Was ist neu

Endstation

Mitglied
Beitritt
21.04.2002
Beiträge
74
Zuletzt bearbeitet:

Endstation

Zehn Minuten, bevor die letzte U-Bahn an dem Bahnhof am Rande der Stadt ankam, traf er zitternd und müde am Bahnhof ein. Er setzte sich auf eine Bank. Den ganzen Tag hatte er Freunden beim Umzug geholfen, und der harte deutsche Winter setzte ihm zu. Er lehnte sich zurück und begann sofort einzudösen.
Lautes Geschrei weckte ihn. Drei Jugendliche rannten mit dem Schrei „Niggerniggernigger“ so zielstrebig auf ihn zu, wie ihr Alkoholpegel es zuließ. Panisch sprang er auf; blickte sich um; suchte eine Möglichkeit zur Flucht. Dann traf ihn eine volle Bierdose am Kopf, und er ging zu Boden. Da waren sie auch schon bei ihm und traten auf ihn ein. Sie traten ihm in den Rücken, traten ihn in den Bauch. Er war der Bewußtlosigkeit nahe, doch Angst und Schmerzen hielten ihn auf grausame Weise bei Besinnung. Sie verhöhnten ihn. Spuckten ihn an. Dann sprang einer auf seinen Kopf. „Endstation!“
Die drei Jugendlichen fühlten sich großartig. Seelenruhig erwarteten sie die Ankunft der letzten Bahn, stiegen ein und fuhren unbehelligt bis zur anderen Seite der Stadt. Hier verabschiedeten sie sich freundschaftlich voneinander und gingen heim, um ihren Rausch auszuschlafen.

Nachtrag: Die drei Jugendlichen wurden gefaßt und zu einem Jahr Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt: lebensgefährliche Körperverletzung mit Todesfolge. Die Zeitungen schrieben von irregeleiteten Jugendlichen, ohne die Irrlehrer beim Namen zu nennen. Der Richter erklärte, der Hauptgrund für die Tat liege im übermäßigen Alkoholkonsum. Ein Politiker forderte, man müsse Programme schaffen und solchen Jugendlichen einen Arbeitsplatz verschaffen. Zwei Jugendliche, die sich über das Urteil lautstark empörten, bekamen einige Tage Ordnungshaft auferlegt.
Einer von den drei Tätern steht bereits wieder vor Gericht: schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch.

 

Hi MadScientist,

das Anliegen Deiner traurigen Story kommt sehr deutlich zum Vorschein - zu deutlich für meinen Geschmack. Okay, Du nimmst hier keine expliziete Wertung vor, aber der letzte Teil in dem protokollarisch der weitere Verlauf festgehalten wird kommt meiner Meinung nach zu moralisierend rüber.
Ich mag es grundsätzlich nicht so gerne, wenn die Geschichte selbst nicht für sich alleine steht, sondern eine Notiz, eine Erklärung, einen Nachtrag, einen Zeitungsartikel oder ähnliches benötigt, die oder der für eine nähere Erläuterung sorgt. So etwas kann in den meisten Fällen vermieden werden indem man es direkt in die Geschichte einbaut, was ich auch hier vorschlage.
Hier ist noch ein kleiner Buchstabendreher versteckt:

Die drei Jugednlichen ...

Gruß, Ginny

 

Hi Mad!
Ich muss Ginny zustimmen, das Thema deiner Geschichte kommt deutlich rüber, und es kommt auch für meinen Geschmack zu deutlich rüber.
Die Geschichte liest sich nicht gut, weil die Satzanfänge nicht immer so gelungen sind: zum Beispiel
in der Szene, wo die Jugendlichen kommen, da sieht man oft ein "dann" oder ein "da" und "hier". Das sind ungelungene Satzanfänge, vielleicht findest du ja andere Wörter oder noch Nebensätze, die du vorsetzen kannst.
Mir würde die Geschichte auch besser gefallen, wenn voran ein Zeitungsartikel kommt, oder halt am Schluss.
Aso:

Er lehnte sich zurück und begann sofort, einzudösen.
Da kommt kein Komma in den Satz :)

Im Großen und Ganzen eine nette Kurzgeschichte!

Turni :cool:

 

Hallo Mad,

gleicher Kritikpunkt wie bei Ginny. Lass einfach den zweiten Teil, dieses Protokoll, weg, die Geschichte wirkt auch so.

und der harte deutsche Winter setzte ihm zu

Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war, aber diese Formulierung drückt schön das Gefühl von Fremde aus, das das Opfer empfindet - ähm... wie soll ich mich am besten ausdrücken, um das zu sagen, was ich sagen will... die Situation, U-Bahnhof, Kalt, und nicht in der Heimat - das weckt gleich Gedankenketten bei mir - lässt unabhängig von der eigentlichen Handlung des Überfallenwerdens noch eine gewisse Schicksalhaftigkeit erkennen. Nun... vielleicht bilde ich mir das auch ein. Aber schön wär's.

cu
Mario

 

Jepp, ich moralisiere gerne. Aber das halt aus dem Gefühl heraus, das es halt sein muß. Und wenn ihr alle es schon gleich kapiert; wenn nur ein Dumpfschädel das liest und sich Gedanken macht, hab' ich mehr erreicht, als mein Schädel jed zulassen würde...

 

Ma' nochma': nennt mir doch mal bitte ein Gegenbeispiel, dann könnt ihr auch sagen, daß ich moralisiere! Sorry, vorher laß ich mir das eben nich gefallen!
Vielleicht ist es auch nur die Fremde, die ich fühle...

 

Hallo Mad S.,

zuerst einmal möchte ich bekunden, dass mir die Grundidee deiner Geschichte sehr gut gefallen hat.
Die Kürze der Haupthandlung passt gut zu deinem gewählten Thema. Brutalität gegenüber Ausländern sowie Brutalität im Allgemeinen, lässt sich am besten kurz und prägnant schildern. Unnötige Ausschmückungen lenken nur von der eigentlichen Kernaussage ab.

Zu stilistischen Missgriffen, wie sie nur sporadisch bei dir auftreten, möchte ich weiter nichts anführen, denn dies wurde in den anderen Kritiken schon zu Genüge aufgegriffen.

Die Handlungsparallele, die durch den Ausruf "Endstation" und die kurz danach auftauchende letzte Bahn erzeugt wird, ist sprachlich sehr anschaulich dargestellt worden.

Nur das Ende deiner Geschichte gefällt mir nicht wirklich. Der Nachtrag macht die Geschichte zwar erst gesellschaftskritisch, allerdings finde ich deine Urteilsfindung ein wenig zu mild. Zweifelsohne bestehen eklatante Fehler in unserem Rechtssystem und die Gesetze und Strafen für Straftaten unter Einwirkung von Alkohol sind zu gnädig gewählt, doch ich finde deine Ausführung ein wenig übertrieben.

Jedoch ist positiv anzumerken, dass durch diese Übertreibung deine Intention sehr deutlich wird.

Eine Kurzgeschichte mit Moral und Kritik.

Alles in allem ziemlich gut

Gruß

baresi74

 

Jepp, ich finde das Urteil auch zu mild, aber so fallen diese Scheiß-Urteile in diesen Fällen doch jedesmal aus. Darüber rege ich mich immer auf und deshalb hab' ich das auch angehängt. Natürlich überspitze ich das ganze ein wenig - aber nach diesem Schema verlaufen solche Fälle eben häufiger, als man denkt!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom