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Endlos

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19.03.2002
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Endlos

Endlos


Es war ein weiterer beschissener Abend, wie all die anderen zuvor auch.
Ich saß besoffen zu Hause, fraß mich voll und rauchte.
Im Fernsehen lief irgendeine Scheiße, aber das war mir egal, das war eh nur Ablenkung am Rande. Ich starrte an die Decke, und alles drehte sich, mein Bein schlief ein.
Ich schlug ein paar mal drauf und nahm noch einen Schluck Wein. Ich schlurfte in die Küche und holte eine Flasche Sekt, das war mir lieber als ein stinkendes Bier.
Draußen schrieen irgendwelche unerzogenen Kinder ihre Eltern an, worauf sie eine Tracht Prügel vom Vater ernteten, ich schloss das Fenster und zog den Vorhang zu , die Leute da draußen machten einen echt krank.
Ich entkorkte den Sekt und goss mit ein großzügiges Glas ein, wobei ich die Hälfte über dem Teppich verbreitete und es aber schnell mit meinem Ärmel aufwischte.
Ich schaltete den Fernseher stumm so dass er trotzdem noch sein buntes Farbenspiel durch das Zimmer werfen konnte um mich wach zu halten, und legte die Scheibe mit dem Tom Traubert´s Blues auf. Daraufhin zündete ich mir einen kleinen Joint an und ließ mich zurück in meinen Sessel fallen.
Eigentlich war es in Ordnung so allein zu sein, dachte ich, so ganz ohne Anweisungen und ohne Rücksicht auf jemanden nehmen zu müssen. Trotzdem machte mich alles wahnsinnig, die Sachen die mich noch erfreuten ebenso wie die Sachen die ich hasste. Es gab einfach kein Gleichgewicht, die Waagschale schwankte ständig hin und her, kein scheiß Gleichgewicht.
Ich fing an gegen mich selbst Schach zu spielen, fand jedoch schnell heraus, dass ich ein stinklangweiliger Schachpartner war und ließ es bleiben. Wieder war diese Leere da, die ich zu bekämpfen versuchte. Ich versuchte sie wegzutrinken, doch wie viele haben das vor mir schon versucht, und ich wusste natürlich auch dass sie dadurch nur größer wurde, aber für den Moment war es in Ordnung. Im Fernsehen war ein Mann zu sehen, dessen Frau ihm nach fünf Jahren Ehe gebeichtet hatte, sie sei ein Mann. Verrückt dachte ich mir, heute war es nirgendwo mehr möglich, ohne Geheimnisse und Betrug ein normales Leben zu führen. Aber die Ehrlichkeit war schon viel früher gestorben, das wusste man doch.
Langsam reichte es mir in diesen muffigen vier Wänden festzusitzen, und ich beschloss das zu tun, was ich für gewöhnlich hasste, und zwar unter Menschen zu gehen.
Ich hatte keinen Plan wohin ich wollte, ich wusste nur ich muss raus und das schnell.
Ich zog mich an, steckte mir etwas Geld und was zu trinken ein und ging zur Tür hinaus.
Es war ungewöhnlich warm für April, es waren fast schon sommerliche Temperaturen und die Leute trugen keine Jacken mehr, so warm war es.
Der Himmel war sehr klar und man konnte genau die Sterne sehen, wie sie sich mal mehr und mal weniger ordentlich am Firmament aufgestellt hatten. Ich war noch keine fünf Minuten unterwegs, da setzte ich mich auf eine Bank, und sah einfach nur zum Himmel rauf.
Das war besser als jede Fernsehshow oder das Theater, all die Fragen und Gedanken, die sich einem auftaten, wenn man in diese endlose Weite hinaufschaute und einfach nur die Stille des Abends und diesen wunderbaren Sternenhimmel betrachtete. Ich hatte das lange nicht mehr gemacht, und es gab mir etwas, was mir gefehlt hatte, ein Gefühl was ich vermisst hatte. Es war die Bestätigung, das es noch Schönheit gab auf der Welt. Das war ein ganz schön kitschiger Gedanke, aber in Anbetracht der Dinge, die Menschen tagtäglich taten, sich gegenseitig antaten, entsprach es der Wahrheit. In genau diesem Moment, brauchte ich nicht mehr, kein Reichtum, kein Haus oder irgendwelchen Luxus. Ich hätte in dem Augenblick sterben können, und wäre glücklich gewesen, während irgendein reicher Wichser getrieben von der Gier nach noch mehr Reichtum wütend und unzufrieden in seiner riesigen Scheiß Villa an einem Caviar Häppchen erstickte. Die Vorstellung gefiel mir und ich genoss den Moment, ich atmete ihn in vollen Zügen ein. Ein Flugzeug durchkreuzte mein Blickfeld und ich dachte mir, dass die Leute da drin den Sternen theoretisch viel näher waren, doch durch den Anblick, den ich hatte war ich ihnen noch viel näher.
Ich nahm einen Schluck aus dem Flachmann und sah auf die Uhr. Es war halb drei durch, wo sollte ich jetzt noch hin, es war mitten in der Woche und alles hatte schon geschlossen.
Ich zog meine Jacke aus und faltete sie zusammen. Dann legte ich sie an das Ende der Bank auf der ich saß, legte mich hin und benutzte meine Jacke als Kopfkissen. Eigentlich gar nicht so übel dachte ich, ich hatte schon in schlimmeren Betten geschlafen. Ich hatte ja überhaupt nicht vor zu schlafen, ich wollte nur die Luft spüren und zum Himmel raufschauen, vielleicht würde ja etwas Glück auf mich herunterfallen, was ein Engel beim Stolpern verloren hatte.
Es wurde von Stunde zu Stunde etwas kühler, blieb aber trotzdem mild und so lag ich da bis zum frühen Morgen und schaute in den Himmel. Mein Kater verschwand und ich nahm mir vor bald ein wenig zu schlafen, und dann irgendwann aufzuwachen und loszugehen und mir einen Job zu suchen, denn ich wusste, ich war näher an den Sternen dran als die Kerle die eine Augenklappe auf der linken Brust trugen. Und irgendwann konnte ich vielleicht nach ihnen greifen und sie mir schnappen.

 

Hallo Elliott,

ich muß ehrlich zugeben, dass ich mich mit der Geschichte nicht so anfreunden konnte, zumal sie gleichgültiges Empfinden sich selbst gegenüber; andererseits genervtes und angespanntes Verhalten dem Umfeld gegenüber etwas zu rasch und zu simpel abhandelt.
Bei so einem "leeren" Zustand scheint mir das bloße Betrinken und anschließendes "Sich-Wiedereinfangen" an der frischen Luft wiederum zu alltäglich und als ein zu einfacher Lösungsweg gewählt worden zu sein.

Einige mir aufgefallene Passagen:

[...] wobei ich die Hälfte über dem Teppich verbreitete und es aber schnell mit meinem Ärmel aufwischte.
--> "über dem Teppich" = Hm, ich frage mich, ob es nicht geschickter wäre, hier den Akkusativ zu verwenden anstatt den Dativ, also "über den Teppich", aber vielleicht kommt es ja nur mir etwas ungeschickt vor, denn je mehr ich jetzt darüber sinniere, desto unglaubwürdiger klingen beide Versionen... :dozey:
--> "verbreitete und es aber" = "und" durch Komma ersetzt klingt flüssiger... :engel:
In genau diesem Moment, brauchte ich nicht mehr,
--> zwischen "Moment" und "brauchte" kommt kein Komma...
--> anscheinend meinst du "brauchte ich nichts mehr", wohl eher ein kleiner Tippfehler... ;)
Die Vorstellung gefiel mir
--> "Die Vorstellung daran gefiel mir", schließlich wird ja keine Vorstellung aufgeführt, sondern etwas gedanklich dargestellt. Aber vielleicht ist es ja auch hier bloß mal wieder Ansichtssache... :dozey:


Gruß, Hendek

 

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