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Endlos
Zweite, überarbeitete Version
07.Dez 2002
Schon wieder war eine Beziehung abrupt zu Ende gegangen! Wie konnte das nur passieren? Andi fühlte sich total mies. Janina hatte ihn tagelang auflaufen lassen, hatte kein Wort mehr mit ihm gesprochen und jeden seiner Versuche mit ihr zu diskutieren einfach ignoriert. Heute war sie endgültig ausgezogen. Das war nun schon das zweite Mal! Schon vor ein paar Monaten hatte sie ihn nach einem Streit verlassen, war aber irgendwann fast reumütig zurückgekehrt. Und nun schon wieder.
Na was soll’s? Irgendwie passten sie eben nicht zusammen. Das Leben geht weiter! Andi versuchte sich abzulenken und an andere Dinge zu denken. Nach ein paar Wochen ohne Partner wurde er dann aber doch kribbelig. Allein sein kann ja ganz angenehm sein aber eben nur für eine begrenzte Zeit. Tag für Tag und ohne absehbares Ende – nein, das wollte er nun auch wieder nicht.
Andi setzte sich in seinen Wagen und fuhr los. Wohin soll’s gehen? Keine Ahnung. Erst Mal losfahren. Andi lenkte den Wagen auf die Autobahn Richtung Hauptstadt. Die Fahrt dauerte nur ein paar Minuten. Unbewusst und trotzdem zielgenau lenkte er seinen alten Ford in die Innenstadt zu jenem allseits bekannten Park, in dem sich immer auffallend viele hübsche Mädchen aufhielten. Klar, Andi wusste schon, was das für Mädchen waren. Er war nervös. Seine Hände zitterten etwas. Trotz seiner fünfundvierzig Jahre hatte er so etwas noch nie gemacht. Kein einziges Mal. Er war sogar stolz darauf gewesen eben anders zu sein, als jene Männer, die sich ungerührt und ohne jeden tieferen Gedanken eine Nutte aufgabeln, um sie anschliessend einfach wieder gehen zu lassen. Ein kurzes Geschäft eben!
Da waren sie. Wie immer jede Menge davon. Andi konnte nicht genau erkennen, welche hübsch waren und welche nicht – dazu waren Sie doch wieder zu weit weg. Anhalten, aussteigen und sich das Ganze näher ansehen, kam ueberhaupt nicht in Frage. Das würde er nicht fertig bringen. Also fuhr er im Kreis, immer um den kleinen städtischen Park herum und versuchte auszumachen, was da so rumlief. Schliesslich hielt er dann doch an. Er parkte den Wagen gleich am Park und stieg aus. Dennoch ging er nicht in den Park, sondern lief, ganz so als habe er ein bestimmtes Ziel, in eine andere Richtung. Gleich kehrte er aber wieder um und ging nun auf den Park zu, so dass er wieder die dort auf Kunden wartenden Mädchen sehen konnte.
Ja doch, da war eine, die ihm gefallen könnte. Ziemlich gross, aber wohl proportioniert. Andi ging weiter, er suchte keinen Blickkontakt und nichts deutete darauf hin, er könnte interessiert sein. Er entfernte sich wieder von den Mädchen und blieb schliesslich am Parkrand unter einem grossen Baum stehen. Ein paar Regentropfen fielen – ein hervorragender Vorwand unter dem Baum Schutz zu suchen. Vorwand? Andi grinste innerlich. Für wen brauchte er eigentlich einen Vorwand? Er war allein. Nicht verheiratet und niemandem verpflichtet. Wozu also einen Vorwand? Du suchst nach einer Entschuldigung vor Dir selbst, analysierte Andi sich selbst. Er schaute auf die Uhr, als wartete er auf jemanden und zündete sich eine Zigarette an. Er schaute die kleine Seitenstrasse hinauf, dort kam niemand, aber er erwartete ja auch keinen Menschen. Aus den Augenwinkeln erspähte er nun, dass die Auserwählte sich tatsächlich in Bewegung gesetzt hatte. Sie war auf ihn aufmerksam geworden und wollte sehen, ob er vielleicht ein Kunde sein könnte. Andi schaute in eine andere Richtung – nur kein Interesse zeigen. Trotzdem noch einen kurzen Blick riskieren – ja, sie kam entlang den gewunden Parkwegen weiterhin auf ihn zu. Jetzt erreichte sie den Parkrand und die Strasse, auf der er unter dem Baum wartete.
“Bonjour”, lächelte Sie ihn an. Dieses blöde Französisch. Andi beherrschte die Sprache immer noch nicht, obwohl er schon seit Jahren hier lebte. “Bonjour”, erwiderte er mit ausdrucksloser Miene und wandte sich auch gleich wieder ab. Aber so leicht liess sich das Girl nun auch wieder nicht abschütteln. Lächelnd redete Sie weiter. “Wie bitte – ich verstehe nichts! Kannst Du denn kein Englisch?” brummte Andi Sie an.
Eine halbe Stunde später sass Sie in seinem Wohnzimmer. Mit Hilfe einiger Brocken Englisch Ihrerseits, Andis verhasstem Schulfranzösisch sowie viel Gestik gelang die Kommunikation. Shayne hiess die dunkelhäutige Schöne und Sie war neunzehn Jahre alt. Irritiert nahme Andi zur Kenntnis, dass Sie eine sechs Jahre alte Tochte hatte. Andi fragte erneut nach Ihrem Alter und nach der Tochter. Nein, er hatte nichts missverstanden. Selbst hier, auf diesem paradisischen Eiland, war eine schwangere zwölfjährige ganz sicher nicht in Einklang zu bringen mit den geltenden Gesetzen, aber offensichtlich war eben doch mehr möglich als in Europa. Shayne wich seinen Fragen nicht aus, antwortete aber recht kurz und knapp. Man hatte das mit den Behörden “geregelt”. Andi war lange genug hier, um zu begreifen. Ein paar Worte mit dem zuständigen Sachbearbeiter, ein unauffällig hingeschobener Umschlag mit etwas Geld. Andi wusste, auf diese Weise konnte man hier einiges bewegen und es geschah täglich. Er beschloss, das Thema vorerst auf sich beruhen zu lassen. Sie stand auf, spazierte durch seine Wohnung und sah sich alles genau an – ganz so, als beabsichtigte Sie die Wohnung zu mieten. Nichts deutete darauf hin, wozu Sie eigentlich hier war – von der eher aufreizenden Kleidung einmal abgesehen. Ein winziges, braunes Top zu einer engsitzenden Jeans war alles was Sie trug. Ihre braune Haut hatte fast die gleiche Farbe, so dass man aus der Entfernung fast meinen konnte Sie laufe “oben-ohne” herum. Andi lief hinter Ihr her, wie ein unerfahrener Immobilienmakler und pries ungelenk die Vorzüge der einzelnen Räume. “Was soll das eigentlich?”, dachte er selbst und machte trotzdem weiter, Schliesslich waren Sie wieder im Wohnzimmer.
“Gib’ mir mein Geld”, strahlte Ihn die dunkle Schönheit an und schlang die Arme um ihn. “Dann können wir loslegen!”.
Nach intensiven Nachverhandlungen blieb Sie schliesslich die ganze Nacht. Andi war durchaus zufrieden mit dem, was ihm seine käufliche Auserwählte geboten hatte – auch wenn ihm der Preis einen üblen Nachgeschmack verursachte. Er lieferte Sie morgens früh an Ihrem Wohnort, einem heruntergekommenen Vorort der Hauptstadt des Inselreiches ab und akzeptierte Ihr Angebot Sie am Nachmittag dort wieder abzuholen. Drei Tage gab er sich, jedesmal zahlend, den körperlichen Vergnügungen hin, die ihm dieses unglaubliche, erst neunzehn Jahre alte Mädchen bot. Ihr etwas merkwürdiges Benehmen, die manchmal lallende Stimme, die stets halbgeschlossenen Augenlider oder den torkelnden Gang ignorierte er. Obwohl er einen klaren Verdacht hatte – war er jetzt noch viel zu gierig, viel zu gierig auf Ihren jungen Körper, um der Warnung seiner eigenen Wahrnehmung Beachtung zu schenken.
Am dritten Tag siegte die Vernunft, und er quetschte die Kleine hartnäckig aus. “Was machst Du bloss mit all dem Geld?”. Alle Ausreden halfen nichts, dass erkannte Sie schliesslich auch. Das Lügengebilde war allzu lückenhaft und kaum nachvollziehbar. Oberflächliche Erklärungen für einen neugierigen Freier, den das Ganze ja doch nicht wirklich interessierte aber nicht genug für Andi. Andi war zwar auch nichts weiter als ein Freier, aber er hatte die ganze Zeit anderes im Sinn und wollte es nun auch durchziehen. Das bildhübsche, siebenundzwanzig Jahre jüngere Mädchen war eine Prostituierte – das war ja von Anfang an klar, aber Sie war auch ein Junkie. Drogenabhängig seit zwei Jahren, mindestens, und ausserdem Mutter einer bereits sechs Jahre alten Tochte. Unglaublich! Und faszinierend! Andi wollte Sie behalten. Er wollte Sie wegholen von der Strasse. Wegholen von den Drogen. Retten aus dem Sumpf der Verlorenheit und sich gleichzeitig ein wenig Verruchtheit, Tabu- und Schamlosigkeit erhalten. Freilich für sich ganz allein. So einfach, wie er sich das vorstellte, sollte es aber nicht werden. Ganz im Gegenteil!
Shayne akzeptierte ohne lange zu zögern und zog somit samt all Ihrer Habseligkeiten bei ihm ein. Viel war das ohnehin nicht. Fünf Plastiktüten reichten aus, um alles darin zu verstauen. Nachdem Sie ihn Ihrer Mutter vorgestellt hatte, angesichts der Umstände, eine irgendwie lächerliche Prozedur, vollzog sich der “Umzug” problemlos. Mit dem zügellosen Sex war allerdings gleich Schluss. Den radikale Drogenentzug, den Andi Shayne verordnete, hielt Sie zwar ein, aber die Auswirkugen auf Ihre Stimmung und Ihren Zustand waren unübersehbar. Sie war unruhig, nervös, reizbar, abwechselnd totmüde und dann wieder hellwach und unfähig zu schlafen. Sechs Tage quälte sich das ungleiche Paar durch die Tortur, dann bettelte Sie ihn halbnackt und weinend an Ihr doch wenigstens heute einen Schuss zu erlauben. “Ich halte das nicht mehr aus, Andi”. “Bitte, bitte, lass mich nicht kaputtgehen!”. Shayne wand sich auf dem Boden. Andi hielt dem ganzen nicht lange stand. An diesem Tag verlor er die erste Schlacht! Er gab nach und fuhr mit Ihr in den heruntergekommenen Vorort, wo Sie sich eilig den gewünschten Stoff besorgte. Kaum wieder zurück im Wagen, war Sie wieder so willig und gierig, wie zu Beginn und Andi gab sich erneut und gegen alle Vernunft dem Diktat sexueller Gier hin. Vergessen alle Anstrengung von der Droge loszukommen. Vier Tage ging dass so. Drogen für Shayne, Sex für Andi – beides reichlich. Katzenjammer danach, ebenfalls reichlich, jeweils als kostenlose Zugabe.
Erst am vierten Tag siegte erneut die Vernunft. Andi machte sich auf die Suche nach professioneller Hilfe. In einem Land, in dem das Thema Drogen mehr oder weniger tabuisiert und totgeschwiegen wurde und Prostitution zwar Alltag aber offiziell verboten war ,gar nicht so einfach, wie Andi feststellen musste. Nach unzähligen Telefonaten – alle umsonst – versorgte ihn schliesslich ein Bekannter mit einer entsprechenden Kontaktnummer. Die Leute bei der kirchlichen Organisation waren freundlich und offensichtlich versiert. Ein Arzt verordnete die den Entzug begleitenden Medikamente, die Andi verwaltete und regelmässig an Shayne ausgab und zwei wöchentlich stattfindene Versammlungen aller Betreuten sollten für die nötige seelische und moralische Unterstützung sorgen. Shaynes Verfassung nach dem erneuten Drogenentzug änderte sich wieder bedrohlich. Heftige Stimmungsschwankungen, offensichtlich ebenso heftige und permanente Schmerzen senkten den Stimmungspegel auf null, und die verordneten Medikamente schienen da nicht viel zu helfen. Zwei Wochen Dauerstress zehrten an Andis Nerven und auch an seiner eigenen körperlichen Verfassung. Er schlief nicht viel, kam zu spät zur Arbeit, ging dort wieder verfrüht oder erschien auch einfach überhaupt nicht. Der Ärger am Arbeitsplatz war vorprogrammiert und liess auch nicht lange auf sich warten. In mehreren ernsten Gesprächen schaffte Andi es jedoch, seinen Arbeitgeber um Nachsicht zu bitten und diese auch angesichts des Zustandes seiner “Frau” zu erhalten. Viel Pathos und eine Selbstdarstellung als fürsorglicher Familienvater, der aufopferungsvoll für seine “Frau” und deren Tochter gegen die Drogen kämpfte überzeugten den Arbeitgeber schliesslich ihm entgegenzukommen, soweit es eben ging. Kein Freibrief war das, aber erstmal war die Situation gerettet. Andi hatte sich so hineingesteigert in diese Rolle, dass er sie problemlos selbst glaubte und sich vorallem darin gefiel.
Eine weiter Woche später war alles vorbei. Shayne, trotz medizinischer Unterstützung und trotz “moralischer” Unterstützung erlag erneut Ihrer Sucht. Dabei hatte Andi noch einen Tag zuvor einem Freund ganz zuversichtlich berichtet, dass es sei wohl geschafft sei. Shayne sei fast völlig normal jetzt und frei von den Drogen nach drei harten und aufreibenden Wochen.
Andi war konsequent! Kaum hat Shayne ihm dies gebeichtet schmiss er sie ohne zu zögern raus. Er selbst packte all Ihren Kram wieder in die fünf Plastiktüten und ein paar weitere für die Sachen, die er Ihr im Laufe der letzten drei Wochen gekauft hatte. Sie wollte nicht zu Ihrer Mutter, sondern liess sich zu einem anderen Haus fahren – einer Freundin angeblich, was Andi nur noch in seinem Verdacht bestätigte, wonach Sie nicht nur wieder Drogen nahm sondern auch noch mindestens einen Liebhaber hatte. Shayne stieg wortlos aus, samt ihren Tüten und verschwand in der Nacht.
“Dank Dir Gott, dass Du mich von dieser Bürde befreit hast!” dachte Andi und lenkte zufrieden seinen Wagen zurück in jenen “besseren” Vorort, wo Drogen und Prostitution lediglich etwas ist, worüber man kopfschüttelnd in der Zeitung liest. Endlich hatte er es geschafft sich von Ihr loszueisen. Die ganze Zeit hatte er ja schon den Verdacht, sie werde rückfällig oder sei es bereits geworden. Auch die nagende Eifersucht, sobald sie einmal alleine das Haus verliess, haben nicht unbedingt zu einer unbeschwerten Beziehung beigetragen. Aber nun ist es ja vorbei – wie auch immer! Eine nette Eskapade, viel Sex – besser als jemals zuvor in seinem Leben. Was sollte er sich also beklagen? “Jetzt spannen wir erst einmal ein paar Tage aus und dann suchen wir in Ruhe nach einem netten, adretten und ordentlichen Mädchen” dachte Andi. So schwer kann das ja doch nicht sein. Zufrieden schlief er ein!
“Was soll das heissen – Du willst wieder zurück?” Andi starrte Shayne fassunglos an. Wie ein Häuflein Elend sass Sie da vor ihm. Kaum, dass er am folgenden Tag von der Arbeit nach Hause kam, erschien Sie prompt bei ihm. Nein dass konnte doch nicht wahr sein – er wollte Sie nicht zurück haben. Auf gar keinen Fall. Seine wachsende Erregung signalisierte ihm aber schon, dass er nachgeben würde. Er würde erneut ein Opfer seiner Lust werden und erneut in jenen aussichtlosen Kampf einsteigen, von dem er sicher war ihn nie zu gewinnen. “In Ordnung, Shayne” hörte er sich sagen, “ aber Du musst folgende Bedingungen akzeptieren ….”
Erschöpft schlief Andi ein – er hatte alles gegeben und alles bekommen – oder hatte er etwa heute alles verloren?