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Endzeit

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02.11.2001
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Endzeit

Die Wälder lehnen sich schwarz gegen den Rest der Menschheit.
Krüppel schreien ihren Wahnsinn in das Lodern der Scheiterhaufen. Blindgestochene Kinder irren im verfaulenden Kot längst erschlagener Spielgefährten. Immer im Kreis. Letztendlich nur Schlachtvieh, geworfen für den Verzehr. Ein lebender, jaulender Vorrat.
Dörfer, Städte, ohne Beginn, ohne Ende. Wilde Tiere brechen aus den Wäldern, herrschen über diesen kläglichen Rest Menschenfleisch, das sich anmaßte, die Welt regieren zu wollen.
Der Horizont brennt.
Sonne, wo bist du?
Das Gedröhne der Kriegsmaschinen. Es ist alles tausendfach zerschossen, tausendfach gemordet. Sonne, haben sie auch dich gemordet?
Das Gesetz ist keines mehr. Die Soldateska triumphiert. Flüsse verdampfen. Leiber treiben in der Chemie der Abwässer. Das Millionenheer der Fliegen feiert Auferstehungsorgien. Die Äcker sind tot.
Totenäcker, auf deren Schollen die Pest hockt.
Mütter hecheln wie dienbare Hunde gegen die Grätze ihrer Besteiger, schlagen ihre Zähne in den frischen Schleim des Wurfes von gestern.
Die Art macht sich die Erde untertan, verspeist sich selbst.

Ich zittere.
Wo bist du, Liebe?
Wohin sind die Träume, die wir geträumt hatten an warmen Hüttenfeuern?
Was gab es alles zu tun für uns, doch was taten wir falsch?
Wie konnte geschehen, was nie geschehen durfte?
Wir hatten uns, hielten uns, glaubten an die Endgültigkeit unserer Liebe. Und wussten nicht, dass diese mit zum großen Planspiel der Mächtigen gehörte. Was waren wir töricht, zu glauben.
Ich hocke hier und zittere vor den übriggebliebenen Horden da draußen. Horden, die das Land umgruben, Horden, denen ehrbare Begriffe fremd geworden sind. Würde, Respekt, Liebe. Waren das nicht die Pfeiler, die uns trugen?
All das alte Vokabular aus den Jahren davor.
Jetzt schlagen die da draußen ihre Kinder tot um nicht zu hungern und den Krieg weiter unterhalten zu können.
So sind wir nicht. Oder doch? Sind wir so?

Meine Liebe, wo bist du?
Ich fühle deine Nähe. Du bist noch da.
Führe mich weg, bitte.
Kennst du den Weg in eine sanftere Hölle? Sag, kennst du den?
Ich zittere.
Ich habe alles mitangesehen. Du wolltest es nicht wahrhaben. Erst als dein Blick in diese gläserne Schlucht wegkippte, wusste ich, dass du von all dem nichts mehr spürtest.
Sie haben dich gerissen wie Tiere, die ihre Beute reißen. Sie haben dich entzwei gerissen.
Dich, mein Herz.
Die Kälte. Der gelbe Staub überall.
Sie haben deinen Kopf an die Krüppel verfüttert. Ich habe keine Tränen mehr. Sie werden mich heute oder morgen finden. Zeige mir den Weg zu dir, meine Liebe.

Es war ein falsch verstandener Gehorsam und nur ein Befehl. Das haben sie daraus gemacht. Sieh dich um. Nein, lieber nicht. Dreh dich nicht um, auf dem Weg , den du jetzt gehst.

Aah, sie kommen.
Deine Wärme spüren.
In deinen Armen, eine Nacht noch.
Sie brechen mit Eisenstangen durch das Mauerwerk. Sie haben mich gefunden. Der Weg ist zu Ende. Mein Gott, wie viele es sind.

Liebe, halte mich fest. Bitte. So fest du kannst.
Jetzt, ganz fest.
Ich habe Angst.
Um Gottes Willen....

 

Hi Aqualung!

So mag ich Deine Geschichten! Da ist alles drin und alles dran! :thumbsup:
Und sie hat sogar etwas Besonderes: Sie läßt sich real genauso lesen, wie surreal. ;)
Ich finde, das wäre eine optimale Geschichte für den Challenge, surreal gelesen. Aber unter Alltag paßt sie ebensogut. :)

"Sie dich um." - Sieh

Alles liebe
Susi

 

Hallo Aqualung,

ein ganz gewaltiger Text, ein Gewitter würde ich mal sagen. Tja, hast du gedacht, daß es mir gefällt?
Richtig toll, habe ein tosendes Gewitter gehört, dann Deine verzweifelten Hilfeschreie , wirklich sehr gut.

"Das Millionenheer der Fliegen feiert Auferstehungsorgien" dieser Satz schlägt ein wenig aus der Art finde ich, war nur so ein Gefühl beim Lesen.

Ansonsten recht beeindruckend

Liebe Grüße Archetyp

 

Hallo Susi, hallo Arche,

danke euch ganz schön für die Kritik. Da die auch noch positiv ist, freu ich mich besonders.
Ich hoffe, dass das später nicht so wird, wie hier beschrieben. Es ist ja auch nur eine von vielen Möglichkeiten, sich die Endzeit vorzustellen. Ich glaube allerdings, dass ich nicht so ganz falsch liege.
Ein netter Vierzeiler von Leonardo DaVinci fällt mir dazu ein:

Ich bin nicht tot, ich wechsle nur die Räume
ich seh euch wohl und geh durch eure Träume.

Und Arche: Kann ich das mit den Fliegen stehen lassen? Sag?

Liebe Grüße an euch beide - Aqualung

 

Hallo Aqualung,

puh ...
Ich habe immer noch eine Gänsehaut.

Eine wahrhaft düstere Atmosphäre, die du da geschaffen hast. Man kann sich ihr während des Lesens nicht entziehen und ist am Ende einfach froh, wieder in die - Gott sei Dank - noch relativ heile Welt zurückkehren zu können. Allerdings mit dem Gefühl, eine gute Geschichte gelesen zu haben.

Gruß

Arno

 

JA, und ich sag dir auch warum!

Du weisst ja, dass der Leser bei jedem Satz ein Bild im Kopf hat. Ich jedenfalls.
Du kannst es stehen lassen, weil du vom Realen ins Surreale übergehst und auch erstmal bleibst.

Du schreibst "Flüsse verdampfen". Jetz entsteht ein Vorstellungsbild beim Leser.
Dann schreibst Du "Leiber treiben in der Chemie der Abwässer", wieder entsteht ein Vorstellungsbild" beides ist theoretisch vorstellbar.
Dann kommt der Sprung: "Fliegen feiern Auferstehungsorgien"
Jetz kommt evtl. beim Leser ein "Häh, wie das?"
Der Leser muss sich hier umstellen.
Aber....und das ist die Rettung, du schreibst metaphorisch-surreal weiter (nenne ich mal so), d. h. der Leser hat Zeit zur Umstellung, kann sich drauf einstellen,...also keine Überforderung!

Das alles gilt, wenn Du für Leser schreibst!
Tja, so sehe ich es.
In 2 Tagen, gehe ich auf´s ganz, dann entsteht hier von mir was Surreales im Challenge, habe mich herausgefordert gefühlt. Dann erwarte ich von dir ein, zwei Zeilen, die ehrlichsten, die du je geschrieben hast.

Noch was. "Ich habe alles dabei"
Ich habe es gelesen, zweimal.
Kennst du den Ausdruck "Ich bekam einen Hals"
Ich habe es leider erst verstanden, als ich einen Kommentar, sprich Kritik, las.
Das blanke Entsetzen stand mir im Gesicht.
Der Stil war allerdings wieder einmalig.
Du Aqualung, jetzt lache und schmunzle ich.

liebe grüße Archetyp

 

Arche,

ich will dich mit dickem Hals, will dich schmunzeln machen, will deine Gesichtsfarbe immer aufs Neue verändert wissen. Geh aufs Ganze und ich geb dir die absolute Wahrheit.
Freue mich über die Maßen, wenn du dich herausgefordert fühlst, Mann der Satire.

Arno1808,

so muss es sein. Gänsehaut ist EINE Reaktion.
Danke, dass es diese Geschichte bei dir schaffte.


Liebe Grüße an euch beide - Aqualung

 

Hallo Aqualung,

tja, ich weiß nicht, welchen Text meine Vorkritiker gelesen haben, denn ...

"Die Wälder lehnen sich schwarz gegen den Rest der Menschheit. Krüppel schreien ihren Wahnsinn in das Lodern der Scheiterhaufen. Blindgestochene Kinder irren im verfaulenden Kot längst erschlagener Spielgefährten."

Dies sind die ersten drei Sätze des Textes. Sie sind extrem übertrieben bis hin zu Unsinn und zur Unverständlichkeit. Ähnlich schwankt der Rest des Textes zwischen übertrieben, unverständlich und auch äußerst kitschig.

Ich selbst ordne den Text deshalb als Trash ein.

Mein Tipp: Versuche nicht, dich in Sprachorgasmen zu ergehen. Versuche statt dessen, einfach nur eine Geschichte zu erzählen.


Weshalb ich aber überhaupt auf diesen Text reagiert habe:

Hallo Häferl,

ich glaube nicht, dass es genügt, Trash das Etikett "surreal" anzupappen, um aus ihm Nicht-Trash werden zu lassen.

Ich denke, du bist dem obigen Text gegenüber zu verständnisvoll.

Klaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Da bist du ja wieder, Klaus!

Schön, dass du Reaktion zeigst, wenngleich gerade du damit an niemandes Sternen kratzt. Es ist gut zu wissen, dass du auch weiterhin die falschen Geschichten anklickst und dich durch Sprachorgasmen wühlst. Was da für eruptive Kritiken entstehen, gell?

Kann Ärger schöner sein als deiner?
Viel Spass noch.
Den hab ich dabei und geh auch nicht leer aus.

Aqualung

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Aqualung !

Ich habe deinen Text mit dem Ton meiner Stimme gelesen und mich damit tiefer in diese Stimmung hineinversetzt. Was habe ich empfunden in der Haut des Protagonisten, was gesehen mit seinen Augen?

Entsetzen, Verständnislosigkeit, das Ausgeliefertsein an irgendwelche Mächte die unsere Kinder nehmen und sie, wie uns selbst, für ihre Zwecke missbrauchen, morden und brandschatzen. Die Frage ob wir auch so sind stellte ich mir und verneinte sie. Ich nahm die Verzweiflung wahr, das Resignieren. Ich habe schlussendlich die Angst gespürt.

Und immer war sie dazwischen fühlbar, unauslöschlich, im Sterben ist sie noch um ihn - die Liebe. Eine Apokalypse, in der die Liebe überdauert, ist eine beeindruckend geschriebene Greuelgeschichte die mir Hoffnung lässt.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Puh. Der Text ist meinem Empfinden nach übertrieben sprachgewaltig und kompliziert geschrieben. Ein bisschen weniger hätte hier gereicht, denke ich.
Trotzdem hats mich beim Lesen ergriffen und ziemlich erschaudern lassen. Besonders bewegt hat mich die Formulierung

Kennst du den Weg in eine sanftere Hölle? Sag, kennst du den?
Das heisst für mich, Hauptsache weg von hier, auch in eine andere Hölle, nichts kann schlimmer sein als das hier. :(

Ich musste unwillkürlich an die grauenvollen Szenen aus "Event Horizon" denken, falls Dir das was sagt.

Und hier

Liebe, halte mich fest. Bitte. So fest du kannst.
kommen mir tatsächlich die Tränen ... Mein Gott ... :(

Ginny

 

Der Text ist meinem Empfinden nach übertrieben sprachgewaltig

dem schließe ich mich an - so treffend dir die wortwahl auch gelungen zu sein scheint, in meinen ohren klingt die lyrische bildersprache fehl zu der apokalyptischen szene, quasi überspitzt (der geschichte drängt sich meiner meinung beinahe ein komischer ausdruck auf!)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo schnee.eule,

ich hoffe, dass diese Szenerie nicht Wirklichkeit wird. Doch wenn ich unsere zubetonierte Welt betrachte und in dieser das Gieren Einzelner nach noch mehr Macht, bezweifle ich zumindest in Teilen nicht den Wahrheitsgehalt dieser erfundenen Geschichte.
Was, wenn diese Greuelgeschichte tatsächlich der Blick in eine dunkle Zukunft ist?

Hallo Ginny-Rose,hallo linjus,

danke für eure Kritik. Die Übertriebenheit findet im ersten Teil statt. Der sollte auch wie ein Hammerschlag wirken. Ich hab dann ganz bewusst reduziert, da eine ganze Geschichte in diesem Stil eher nicht durchzuhalten ist.
Deine Tränen wollte ich zwar nicht, Ginny-Rose, aber es zeigt, wie sehr du dich mit dem Text auseinander gesetzt hast.
Linjus, die Apokalypse hat hier schon stattgefunden. Ich beschreibe nur die Überbleibsel, die Restbestände, die Anarchie danach.
Es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wie wir diesen Planet den nächsten Generationen hinterlassen wollen. Ich bin da ein ziemlicher Pessimist, wünsche mir jedoch sehr, dass alles ganz anders wird als hier übertrieben beschrieben.

Habt ihr drei eine Vorstellung, wie es weitergeht?

Liebe Grüße an euch - Aqualung

 

Lieber Aqualung !

Wir leben in einer Welt, die diese furchtbaren Dinge bereits seit ihrem Bestehen hervorbringt. Alles was du da aufschreibst ist, in Einzelteile zerlegt, in jedem Krieg, in Hiroshima, in all den gewaltreichen Regimen, in jeder mittelalterlichen Verfolgung, in den Kreuzzügen und und und immer bereits Realität gewesen. Ich weiß nicht wie viele Millionen Menschen, auf unsere Vorfahren bis zur Steinzeit zurückblickend, aus ihren Gräbern entsteigen würden um dir zu sagen: genau so wars.

Was ich sagen will, das was du schreibst ist nicht nur angstmachende, oder pessimistische Zukunftsperspektive, sondern ebenso Gegenwart und Vergangenheit. Die Wahl der Mittel verändert sich, die Anzahl derer die es betrifft wird größer - aber es ist und es war.

Alles was wir tun können, dass es nicht zwingend auch so bleibt, ist dagegen anzuleben. Mit der Liebe, dem Verständnis, dem Suchen nach Gemeinsamen und nicht dem Hervorheben des Trennenden, im Mitfühlen und aufmerksamen Hinhören. Dazu müssen wir aber gerade alle "Dagegen" Parolen vergessen und "Dafür"-Transparente tragen auf denen jene Werte stehen für die es sich einzusetzen lohnt. Nur so können sie in das Denken und Fühlen der Menschen Einzug halten, sich einprägen.

Lieben Gruß Eva

 

Hallo Aqualung,

Die Übertriebenheit findet im ersten Teil statt. ... Ich hab dann ganz bewusst reduziert, ...

Das ist dir dann aber ziemlich misslungen. Denn:

Liebe, halte mich fest. Bitte. So fest du kannst. Jetzt, ganz fest. Ich habe Angst. Um Gottes Willen....

Wenn das keine Übertreibung ist ... Bei Kitsch dieser extremen Art schaudert es mich immer.

Klaus

 

@Lieber Klaus!

Nein, ich glaube nicht, daß ich zu "verständnisvoll" mit dem Text bin. Aber ich kann vielleicht besser in die Tiefe lesen, mich mit Gefühlen befassen.
Was mich interessieren würde: Wie hättest Du die letzten, oben zitierten Zeilen denn gern gelesen? Glaubst Du, daß das gefühllos vor sich geht? Wie sollte man die Angst beschreiben, wenn nicht mit dieser, wie ich meine nicht zu extremen, Portion Kitsch?

Alles liebe
Susi

 

Jep, seh ich auch so. Die Stellen die mir am Text mit Abstand am besten gefielen waren die, wo er von der Liebe redet ... klar klingt auch das übertrieben im Moment, aber in einer Extremsituation und kurz vor dem möglichen Tod ist das ja wohl realistisch, oder? :confused:

Übrigens klingts schon fast zynisch, dass der Text unter "Alltag" steht ... *grusel*

 

Danke Häferl, danke Ginny-Rose, dass ihr euch über die Geschichte diese doch vertieften Gedanken macht und sogar ein bißchen die Hand darüber hält.

Was dich betrifft, Klaus, freut es mich unwahrscheinlich, dass es dich schaudert.
Gelesen hast du den Kitsch ja trotzdem und das ist gut so.
Lass aber bitte in Zukunft das Hin-und herrechtfertigen. Ich hätte gerne Postings zu meinen Geschichten in anderer Form.
War das verständlich für dich, oder brauchst du weitere Erklärungen? Dann bitte über e-mail, sonst ist dein Schrott für das Überschreiten der 25er- Marke verantwortlich. Und davor schaudert mir.

 

Aqua, du Meister des geschriebenen Wortes,

ein gewaltiger bitterer Text – ich kann weit und breit keinen Kitsch herauslesen. Diese Sprachgewandtheit, deine Wortspiele und eine Thematik, über die man lieber nicht allzu viel nachdenken will, um sich keine schlaflosen Nächte zu bereiten – ganz stark, Aqua. Ich bin froh, dass ich auf diesen Text von dir aufmerksam gemacht wurde.

Liebe Grüße
Liz

 

Danke, Liz, dass du dich über die Geschichte hergemacht hast. Sie hat ein Thema zum Inhalt, über welches du zur Zeit auch sehr grübelst.
Das du es tust, ist wichtig. Gerade vor dem Beginn nahender Katastrophen....siehe Irak.

Liebe Grüße an dich - Aqua

 

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