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Endstation
Zehn Minuten, bevor die letzte U-Bahn an dem Bahnhof am Rande der Stadt ankam, traf er zitternd und müde am Bahnhof ein. Er setzte sich auf eine Bank. Den ganzen Tag hatte er Freunden beim Umzug geholfen, und der harte deutsche Winter setzte ihm zu. Er lehnte sich zurück und begann sofort einzudösen.
Lautes Geschrei weckte ihn. Drei Jugendliche rannten mit dem Schrei „Niggerniggernigger“ so zielstrebig auf ihn zu, wie ihr Alkoholpegel es zuließ. Panisch sprang er auf; blickte sich um; suchte eine Möglichkeit zur Flucht. Dann traf ihn eine volle Bierdose am Kopf, und er ging zu Boden. Da waren sie auch schon bei ihm und traten auf ihn ein. Sie traten ihm in den Rücken, traten ihn in den Bauch. Er war der Bewußtlosigkeit nahe, doch Angst und Schmerzen hielten ihn auf grausame Weise bei Besinnung. Sie verhöhnten ihn. Spuckten ihn an. Dann sprang einer auf seinen Kopf. „Endstation!“
Die drei Jugendlichen fühlten sich großartig. Seelenruhig erwarteten sie die Ankunft der letzten Bahn, stiegen ein und fuhren unbehelligt bis zur anderen Seite der Stadt. Hier verabschiedeten sie sich freundschaftlich voneinander und gingen heim, um ihren Rausch auszuschlafen.
Nachtrag: Die drei Jugendlichen wurden gefaßt und zu einem Jahr Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt: lebensgefährliche Körperverletzung mit Todesfolge. Die Zeitungen schrieben von irregeleiteten Jugendlichen, ohne die Irrlehrer beim Namen zu nennen. Der Richter erklärte, der Hauptgrund für die Tat liege im übermäßigen Alkoholkonsum. Ein Politiker forderte, man müsse Programme schaffen und solchen Jugendlichen einen Arbeitsplatz verschaffen. Zwei Jugendliche, die sich über das Urteil lautstark empörten, bekamen einige Tage Ordnungshaft auferlegt.
Einer von den drei Tätern steht bereits wieder vor Gericht: schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch.