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Endlich mal Qualität
Bitte nicht mehr posten. Die Geschichte wird demnächst komplett überarbeitet.
Das schwache Licht, von der nahen Straßenlaterne in den Raum geworfen, half ihm, nicht einzuschlafen. Und so lag er noch einige Zeit wach, nachdem sie bereits längst eingeschlafen war.
In seinem Kopf manifestierten sich Bilder, Gedanken, Figuren. Man hätte fast sagen können, dass er träumte. Er horchte in die Nacht hinein, und ihr Atem war seit langem ruhig und gleichmäßig. So hob er bedächtig die Decke an, spürte, wie die Wärme entwich, und stand vorsichtig auf.
Lauschte, einer Statue gleich neben dem Bett stehend. Doch sie schlief, da war er sich sicher, auch wenn er ihr von ihm weggewandtes Gesicht nicht sehen konnte. Er atmete aus, leise ging er an den Schreibtisch, setzte sich vorsichtig und schaltete den PC ein.
Die geräuschvoll anspringende Lüftung erschreckte ihn beinahe, aber sie schlief. Ein Auto fuhr vorbei. Dann begann er, zu schreiben.
Sein Tippen war schnell und laut, dennoch störte er sich nicht daran; sehr bald nahm er es kaum noch wahr. Er versank in seinen Gedanken, sie in monotoner Gleichmäßigkeit niederschreibend, erfreute sich an den real werdenden Bildern, erschuf Figuren und formte sie. Er schrieb und schrieb und vergas sie letztendlich.
Die Wendung durfte nicht zu plötzlich kommen! Er beherrschte sich mühsam, modellierte einen weiteren, hilfreichen Satz, fügte ihn ein und war sich sicher, dass er gut sei. Schließlich war erschaffen, worauf es ihm in dieser, seiner neuen Gedankenwelt ankam. Nun konnte er damit beginnen, sie langsam wieder niederzureißen. Und so schrieb und schrieb er.
Das sich steigernde Stakkato der Tastatur wischte Morpheus beiseite wie eine dicke, Geborgenheit bringende Schicht Staub. Als sie merkte, dass er nicht mehr neben ihr lag, öffnete sie schlaftrunken die Augen.
Das helle Licht des Monitors ließ sein angespanntes Gesicht fahl und kalt erscheinen. Sie wischte sich das bisschen Sand aus den Augen und gähnte. Er jedoch bemerkte sie nicht.
Aus dem Halbdunkel fluoreszierten die Zeiger des Weckers neben ihr, auf halb Vier stehend.
Sie seufzte schwach. „Schatz“, fragte sie müde, dabei wusste sie es, „was machst du da?“
Die Tastatur schwieg für einen Moment. Erst jetzt nahm er sie wahr, sein Rücken begradigte sich, er wandte den Kopf zu ihr. Es war ihr aber, als blickte er durch sie hindurch.
Er murmelte: „Schlaf ruhig weiter. Ich komme gleich.“ Und schon begann er sein Stakkato wieder aufzunehmen.
Gequält schloss sie die Augen, aber sie öffneten sich sofort wieder. Räkelte sich, aber die Ruhe war weg.
„Es ist halb vier.“ Das wollte sie eigentlich nur feststellen, aber sie warf es ihm vor.
Nein, jetzt nicht. Er hielt den Faden fest. Er durfte ihn jetzt nicht verlieren. Seine Hände huschten über die Buchstaben, Finger stürzten auf sie nieder wie hungrige Vögel.
Er formte weiter.
Sie wollte schlafen, doch der aufsteigende Ärger hinderte sie daran. Sie wollte laut werden. Wollte ihm sagen, er solle endlich einmal damit aufhören und nicht jeden Tag unausgeschlafen und dementsprechend unkonzentriert durch das Leben stolpern.
Was war ihm mehr Wert, seine elenden Geschichten oder sie? Seine Träumereien oder ihr Glück?
Sie schluckte die Fragen herunter, dennoch entfuhr ihr ein: „Morgen schlafe ich zuhause.“
Irgendjemand raste draußen vorbei. Ansonsten antwortete niemand.
Die Bettdecke weit über den Kopf gezogen, drehte sich zur Wand und schwieg.
Er nahm sie nicht mehr wahr. Abermals war er versunken. Als er nach einer Weile, ein Wort suchend, kurz unterbrach, nahm er an, dass sie wieder schliefe.
Auch er spürte die Müdigkeit, doch ließ er sie nicht zu. Noch ein wenig zum Ende. Sätze quollen aus ihm heraus, und mit dem letzten, der finalen Pointe, machte es in ihm Peng, als sei ein Überdruckventil geöffnet worden.
Er entspannte den krummen Rücken, lehnte sich zurück und atmete aus. Spürte Zufriedenheit und nächtliche Kälte zugleich.
Das Vollbrachte jetzt noch auszudrucken, wäre zu laut gewesen; schade, aber er zwang sich, es hinzunehmen. Seine Augen wollten keinen Monitor mehr sehen. Er speicherte seinen Traum und schaltete den Rechner aus.
Als er zu ihr ins Bett kroch, reagierte sie nicht. Sie schlief also. Mit dem beinahe prometheischen Glücksgefühl vollbrachter Arbeit beseelt, fielen ihm sofort die Augen zu.
Sie hatte es ernst gemeint und kam den nächsten Tag nicht zu ihm. Gegen Abend rief er sie zweimal an, doch sie war nicht da.
Er starrte nun schon so lange gegen die Tür, dass Zeit sich zu zerfließen weigerte. Schlug mit seinem Kugelschreiber nervös gegen die Lehne seines Stuhls wie auf eine Kriegstrommel.
Erst als er endlich einen der strengen Blicke der Vorzimmerfrau wahrnahm zwang er sich, damit aufzuhören.
Zu viele Gedanken schossen durch seinen Kopf, sie mochten wichtig sein, sie mochten es wert sein, festgehalten zu werden, doch jetzt war nicht der Zeitpunkt dazu, jetzt nicht. Sie kollabierten und zerflossen zu zähem Brei, der seinen Kopf auszufüllen begann.
Immer wieder schaute er auf die Uhr. Um zehn hatte er vorbeikommen sollen, war um neun Uhr vierzig bereits da gewesen, seit zwei Stunden wartete er nun schon, dass man sich seiner annahm. Allein schon, dass dieser Verlag ihm nicht schriftlich abgelehnt, sondern sogar persönlich vorgeladen hatte, und dann auch noch innerhalb weniger Tage, steigerte seine Spannung ins Unermessliche. Jetzt musste es doch endlich gelingen!
„Sie können jetzt reingehen“, sagte die Sekretärin und schien froh darüber zu sein. Er sah das als gutes Zeichen an, stand auf, korrigierte automatisch den Sitz seiner Kleidung, nahm einen tiefen Atemzug und ging durch die Tür.
Eigentlich wurde er sehr freundlich empfangen von dem älteren, bebrillten Herrn hinter dem wuchtigen Schreibtisch. Sogar sein Manuskript hielt der in den Händen. Er habe es –persönlich! - gelesen, teilte er ihm nach der Begrüßung mit. Es wäre ja nicht das erste gewesen, welches von ihm bei seinem Verlag eingegangen wäre, nein. Durchaus sei eine gewisse Dramatik, sogar Talent zu finden, Spannung durchaus vorhanden.
Doch so etwas gebe es wie Sand am Meer, es würden fast jeden Tag Dutzende von Skripten allein bei ihnen eingehen, und leider verlange es gerade der Ruf seines Verlages, nur wahrhaft außergewöhnliche, über die breite Masse hervorragende Werke zu veröffentlichen; der Markt sei eben, wie man wisse, sehr hart umkämpft. Da helfe, verfügte man schon über keinen Namen, nur anerkannte Brillanz.
So grob aus seinen Träumen gerissen, wurde er beinahe patzig. „Ich soll, wenn ich sie da richtig verstehe, aufhören, sie mit meinen Ergüssen zu überschütten. Sie wollen also endlich mal Qualität.“
Es platzte aus ihm heraus, und es tat ihm sofort leid, das gesagt zu haben. Kurz darauf wurde er auch recht direkt verabschiedet.
Als er in seiner Wohnung stand, enttäuscht und unverstanden, hungrig und alleine, wandelte er automatisch ins Schlafzimmer.
Das einzige, was ihn dort erwartete, neben dem gedämpften Dröhnen des Berufsverkehrs, war der Computer. Zornig, mit beiden Händen, wischte er ihn vom Schreibtisch.