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Endlich Urlaub
Endlich Urlaub! Bella Italia, wir kommen! Die Koffer waren verstaut. Das Auto startklar.
Endlich konnte es losgehen. Der lang ersehnte Urlaub. Endlich! Vater Peter und Mutter Carola auf den Vordersitzen freuten sich. Nicht alle Insassen teilten diese Freude bedingungslos. Die Kinder auf dem Rücksitz im Van waren etwas missmutig. PC-Freak Stefan war sauer, drei Wochen ohne Computer zu sein, Manu traurig wegen Wellensittich Bubi, und Klein-Tobi hasste es, stundenlang ruhig - noch dazu angeschnallt - sitzen zu müssen.
„Türen, Fenster, alles zu, nichts vergessen?“, fragte der Vater, sah kurz zu Carola und drehte den Kopf nach hinten. Gehorsames Nicken. Peter drehte den Schlüssel im Zündschloss und fuhr los. Sie waren noch nicht sehr weit gekommen, da brannte Mutter Carola etwas unter den Nägeln.
„Habe ich die Kaffeemaschine ausgeschaltet?“
Peter entlockte diese Frage einen tiefen Seufzer.
„Soll ich noch einmal umkehren?“, fragte er schließlich.
„Hast du die Sicherungen rausgedreht?“
Peter blickte nachdenklich und seufzte erneut.
Vom Rücksitz blökte Klein-Tobi: „Ich muss auf`s Klo!"
„Super, warum ist dir das nicht zu Haus eingefallen?", motzte sein Vater.
„Tobi, also echt!" Die Mutter sah ihn böse an.
„Immer das gleiche Theater mit dir!"
„Boah Tobi, du Depp!" Manu schielte ihn an.
„Das fängt ja gut an, Blödmann!", brummte Stefan.
„Keinen Streit bitte, Kinder!"
„Ich muss aber!", beharrte Tobi dickköpfig.
Mit Wucht trat er gegen den Vordersitz.
„Freundchen!", brauste der Vater auf.
„Tobi hat `ne Konfirmandenblase, Tobi hat `ne Konfirmandenblase ... tralalala", sang Schwester Manu.
„Doofe Ziege, doofe Ziege ... tralalala", echote Tobi.
„Du?“ Peter wandte sich seiner Frau zu.
„Ja?“
„Hast du mir nichts zu beichten?“
„Was denn, Liebling?“
Hinter vorgehaltener Hand flüsterte er: „Der Kleine ist nicht von mir!“
Carola lachte. „Verlässt du mich, wenn ich ja sage?“
„Nur wenn du ihn mitnimmst!“
„Man hat ihn sicher im Krankenhaus vertauscht“, mutmaßte Vater Peter.
„Es war eine Hausgeburt!“
„Ach ja, ich erinnere mich ... kaum auf der Welt, musste er schon pissen.“
„Wer wurde vertauscht?“
„Bestimmt die Pappnase da.“ Stefan deutete auf Tobi.
„Der kann gar nicht mein Bruder sein!“
„Wieso?“
„Der Pisser hat null Plan vom PC!“
„Arschgeige!"
„Na na, TOBI!
„Könnten wir ihn nicht umtauschen?“, schlug Manu begeistert vor.
„Ihn leider nicht, aber euch!“
„Wieso?“
„Ihr seid im Krankenhaus zur Welt gekommen!“
Klein-Tobi schob seine Unterlippe so weit es ging vor.
„Ich mach mir in die Hose, mir doch egal!“
„Tobi, Du tötest mir noch den letzten Nerv!“
„Wir könnten auch schauen, ob die Sicherungen raus sind", wagte Carola einzuwenden.
„Meine Schwimmflügel hab ich auch vergessen." Tobi traute sich was.
„Ich meinen Strohhut und die Spielesammlung“, fiel Manu ein.
„Den Scheiß braucht eh keiner!“
Tobi steckte seinen Kopf durch den Spalt der Vordersitze.
„Ich piss mir gleich in die Hose!"
„TOBI! Verdammt nochmal!“, schnaubte Peter.
„Schatz, wir haben doch Urlaub.“ Beruhigend legte Carola ihre Hand auf seinen Arm.
Zweiter Versuch!
Wenig später konnte es wirklich losgehen. Endlich! Klein-Tobi hatte seine Blase erleichtert und alles andere war auch perfekt. Kaffeemaschine war natürlich ausgeschaltet und Sicherungen sowieso raus. Alles Bestens! Peter steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr los.
„Türen, Fenster, alles zu, nichts vergessen?“, spöttelte Stefan.
„Muss noch einer pinkeln?“
„Nein, ein Häufchen.“ Tobi blinzelte schelmisch.
Peter schaltete das Radio ein und pfiff vergnügt zu den Liedern mit.
Zwei Ampeln später wurde seine gute Laune ein wenig getrübt.
„Ist die Waschmaschine zugedreht?“
Peter blieb stumm, blickte düster geradeaus.
„Hast du den Haupthahn nicht abgedreht?“
Kleine Falten hatten sich auf seiner Stirn gebildet.
„Soll ich wieder umkehren?“
Täuschte sie sich, oder klang seine Stimme genervt?
Sohn Stefan hatte ganz andere Sorgen. „Haben die dort W-lan?“
„Das Notebook bleibt Zuhause, Schluss, aus!“
„Meine Taucherbrille hab ich auch vergessen!“
„Herrgott TOBI!“
Oh ja, Vater Peter war gereizt aber sowas von ... !
Carola streichelte ihm besänftigend über die Wange. „Schatz, wir haben doch Urlaub!“
Aller guten Dinge sind drei! Nach dem 3. Anlauf klappte alles wunderbar. Endlich! Bald hatten sie die Autobahn erreicht und kamen flott voran. Tobi war es schrecklich langweilig. Die Comic-Heftchen hatte er schon durch und seine Geschwister piesacken machte auch keinen Spaß mehr.
„Dauert es noch lange?“, fragte Klein-Tobi nach knapp zwei Stunden Autofahrt.
„Nein, nur noch acht bis neun Stunden!“
„Spiel doch ein bisschen mit deinem Zauberwürfel!“
„Ich will nach Hause!“ Trotzig schlug Klein-Tobi gegen die Scheibe.
„Papa, lass Tobi doch laufen“, stichelte Manu.
„Halt die Klappe, blöde Kuh.“ Tobi streckte ihr die Zunge raus.
„Müsst ihr immer streiten?“
Klein-Tobi saß schmollend in der Ecke und bohrte in der Nase.
Zwischen Daumen und Zeigefinger drehte er Kügelchen.
„Iiiih, das Ferkel frisst seine Popel“, kreischte Manu angeekelt.
„Soll ich mal schnipsen?“, sagte er frech und zielte in ihre Richtung.
„Tobi, du Schwein!“
„Doofe Tussi, du!“, titulierte sie der Kleine und schnitt Fratzen.
„TOBI! Wenn es jetzt keine Ruhe gibt ... !“
Peter behielt seinen Jüngsten im Rückspiegel im Auge.
Nach gefühlten fünf Minuten meldete er sich wieder.
„Ich hab Durst!“
„Ja, und dann musst du gleich wieder auf`s Klo, das kennen wir doch!“
Klein-Tobi zog eine Schnute und maulte beleidigt: „Wenn ich aber Durst habe.“
„Es gibt jetzt nichts zu trinken. Ich halte nicht schon wieder an!"
„Wir könnten ja mal eine Pause machen“, zwinkerte Carola ihm gönnerhaft zu.
„Allmächtiger!“ Peter verdrehte die Augen. „Wir sind noch keine zwei Stunden unterwegs!“
„Schatz, wir haben doch Urlaub!“
„Ja, und wenn es so weitergeht, noch in drei Tagen nicht da!“, erwiderte er grantig.
„Ich hab Durst!“ Klein-Tobi blieb stur.
„TOBI! Noch ein Wort ... !“
Eine Weile war es still.
Manu dachte an Bubi. Sie vermisste ihren gefiederten Freund.
Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und schluchzte.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“
„Ohne Bubi ist alles Scheiße“, schniefte Manu.
„Ohne Laptop ist noch mehr Scheiße!“, maulte Stefan.
Vater Peter drehte das Radio lauter und wirkte leicht verbissen.
„Bubi hockt auf seiner Stange und kackt den Käfig voll.“ Klein-Tobi kannte sich mit Vögeln aus.
„Schätzchen, Bubi geht es bei Oma gut!“, versuchte die Mutter zu trösten.
„Wenn er nicht den Schnabel hält, dreht Omi ihm den Hals um, deinem Bubi!“, frotzelte Stefan.
„Nein, sie lässt ihn fliegen“, grölte Klein-Tobi.
„Ach was, sie reisst ihm nur die Federn aus“, setzte Stefan noch einen drauf.
„Seid doch nicht so gemein, Kinder!“
„Arschloch!“, giftete Manu ihren Bruder an.
„Na na, nicht solche Ausdrücke!“
„Ruhe auf den billigen Plätzen!“, donnerte der Vater.
Eine Weile war es still.
„Ich hab Hunger!“, meldete sich Klein-Tobi und kassierte böse Blicke.
„Hier .. ein Bonbon vielleicht?“ Seine Mutter reichte ihm versöhnlich die Tüte nach hinten.
„Meine Schuhe drücken!“
„Dauert es noch lange?“ Tobi hielt die Frage für berechtigt; sein Hintern tat schon weh.
„Lutsch deine Pillen und halt doch mal die Fresse, Zwerg!“
„Ich kann die Pässe gar nicht finden.“ Carola kramte nervös in ihrer Handtasche.
Peter blickte mit finsterem Gesichtsausdruck zu seiner Frau.
„Oder sind die in der kleinen Reisetasche hinten?“
„Mutti vergisst auch alles“, kicherte Manu.
„Die liegen doch auf Papas Schreibtisch!“, krähte Klein-Tobi.
Mit resignierten Tonfall fragte Peter: „Sag jetzt nicht, wir müssen umkehren?“
„Hab sie gefunden!“, gab sie Entwarnung und wedelte triumphierend damit.
Eine Weile war es still.
„Seht euch nur die schöne Landschaft an“, ermunterte die Mutter ihre Kinder.
„Langweilig!“ Stefan gähnte herzhaft.
„Mir ist schlecht!“ Kummervoll faltete Klein-Tobi leere Bonbonpapierchen.
„Das kommt davon, wenn man so viel frisst!“, konterte sein Bruder mitleidlos.
Manu hüstelte. „Das sagt der Richtige. Du bist auch zu fett!“
„Danke Schwester, mit deinem Arsch machst du J.Lo Konkurrenz.“ Süffisant lächelte er Manu an.
„Mir ist schlecht!“, wiederholte Tobi unbeirrt.
„Ich freue mich auf schöne Spaziergänge“, versuchte Carola abzulenken.
„Herrje, Spaziergänge“, stöhnte Stefan und schlug sich an die Stirn.
„Ob man da auch Fahrräder leihen kann?“, grübelte Manu.
„Sicher kann man das. Dort gibt es doch alles!“
Stefan schöpfte neue Hoffnung. „Ob die auch I-net haben?“
„Geh mir nicht auf den Sack mit deinem Mist!“, knurrte Peter.
„Mir ist sohooo schlecht!“ Unruhig rutschte Klein-Tobi auf dem Sitz herum.
„Kotz mir bloß nicht ins Auto!“, warnte sein Vater.
Zu spät! Klein-Tobi begann zu würgen.
„Oh nein, bitte nicht!“ Entsetzt sah Carola zu ihrem jüngsten Sohn.
Klein-Tobi beugte sich vor und schon ging es los.
Empörte Aufschreie auf dem Rücksitz!
Ein Schwall Kotze verteilte sich recht wahllos; landete mal hier und da.
Rot-weiße Bröckchen hatten es bis zu Papas Kopfstütze geschafft.
Eine klebrige Brühe lief an Mamas Rückenlehne entlang.
„Sauerei! Pfui Teufel nochmal!“, tönte es von hinten.
„TOBI! Ferkel!“
Höllischer Gestank machte sich im Wageninneren breit.
Fluchend steuerte Vater Peter die nächste Tankstelle an.
Bewaffnet mit Eimer und Putzlappen wurden die Spuren von Mutter Carola beseitigt.
Das Fahrzeug vom Vater gut durchgelüftet.
Peter sah seinen Sohn streng an: „Noch so ein Ding und du wirst ausgesetzt!“
Klein-Tobi begann zu heulen.
„Papa meint das nicht so“, tröstend strich ihm die Mutter durch`s Haar.
„Doch, Papa meint das so!“, feixte sein Bruder.
„Ich bin auch dafür, das wir ihn hierlassen!“, meinte Manu hämisch.
„Wir binden ihn an die Leitplanke!“
„Ja, an der Autobahn werden oft unschuldige Hundchen ausgesetzt,
die nichts getan haben!“, provozierte Stefan den Kleinen.
Klein-Tobi verpasste Bruder und Schwester ein paar Schläge.
Gegenseitig wurde sich geknufft, geboxt, getreten, an den Haaren gezogen.
Erneutes Gekreische und Geplärre hinten.
„Kinder, Kinder, reisst euch mal zusammen!“
„Schluss jetzt, oder ihr geht die restlichen 700 Kilometer zu Fuß!“, drohte der Vater.
Gegen Mittag machten sie an einem schönen Rastplatz Halt. Aus der Kühlbox gab es Mutters portionierte Schälchen mit Kartoffelsalat und Bockwürstchen. Klein-Tobis Appetit war vorzüglich, er futterte alle Reste weg. Vater Peter ermahnte seinen Junior, nicht so hastig zu essen und trinken. Gesättigt und zufrieden ging es weiter. Klein-Tobias schlief selig auf dem Rücksitz.
Eine Stunde lang war alles wunderschön. Dann wurde die himmlische Ruhe gestört.
Zaghaft tippte Tobi seiner Mutter auf die Schulter.
„Was ist denn, mein Schätzchen?“, fragte sie ihn lieb.
Erst druckste Klein-Tobi ein wenig herum, dann sagte er leise: „Ich hab in die Hose geschissen.“
Langsam begannen die Eltern zu zweifeln, ob es wirklich so schön ist, endlich Urlaub zu haben.