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Engel oder Tod
Engel oder Tod/ Überarbeitet 27.07.03
Engel oder Tod (Der Raum)
Zitternd lege ich das Fleisch in die Pfanne, dazu Zwiebeln. Öl spritzt an die Wandfliesen und auf meine Finger, schnell drehe ich die Temperatur auf Stufe zwei herunter. Doch ich sehe wie die Zwiebeln sich zu schnell schwarz verfärben. Verbrannter Geruch steigt mir in die Nase, das Fleisch wird diesen Geruch annehmen und nicht mehr genießbar sein. Ich stelle die Pfanne auf eine kalte Herdplatte, wende das Fleisch. Mit Tränen in den Augen sehe ich nur eine schwarze Kruste. Das Abendessen – wieder einmal habe ich es verbrennen lassen. Obwohl ich die Strafe dafür kenne. Dabei gab ich mir heute wirklich so viel Mühe, es nicht passieren zu lassen. Sein Hemd, das er mir heute morgen zum waschen gegeben hatte, habe ich nicht sauber bekommen. Die Blutflecken sind noch immer leicht rosig zu sehen. Es ist mein Blut. Gestern kochte ich Lasagne, doch ihm war der Käse zu dunkel, die Füllung zu versalzen, und sein Bier zu warm. Mit dem Eßlöffel schlug er mir die Lippe wund, kleine Spritzer sprangen auf sein Hemd. Und nun steh ich in der Küche, mit hängenden Schultern, und sehe mir das Fleisch an. Der Angstschweiß rinnt an meinem Nacken hinab. Ich höre wie die Haustüre zufällt. Mein Mann ist daheim.
Sitzend in einer Ecke warte ich, das mich jemand an die Hand nimmt um mich die Freiheit zu führen.
Nur ein winziges Fenster mit Gitterstäben davor ist in diesem Raum.
Die Sonne ist fast am Horizont untergegangen. So lange sitze ich bereits in der Ecke, keine Vogelstimmen dringen mehr zu mir herein. Die Straßen werden leer und leise. Schließlich ist Schlafenszeit. Kein Licht dringt nun mehr durch das Fenster, um mir die Angst zu nehmen. Die Furcht kommt langsam, aber stetig. Ich kann sie nicht unterdrücken, sie kriecht in mich hinein. Dabei sollte ich diesen Raum doch schon auswendig kennen, so viele Stunden habe ich schon hier verbringen müssen. Während mein Mann sich von seiner Mutter verhätscheln läßt.
Ich höre die beiden nicht, und doch weiß ich was sie sagen werden. Sie wird ihren Sohn bemitleiden, ihm die Ohren heiß reden mit den Sätzen: „Ich habe es dir von Anfang an gesagt das dieses Ding nichts taugt. Sie ist dumm und faul. Aber jetzt bin ich wieder da.“ Dann wird mein Mann zu ihr sagen: „Ja, du hattest Recht. Sie ist ein Nichts, nicht einmal Kinder kann sie gebären. Ich dachte das dieses Einsperren sie vernünftig und gehorsam macht. Aber nein, sie ist einfach zu dumm um selbst zu wissen was ihr gut tut.“
Ich war schwanger. Schon zweimal. Es sollten Mädchen werden. Kein Stammhalter, denn nur Söhne wären sein Fleisch und Blut wert. Ich versuchte es vor ihm zu verheimlichen, leider bekam er es immer heraus. Die Strafe für meine Dummheit keinen Jungen zu gebären, waren erst die Treppe und dann der Raum.
Ich vermisse meine Mädchen.
Ich weiß, daß ich selbst schuld habe. Das Abendessen.. Ich werde es nie wieder anbrennen lassen, versprochen. Doch niemand will mein Versprechen hören. Es interessiert meinen Mann und meine Schwiegermutter nicht, was so ein wie ich zu sagen hat.
Ich versuche mich noch kleiner zumachen, drücke mich noch tiefer in die Ecke. Es hilft nichts, ich weiß was mich die nächsten Stunden, Tage erwartet.
Ich habe meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Die Furcht ist nun in jedem Millimeter meines Körpers. Das Zittern übernimmt die Oberhand. Meine Beine sind wie Pudding, die Arme verkrampfen sich ineinander. Durch die Dunkelheit weiten sich die Pupillen, meine Augen wandern ständig hin und her, ohne die Wände auszumachen. Mein Atem geht schnell und stoßartig. Die Nase läuft in ununterbrochen. Meine Zähne klappern auf einander, so laut, dass ich davon selbst erschrecke. Der Herzschlag ist so schnell, dass ich Angst haben muß, mein Herz könnte aus mir heraus springen oder zerplatzen. Ich spüre, wie mein Puls das Blut in den Adern immer schneller fließen läßt, noch schneller und die Adern fangen an zu brodeln.
Nach einer gewissen Zeit verliert mein Verstand die Orientierung. Das Denken fällt mir immer schwerer, Nebelfäden umschnüren mein Gehirn. Ich weiß nicht mehr, wo oben oder unten ist.
Links oder Rechts.
Meine Finger tasten sich in das dunkle Nichts vor mir. Kein Widerstand kommt mir entgegen. Ich flehe meinen Körper an, Folge zu leisten, was ich ihm anordne zu tun. Auf allen Vieren zu kriechen, bis ich eine Wand erreiche, die mir sagt, wo die Türe sein könnte.
Doch ich bin zu schwach vor Angst, krampfhaft versuche ich das Zittern einzustellen. Mein Magen rebelliert gegen die Gerüche, die ich hier schon vor Zeiten liegen ließ. Widerlicher Gestank, ich erbreche nun Magensäure auf den Boden. Der Boden ist das einzige, was ich spüre, als Real einschätzen kann. Ich krieche nun. An einen aufrechten Gang ist nicht mehr zu denken. Doch als die Haut von meinen Kniescheiben abgewetzt ist und, das Blut warm den Boden tränkt. Wird mir bewußt, dass die Ewigkeit hier in diesem Zimmer wohnt, niemals werde ich alleine eine Türe finden, kein Schatten wird mich an der Hand führen, niemals werde ich wieder die Sonne sehen. Obwohl ich schon so oft hier war, werde ich vergeblich nach den Ausgang suchen.
Bin ich in meinem Leben so böse gewesen, dass ich in der Hölle gelandet bin?
Träume ich die Ewigkeit nur?
Bin ich tot?
Nein, ich habe nur den falschen Mann geheiratet, mit der falschen Schwiegermutter. Vor einem Jahr stand ich vor dem Standesbeamten, damals meinte ich noch: Ich sei die glücklichste Frau auf Erden. Ich habe mich geirrt. Mein Mann brauchte eine Frau für den Haushalt, keine Ehefrau für die Zukunft. Und seine Mutter eine Sklavin für ihren Hauhalt. Mehr nicht. Keine Kinder, keine Liebe.
Ich will hier und jetzt sterben.
Wo sind die Engel um mich zu retten?
Hab ich überhaupt Engel, die zu mir gehören?
Oder bin nicht würdig, gerettet zu werden?
Mein Mund wird trocken, ich huste, bis mir Blut aus dem Mund tropft, doch jeden Tropfen fange ich wieder auf, um nicht zu verdursten, die Tropfen, die ich verliere, suche ich mit meiner Zunge. Den ganzen Boden lecke ich danach ab. Wer weiß wann ich hier wieder herausgelassen werde. Das letzte mal kam mein Mann nach zwei Tagen zu mir. Zwei Tage ohne Wasser, kein Brot, nur ich. Seine Mutter war während dieser Zeit in meiner Küche.
Hysterisches Lachen, gemischt mit haltlosem Schluchzen, einzig und alleine diese Töne dringen in mein Ohr.
Mein Verstand ist nicht mehr vorhanden, wieder dieses Lachen. Ich kann nicht mehr realisieren ob es von mir ist, oder von draußen kommt.
Erleichtert höre ich das erlösende Geräusch, meine Rettung ist unterwegs. Der Schlüssel wird in dem Schloß umgedreht. Ich bin frei.
Ich erhalte einen Vortrag von seiner Mutter, wie froh ich sein sollte, solch einen Geduldigen Ehemann zu haben. Jede Frau würde sich freuen so einem tüchtigen Mann zu gehören. Mein Mann sah währenddessen Fernsehen, würdigte mir keines Blickes, nur einen Satz sprach er: „Du wirst es nie verstehen, was Du an mir hast.“
Er befielt mir, mich wieder in die Küche zu bewegen.
Um zu erfahren ob ich es endlich gelernt habe, sein Abendessen nicht anbrennen zu lassen.