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Endzeit
Die Wälder lehnen sich schwarz gegen den Rest der Menschheit.
Krüppel schreien ihren Wahnsinn in das Lodern der Scheiterhaufen. Blindgestochene Kinder irren im verfaulenden Kot längst erschlagener Spielgefährten. Immer im Kreis. Letztendlich nur Schlachtvieh, geworfen für den Verzehr. Ein lebender, jaulender Vorrat.
Dörfer, Städte, ohne Beginn, ohne Ende. Wilde Tiere brechen aus den Wäldern, herrschen über diesen kläglichen Rest Menschenfleisch, das sich anmaßte, die Welt regieren zu wollen.
Der Horizont brennt.
Sonne, wo bist du?
Das Gedröhne der Kriegsmaschinen. Es ist alles tausendfach zerschossen, tausendfach gemordet. Sonne, haben sie auch dich gemordet?
Das Gesetz ist keines mehr. Die Soldateska triumphiert. Flüsse verdampfen. Leiber treiben in der Chemie der Abwässer. Das Millionenheer der Fliegen feiert Auferstehungsorgien. Die Äcker sind tot.
Totenäcker, auf deren Schollen die Pest hockt.
Mütter hecheln wie dienbare Hunde gegen die Grätze ihrer Besteiger, schlagen ihre Zähne in den frischen Schleim des Wurfes von gestern.
Die Art macht sich die Erde untertan, verspeist sich selbst.
Ich zittere.
Wo bist du, Liebe?
Wohin sind die Träume, die wir geträumt hatten an warmen Hüttenfeuern?
Was gab es alles zu tun für uns, doch was taten wir falsch?
Wie konnte geschehen, was nie geschehen durfte?
Wir hatten uns, hielten uns, glaubten an die Endgültigkeit unserer Liebe. Und wussten nicht, dass diese mit zum großen Planspiel der Mächtigen gehörte. Was waren wir töricht, zu glauben.
Ich hocke hier und zittere vor den übriggebliebenen Horden da draußen. Horden, die das Land umgruben, Horden, denen ehrbare Begriffe fremd geworden sind. Würde, Respekt, Liebe. Waren das nicht die Pfeiler, die uns trugen?
All das alte Vokabular aus den Jahren davor.
Jetzt schlagen die da draußen ihre Kinder tot um nicht zu hungern und den Krieg weiter unterhalten zu können.
So sind wir nicht. Oder doch? Sind wir so?
Meine Liebe, wo bist du?
Ich fühle deine Nähe. Du bist noch da.
Führe mich weg, bitte.
Kennst du den Weg in eine sanftere Hölle? Sag, kennst du den?
Ich zittere.
Ich habe alles mitangesehen. Du wolltest es nicht wahrhaben. Erst als dein Blick in diese gläserne Schlucht wegkippte, wusste ich, dass du von all dem nichts mehr spürtest.
Sie haben dich gerissen wie Tiere, die ihre Beute reißen. Sie haben dich entzwei gerissen.
Dich, mein Herz.
Die Kälte. Der gelbe Staub überall.
Sie haben deinen Kopf an die Krüppel verfüttert. Ich habe keine Tränen mehr. Sie werden mich heute oder morgen finden. Zeige mir den Weg zu dir, meine Liebe.
Es war ein falsch verstandener Gehorsam und nur ein Befehl. Das haben sie daraus gemacht. Sieh dich um. Nein, lieber nicht. Dreh dich nicht um, auf dem Weg , den du jetzt gehst.
Aah, sie kommen.
Deine Wärme spüren.
In deinen Armen, eine Nacht noch.
Sie brechen mit Eisenstangen durch das Mauerwerk. Sie haben mich gefunden. Der Weg ist zu Ende. Mein Gott, wie viele es sind.
Liebe, halte mich fest. Bitte. So fest du kannst.
Jetzt, ganz fest.
Ich habe Angst.
Um Gottes Willen....