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Engel haben keine Namen
Engel haben keine Namen
Wir saßen gemeinsam auf den Stufen vor der Kleiderreinigung, welche zwei Eingänge neben dem meiner Wohnung lag. Es war Samstag Vormittag, die Reinigung hatte geschlossen und so war niemand da, der uns stören konnte. Hin und wieder kam ein Passant vorbei, schaute flüchtig zu uns herüber und ging dann weiter seiner Wege. Ich rauchte eine Zigarette und meine Hände zitterten. Ich ahnte schon, was jetzt kommen würde. Die letzte Woche hatte sie sich komisch benommen, mich gemieden, sich nie bei mir gemeldet. Wenn ich ihr etwas vorschlug, dann meinte sie, sie hätte schon etwas anderes vor, traf sich mit Freundinnen und ließ mich links liegen. Es tat weh, so von ihr behandelt zu werden. Es tat weh, zu sehen, wie sie sich immer weiter von mir entfernte und am meisten schmerzte mich das, was jetzt kommen würde.
Sie sah mich aus großen hellblauen Augen an. Ich liebte diese Augen, die so verträumt und liebvoll blicken konnten. In wolkenlosen Nächten schienen sich tausende Sterne in ihnen widerzuspiegeln. Wenn ich in ihrer Nähe war und in ihre Augen sah, dann blieb die Zeit für mich stehen. Ich versank in andere Welten, aus denen ich mich nie wieder erheben wollte. Es war wie das Paradies, ein Ort völliger Glückseeligkeit, wie auf einem Dauerhoch im Drogenrausch. Ein nie enden wollendes Gefühl machte sich in mir breit und zwang mich so zu handeln wie ich es tat. Ich machte mich zum Affen, spielte den Idioten und es war mir egal was andere Leute dachten oder sagten, denn ich war verliebt. Egal was ich machte, ich dachte dabei nur an sie. Mein ganzes kleines Universum drehte sich um sie und die Welt schien besser, wenn sie bei mir war.
Der Wind umschmeichelte sanft ihr Gesicht, ließ ihr Haar auf seinen Wogen reiten, als wäre es frei und wild. Eine Strähne ihres braunen Haares hing ihr kurz ins Gesicht, ich wollte sie beiseite wischen, doch sie zuckte zurück. Sie verweigerte mir, sie zu berühren. So etwas hatte es noch nie zuvor gegeben. Sie mochte meine Liebkosungen, liebte es ihren Körper an den meinen zu pressen und wenn wir uns küssten hätte die Welt aus den Fugen geraten können, keinem von uns wäre es aufgefallen.
Wir sahen uns lange an. Keiner sagte etwas. Jeder wartete darauf, dass der andere den Anfang machte, doch im Endeffekt war sie es, die mir etwas zu sagen hatte, nicht ich ihr. Und dann sagte sie es.
„Es ist aus.“
Für einen Moment schienen die Worte in der Leere des Augenblicks zu schweben, weit über mir, bevor sie tonnenschwer auf mich herabstürzten und mein Herz unter sich begruben. Ein glühender Dolch wurde zwischen meine Rippen gestoßen und obwohl ich genau mit diesem Satz gerechnet hatte, wollte ich ihn nicht wahrhaben. Wut brannte in meiner Seele wie ein loderndes Feuer, doch nicht auf sie, sondern auf die Ungerechtigkeit des Seins war ich wütend. Wir waren wie für einander geschaffen, doch unser einstiges Glück wurde jäh durch die Ketten des Schicksals entzwei gerissen und ich war ohnmächtig dies zu verhindern.
Sie war die Liebe meines Lebens. Jede Faser und jede noch so kleine Zelle in meinem Körper verzehrten sich nach ihr wenn sie nicht in meiner Nähe war. Sie war die Erfüllung all meiner Wünsche und Träume und war mit Leib und Seele das Reinste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen und erlebt hatte. Wenn es eine perfekte Welt gäbe, dann wäre sie würdig, auf ihr zu wandeln. In meinem ganzen Leben, habe ich nie wieder jemanden so sehr geliebt, wie sie.
Einen kurzen Moment blieb sie noch an meiner Seite sitzen, dann stand sie auf, drehte sich noch einmal zu mir um und blickte mich mitleidvoll an. Ich saß da wie ein Häufchen Elend, unfähig zu Denken oder zu Handeln. Allein!
Einen Grund für diese Trennung habe ich bis heute keinen bekommen. Nur Spekulationen, vage Vermutungen und Trugschlüsse.
Warum? Ich weiß es nicht!
Ihr wollt wissen wie ihr Name war?
Nun, Engel haben keine Namen.