche Freude! Ich hasse dich!“ Sie rennt in das Elternhaus und knallt die Tür zu. Als das Licht im Wohnzimmer angeht, schaut Maike Engelmann aus dem Fenster.
„Niemand zu sehen, Schatz!“, ruft sie. „Ich sehe Papa nicht …“


***

Zwei Tage später. Jemand klingelt an der Tür Sturm. Aaron Engelmann öffnet seine Augen. Seine Pupillen sind stark geweitet. Hektisch schaut er sich um. Er pustet ein weißes Pulver von seinem Handydisplay. „20 Anrufe in Abwesenheit.“ Er packt sich schmerzverzerrt an seinen Kopf. „Ja. Komme!“, ruft er heiser. Er trottet schniefend zur Tür und öffnet sie. Eine kleine, schlanke Frau mit blonden Haaren tritt ohne ein Wort in die Wohnung. Sie packt sein Gesicht und blickt in seine Augen. Dann rennt sie in das Wohnzimmer.
„Mensch Aaron. Wie sieht es denn hier aus?!“, fragt sie nach einer Minute und setzt sich hin. Sie atmet schwer. „Wieso tust du uns das an?“
„Was tue ich denn?“, fragt er.
„Wieso gehst du nicht ans Telefon?“
„Ich. Ich. Ich musste nachforschen!“
„Was musstest du?“ Sie schaut auf das weiße Pulver auf dem Boden „Aha. Ich verstehe. Nachforschen nennst du das?“
„Gar nichts verstehst du. Und ich würde mir ja selber nicht glauben, wenn ich nicht wüsste, was gerade in meinem Leben abgeht! Ich verliere jeglichen Halt. Als ob ich eine Figur in einem Horrorfilm wäre. Etwas kontrolliert mich!"
„Ja. Das Zeug hier auf dem Boden!"
„Nein. Nicht nur das!"
„Dann erkläre es mir!"
„Nein!“
„Warum nicht?! Dann verliere ich vielleicht meine Gabe oder es passiert was anderes Schlimmes. Das auf jeden Fall!“
„Wer sagt das?“
„Die Stimme. Die Stimme, wenn ich dieses Scheißzeug nehme!“ Wieder schaut er auf das Pulver auf dem Boden.
„Dann lass es doch einfach und komm zu uns!“
„Das geht noch nicht! Noch zweimal muss ich euer Engel sein. Danach werde ich damit aufhören. Versprochen!“
„Dann ist es zu spät. Dann haben wir dich verloren!“
„Wer sagt das?“
„Die Stimme!“
„Welche Stimme? Hörst du sie etwa auch?“
Maike lacht schnippisch. Nein. Die Stimme der Vernunft! Willst du uns verlieren? Du hast deinen eigenen Sohn schon zu Tode erschreckt!“
„Ich musste es tun!“
„Warum?“
„Es war eine Wespe in Nicks Cola-Glas. Das war der einzige verschissene Grund, warum ich es aus seiner Hand geschlagen habe. Der einzige Grund!“
„Keiner hat eine Wespe gesehen, außer dir! Du hast seine Feier ruiniert. Und der Junge hat nun Angst vor seinem Vater ...“
„Maike. Bitte. Lass ihn testen. Der Junge ist allergisch. Ich weiß es. Er hätte es nicht überlebt.“
„Woher? Woher willst du das wissen?“
„Ich habe es gesehen! Bitte glaub mir!“
Maike wird kleinlaut und schaut in seine Augen. „So wie den Massenunfall auf der A1? Henny hat mir heute davon erzählt. Deshalb bin ich hier.“
„Ja doch. Genau wie den Unfall. Ich will euch doch nur schützen! Das erste Mal war dumm von mir. Ich kam halt nicht darauf klar, was passiert ist. Ich wollte mich nur einmal wegballern. Aber das ist nicht mehr der Grund, warum ich das Zeug nehme. Ich ich sehe Dinge, schreckliche Dinge, die passieren werden. Doch ich kann euch warnen!“
„Aaron. Du bist krank. Du hast den Selbstmord deiner Eltern nicht verkraftet, aber Margot war krank. Und Johann war alt. Lass sie gehen. Du musst erwachsen werden!“
„Das bin ich doch!", brüllt er.
„Nein, du rennst davon wie ein Kind. So richtig erwachsen wird man erst, wenn man keine Eltern mehr hat. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Man kann sie nicht mehr um Rat fragen. Man hat kein Backup mehr! Und wenn du Scheißkerl so weiter machst, haben deine Kinder auch bald keine Eltern mehr. Ist es dir das wert?“ Maike stürmt zur Tür. „Denk nach Aaron, denk nach!“
„Maike. Bitte. Nur noch zweimal. Dann höre ich auf!“
„Dann ist es zu spät!“
„Maike!“ Er greift ihren Arm. Sie schaut ihn an und lässt es zu. Sie lächelt einen Moment
„Du hast einen Knoten in der Brust. Das habe ich eben gesehen. Bitte. Bitte lass das testen. Rechte Seite!“
Sie lächelt ihn verkrampft an. Dann weint sie. „Tschüss, Aaron! Leb wohl!“
„Bitte geh zum Arzt. Unsere Kinder müssen noch nicht so schnell erwachsen werden. Ich habe eben vielleicht schon zu viel gesagt, wenn die Stimme recht hat. Aber du bist noch zu retten! Sie brauchen dich!", schreit er ihr hinterher. Doch Maike dreht sich nicht mehr um.

***

Vier Tage später. Ein Mann wacht auf dem Marmorboden vor dem Handtuchwärmer seines Badezimmers auf. Er packt sich an den Hals. Dieser ist stark gerötet und mit Druckstellen übersät. Er kann kaum atmen und ringt um Luft. Er tastet seinen Hals ab. Dann sucht er nach einem Gegenstand.
„Wo? Wo ist ...?“, stammelt er.
„Suchst du das hier?“ Aaron streckt dem Mann einen Gürtel entgegen.
„Du? Was machst du hier?“
„Du kannst noch nicht gehen!“
„Doch! Ich bin eine Gefahr für alle. Das weißt du doch!“
„So ein Quatsch. Matze, hör mir zu! Du hast doch noch nie jemanden angerührt! Und ich weiß, dass sich das in Zukunft alles legen wird.“
„Ja, habe ich echt nicht. Aber wer weiß, wie lange noch?!“
„Red dir das nicht ein! Es ist ein Skandal, dass die Sprechstundenhilfe deine Diagnose an der Rezeption verraten hat und ausgerechnet Frau Hartmann das mitbekommen hat! Die Praxis hat gegen die Schweigepflicht verstoßen. Das ist doch Irrsinn. Alle reden von Datenschutz, aber die Frauen an der Rezeption, reden in den meisten Praxen so laut, dass jeder andere Diagnosen kennt. Das Prinzip ist doch krank! Aber das ist nicht deine Schuld. Du suchst dir doch seit Jahren Hilfe!“
„Ja. Aber vielleicht werde ich eines Tages schwach?“
„Wirst du nicht! Glaub mir! Nimmst du denn noch deine Tabletten?“
Der Mann nickt.
„Und hattest du noch mal, ähm, solche Sehnsüchte oder Fantasien?“
„Nein. Schon ewig nicht mehr. Aber wie Frau Hartmann sagt. Ich bin eine tickende Zeitbombe! Eine Gefahr für ihre Kinder.“
„Die Olle hat doch selber Probleme. Sonst wäre sie nicht in Therapie!“
Matze verdreht die Augen. „Aaron!? Mensch. Muss so ein Spruch sein?“
„Ja, sorry, aber stimmt doch. Diese Weltverbesserer nerven. Was sollst du denn noch tun, außer gegen deine Neigung anzukämpfen? Ich kenne keinen, der seit Jahren so hart fightet wie du. Was weiß denn diese dumme Kuh? Wenn alle ihre Probleme so konsequent angehen würden und so diszipliniert wären, wäre die Welt ein besserer Ort!“
„Bla bla bla. Du hättest an Frau Hartmanns Stelle also kein Problem mit meiner Krankheit! Was würdest du denken, wenn ich nicht mit dir verwandt wäre? Oder wenn ich mit Nick alleine im Raum wäre? Oder mit ihm alleine gewesen wäre, als er noch ganz jung war.“

Aaron zögert. „Weiß nicht. Aber dich vorzuverurteilen, bevor du jemals was verbrochen hast, geht auch nicht! Du vermeidest doch vorab solche Situationen. Außerdem hattest du doch diesen Eingriff.“
„Ja. Stimmt! Aber, ich habe gesündigt, vielleicht nicht in Worten und Werken, aber in Gedanken! Auch das ist eine Sünde!“
„Ja. Aber das ist Jahre her!“
„Mag sein. Aber vielleicht werde ich schwach, seitdem Papa und Mama nicht mehr sind? Ich bin so verunsichert. Dabei bin ich doch kein Kind mehr. Wieso macht das so vieles mit mir?"
„Hey. Du bist nicht alleine. Mich hat ihr Tod auch geschockt. Wir wären Monster, wenn uns das kalt lassen würde." Aaron streichelt die Hand seines Bruders. „Und wenn ich eines gesehen habe, dann das du kein Monster bist! Einem Monster wäre das nämlich alles egal!"
„Kann sein, aber ich kann nicht mehr. Warum lässt du mich nicht gehen? Ich will zu ihnen!"
„Weil deine Kinder dich brauchen. Und weil du mein Bruder bist. Ich weiß, dass du ein guter Mensch bist!“
„Und was ist, wenn du dich irrst? Vielleicht werde ich durch den Tod von Mama und Papa rückfällig?! Du bist doch auch rückfällig geworden.“
„Wirst du nicht! Bestimmt nicht!“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich habe es gesehen!“
Matze blickt auf Aarons Nase. „Du blutest wieder!“
„Ja, aber ich muss das Zeug nehmen!“
„Aha. Und wieso?“
Aaron zögert, als ob ihn eine Stimme warnen würde. Dann schüttelt er den Kopf und spricht entschlossen. „Weil, weil ich dadurch in die Zukunft sehen kann. Rat mal, warum ich im letzten Moment den Gürtel lösen konnte?“
„Hast du das wirklich gesehen?“
Aaron nickt.
„Also stimmen die Stories wirklich, dass du Nick und Henny gerettet hast? Die Wespe, die keiner gesehen hat? Und das ist alles wirklich keine blöde X-Faktor-Story?“
„Boah. Wie oft denn noch?! Ja, die Wespe gab es. Und das mit dem Massencrash genau auf dem Weg zur Disko stimmt auch. Ihr habt es doch in den Medien gesehen?! Wieso glaubt ihr mir das nicht? Nur weil ihr nicht das seht, was ich sehe?“ Aaron weint. Eine Träne prasselt auf das Gesicht von Matze, der immer noch leicht benommen vor ihm sitzt und sich an den Handtuchwärmer lehnt.
„Es war alles so schön ruhig. Die Stimmen in meinem Kopf waren weg. Die Stimmen der Leute, die mich beschimpfen und zu Recht hassen, weil ich ihren Kindern was antun könnte. Alles war ruhig. Ich wäre langsam zu Mama und Papa gegangen.“
Aaron nickt. „Ich kenn das.“ Er schnieft. „Ich kenne das sehr gut, aber du hast zwei Kinder, die dich brauchen. Wir brauchen dich alle, Matze. Bitte tu das nie mehr! Werd erwachsen!“
„Na gut, aber nur, wenn du das mit Koksen lässt!“
„Versprochen. Ich tue es nur noch einmal. Ich will sicher gehen, dass ich niemanden vergessen habe. Ich bin schuld. Hätte ich eher damit angefangen, hätte ich Mama und Papa retten können!“
„So ein Bullshit. Mama war krank und Papa war alt. Sie haben ihr Leben gelebt!“
„Hm. Mag ja sein. Aber es tut so weh!“
„Ja, ich weiß. Aber du bist gesund. Du hast auch Kinder, die einen Vater brauchen. Wieso hörst du denn damit nicht auf!“
„Werde ich. Versprochen! Nur noch ein einziges Mal. Ich muss wissen, ob es euch auch allen für immer gut geht. Vielleicht krieg ich noch eine Vision? Vielleicht versuchst du es noch einmal, dich umzubringen?! Dir ist schon klar, dass ich wegen dir mein Leben riskiert habe?!“ Aaron fasst sich an die Nase. Dann zeigt er Matze seine blutverschmierte Hand. „Da. Siehst du?!“
Matze nickt. Ist ja gut. „Ich reiß mich zusammen. Danke, dass du mich gerettet hast und immer für mich da bist!
„Natürlich. Ich bin doch dein Engel, Mann?!“
„Boah. Gib mir den Gürtel! Ich ertrag deine schlechten Wortspiele nicht!“
Beide lachen.
„Komm jetzt, steh auf. Karla und die Kids kommen gleich nach Hause. Zieh dir einen Kragenpullover an und räum den Gürtel weg. Du willst doch nicht, dass sie dich so sehen. Damit zerstörst ihre Leben!“
Aaron reicht ihm die Hand.
Matze rafft sich langsam auf und greift zu. „Danke! Und ich werde mit Maike reden. Ich glaube dir, was du siehst. Ich kann es nicht begründen. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich glaube dir vom Herzen! Sonst hättest du mich hier nicht gefunden. Ich habe die Tage so geschauspielert. Alle sollten denken, ich sei wieder okay. Du musst das alles gesehen haben. Das konnte keiner wissen!“
Aaron nickt.
„Ich werde dir helfen Bruderherz und für dich da sein, so, wie du für mich gerade!", betont Matze.
Beide lächeln.


***

Einen Tag später. Die Sonne scheint. Aaron strahlt vor Glück. „Es sieht alles so aufgeräumt aus“, denkt er sich. Henny und Nick sowie ihre Mutter befinden sich in seinem Appartement, auch Matze ist dabei.
„Endlich, glauben sie mir. Sie sind alle da. Das ist der schönste Moment!“, denkt er sich.
„Du hattest Recht. Du hattest mit allem Recht! Es tut uns so unfassbar leid. Wir glauben dir. Du bist unser Schutzengel. Es tut mir so leid. Ich war direkt bei Frau Conrad. Sie hat meine Brust abgetastet. Du hattest recht. Es ist noch nicht zu spät für mich. Das weiß ich dank dir! Montag beginnt die Therapie“, sagt Maike. „Aber warum hast du weitergemacht, du Dummerchen? Warum?“
Aaron blickt in Maikes Augen. Sie sehen traurig aus. „Wieso hast du nochmal gekokst? Waren wir es dir nicht wert!“ Sie schluchzt.
„Ich wollte nur wissen, ob es euch endgültig gut geht. Alles abklären. Damit nicht was übersehen wird, wie bei Papa und Mama. Ein letztes Mal! Und es ist alles gut. Ihr werdet alle ein langes Leben haben. Das habe ich heute Nacht gesehen. Das musste ich noch in Erfahrung bringen. Ab heute höre ich aber auf. Ich schwöre!“

Aaron will auf Maike zurennen, doch er kann nicht. Irgendetwas hindert ihn.
„Er fühlt sich so kalt an!“, ruft Nick. „Ich glaube, er ist glücklich! Schau auf sein Gesicht“, sagt Matze und umarmt ihn. „Ich glaube, er hatte die Gewissheit, dass wir alle noch lange leben werden. Das hat ihn beruhigt.“
Aaron nickt. „Matze hat recht!“
„Mama, glaubst du auch, dass Papa glücklich ist?!“, fragt Henny.
Maike nickt. „Ja!“
„Klar bin ich das! Ihr seid alle bei mir! Und ihr glaubt mir! Wie könnte ich glücklicher sein!?“, sagt er mit lauter Stimme.
„Da, wo er jetzt ist, von da aus wird er auf uns aufpassen!“ Aaron beobachtet wie Maike weint. „Er ist auch da oben unser Schutzengel!“, sagt sie, während sie bitterlich weint.
Matze küsst ihre Stirn. „ Das alles klingt verrückt, aber ich glaube ihm und ich weiß, dass er gerade jetzt bei uns ist. Ich spüre dich, Bruderherz.“ Matze schaut in Aarons Richtung und nickt ihm zu.

„Hallo?! Warum redet ihr über mich? Ich bin doch da. Hört er mir eigentlich zu?!“, ruft Aaron nervös. „Ich bin happy. Alles wird wieder gut. Euch geht es gut. Ich werde Opa und meine Frau wird den Krebs besiegen. Lacht doch mal!“

Erst jetzt sieht Aaron, wie Henny sich zu ihm jemanden runterbückt. Im Hintergrund betreten zwei Polizistinnen das Wohnzimmer.
„Nein. Das kann nicht sein! Papa! Wach auf. Bitte wach auf!“, brüllt Henny, ehe sie weinend zusammenbricht.
„Was soll das? Ich bin doch wach! Hört ihr mich nicht?!? Ich werde nie mehr koksen. Alles ist gut. Ich weiß jetzt, dass es euch gut geht und ihr mich nie verlassen werdet, wie Papa und Mama!“, schreit Aaron. Dann schaut Aaron genauer hin. „ Das bin ja ich. Wie kann das ..? Er versucht an sich herabzublicken, sieht aber nichts. „Oh nein. Die Stimme hatte Recht ...", ruft er, aber niemand hört ihn.

Die Sonne beginnt heller zu scheinen. Eine der Polizistinnen tritt an Maike heran. „Mein Beileid! Wir kamen leider zu spät!“

Wieder blickt Aaron auf seinen eigenen lebelosen Körper auf dem Boden liegen. Seine Augen sind weit aufgerissen, seine Pupillen stark vergrößert, seine Nase blutet leicht. Er lächelt.
Aaron schreit mehrere Male. „Hey. Nichts ist zu spät. Ich bin doch hier!“
Nichts. Dann umarmt Maike ihre Kinder und gibt beiden einen Kuss auf die Stirn.
„Ich weiß es. Ich bin mir sicher!“, sagt Maike.
„Worüber?“, fragt Nick.
„Onkel Matze hat Recht. Er ist in diesem Moment hier mit uns im Raum und passt auf uns auf! Hallo, mein Engel, wir grüßen dich! Schön, dass du da bist. Ich glaube dir jetzt und weiß, dass du mich hören kannst! Es tut mir so leid, dass ich es zu spät kapiert habe. Verzeihst du uns?“
Aaron lächelt milde und nickt.
„Danke für alles, Papa! Ich werde ihn Aaron nennen, nach dir! Bitte komm nur zurück bitte! Du hast doch Superkräfte. Vielleicht kannst du auch von den Toten wieder auferstehen“, ruft Henny und rüttelt an dem leblosen Körper.
„Papa, Papa. Das mit dem Cola-Glas tut mir leid. Ich hätte dir glauben müssen. Der Allergietest war positiv. Du hast mich damals gerettet! Danke!“
„Danke, dass du so auf uns aufgepasst hast, mein Engel! Ich liebe dich! Verzeihe mir, dass ich ungläubig war. Wir glauben dir jetzt! Okay?", flüstert Maike.
Aaron lächelt ihr zu, während Maike Henny umarmt. „Ich bin mir sicher, dass Papa dich hört und auf Nick und dich aufpassen wird. Ich spüre das!“
Maike blickt in Aarons Richtung. Gleichzeitig nicken sie sich zu.
„Mach's gut, mein Engel!“, flüstert Maike.
„Du auch! Ich liebe dich“, sagt Aaron.

Aaron sieht ein weißes Licht, das den Raum mit einer wohlwollenden Wärme erhellt. „Das ist gar nicht die Sonne!“, stellt er fest. Er schaut ein letztes Mal auf seine Familie, die nun komplett um ihn herum versammelt ist. Er lächelt zufrieden und verlässt den Raum. Dann hört er etwas.
„Mama?, Papa? Seid ihr das?", fragt er.

ENDE

 

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