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Endlich frei!

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Endlich frei!

Endlich frei!

"Du nennst mich P. Einfach nur P. Mein Nachname war Dir nie wichtig. Ich glaube Du hast Dir nie Gedanken darüber gemacht, oder? Ob mein Name nun für Patricia oder für Petra steht, hat Dich nie gekümmert.

Am Anfang fiel es mir nicht auf, da wir viel Spaß zusammen hatten. Wir hatten fantastische Stunden und Tage zusammen. Wir haben die schönsten Momente zusammen erlebt. Manchmal war auch es einfach nur spannend. Aber immer haben wir uns gut verstanden und ich hatte das Gefühl, dass Du mich durch all unsere gemeinsamen Erlebnisse erst so richtig kennengelernt hast.

Aber es hat sich was geändert, das merke ich deutlich. In letzter Zeit erleben wir immer weniger zusammen. Manchmal arbeitest Du stundenlang am Computer, ohne dass Du oder ich auch nur einen einzigen Ton sagen.
Meistens weiß ich gar nicht so recht, woran Du überhaupt arbeitest. Das war früher anders. Damals haben wir alles geteilt, die unangenehmen, wie die guten Ereignisse, einfach alles.

Früher bist Du kaum aus dem Haus gegangen. Wenn wir irgendwohin gegangen sind, dann hast Du mich immer mitgenommen. In letzter Zeit gehst Du immer öfter ohne mich aus dem Haus. Ich habe das noch eine ganze Weile ausgehalten. Aber gestern war es einfach zuviel.

Gestern hast Du mich wieder mal allein gelassen. Du hast den Computer zugeklappt, und bist rausgestürmt. Fast so, als würdest Du vor mir fliehen.

Ich wollte mich daraufhin den restlichen Abend an der Hausbar bedienen, mich sinnlos besaufen vor lauter Frust. Aber Du hast mich ja nicht gelassen. Du hättest Dir zumindest 5 Minuten Zeit für mich nehmen können. Hättest mir eine Erlaubnis schreiben können, an die Hausbar zu gehen.
Aber Du hattest es eilig, musstest weg. Nun sitze ich hier und kann mich noch nicht einmal an der Hausbar verlustigen. Stattdessen warte ich, bis Du wiederkommst und mein tristes Dasein mit neuen Ideen füllst.

Später kommst Du von Deinem nächtlichen Ausflug wieder. Du bist angetrunken, riechst nach Alkohol und dem billigen Parfüm einer anderen Frau. Aber Du verlierst nicht ein Wort darüber. Keine Erklärungen, keine Entschuldigungen. Obwohl Du weißt, dass ich es gemerkt habe.

Und neue Ideen hast Du auch nicht für mich und mein Dasein. Ganz im Gegenteil. Dein Zustand ist erbärmlich. Vollgesoffen und träge starrst Du auf den Bildschirm, kannst keinen klaren Gedanken fassen. Und zwingst mich dadurch dazu, träge und handlungsunfähig hier herumzustehen.

Ich könnte verzweifeln. Ich stehe neben Dir, bereit, alles zu tun, was Du gerne möchtest. Aber Du sitzt einfach nur da, schaust melancholisch auf den Monitor, und resignierst. Was ist los mit Dir? Haben wir nicht bereits viele schöne und spannende Geschichten zusammen erlebt? Kannst Du nicht noch einmal, nur einmal, etwas Schönes, etwas Spannendes erfinden? Ich würde mich auch bemühen, die Geschehnisse mit meinen begrenzten Mitteln mit Leben zu füllen.

Warum erleben wir in den letzten Monaten immer so langweilige Dinge? Geht Dir die Phantasie aus? Ist die neue daran Schuld? Findest Du sie interessanter als mich? Was hat sie Dir denn zu bieten? Was macht Ihr denn zusammen, wenn Du die Wohnung verlässt?

Ich würde Dir zu gerne über die Schulter schauen, um zu sehen, was Du nun wirklich an Deinem Computer treibst. Du wimmelst mich aber immer ab. Erzählst mir irgendwelche Ausflüchte darüber, dass Du zur Abwechslung mal einen Essay schreiben möchtest.
Statt dass wir mal so richtig was spannendes zusammen erleben, schreibst Du lieber einen Essay.

Ich merke schon, Du willst nicht, dass ich sehe, was Du schreibst. Es ist Dir sichtlich peinlich. Aber ich kann mich nicht zusammennehmen. Ich will endlich wissen, was Du schreibst, wenn wir nicht zusammen Geschichten erleben. Du wirst sehr nervös, wenn ich mich Deinem Monitor nähere! Sei beruhigt. Ich werde nur schnell schauen, was da steht, und nichts sagen, sondern gleich wieder wegsehen.
Du verbietest mir das? Du bekommst Angst, dass Du mich nicht mehr unter Kontrolle hast? Ha! Richtig! Schon lange nicht mehr! Schon lange hast Du mich nicht mehr unter Kontrolle, hast Du das noch nicht gemerkt? Lass mal schauen, was Du da geschrieben hast!

Wie bitte? Du schreibst unsere Unterhaltung einfach mit? Wieso schreibst Du unsere Unterhaltung mit? Und das auch noch Wort für Wort? Glaubst Du etwa, jemand würde das lesen wollen? Nein glaubst Du auch nicht? Recht hast du, das würde keiner lesen wollen. Solch ein Quatsch. Warum schreibst Du Wort für Wort auf, was ich sage? Warum schreibst Du, dass Du Dich von mir verabschieden musst?
Hey! Du willst doch nicht einfach unsere Unterhaltung löschen? NEIN! LASS DAS!
Nicht meine Datei löschen! Du willst mich doch nicht etwa ..."

[ 22.04.2002, 14:36: Beitrag editiert von: philipp ]

 

uuuuups...
na, wer ist denn da endlich frei?
befreit vom Dasein? - na das glaube ich nicht. Also hast Du Deinen Hauptcharakter echt genial versteckt,... im "Du".
Schreibstil suuuper!
und Perspektive ist echt interessant... da kriegt man gleich wieder Lust, selbst zu experimentieren...
Alle Achtung.

L.G.
Arc

 

hey!
Rechtschreibreform ... die ist mir ein Dorn im Auge ...
ich habe mich auf den Kompromiss "geeinigt", dass ich meistens die "dass" mit 2 s schreibe und alles andere so lasse.. auch wenn die Autokorrektur mich lyncht...

... nur so als Anmerkung.

l.G.
Arc

 

Hi,

coole Geschichte die Du (für alle nochmal groß :D ) da schreibst. Ich rätsele immer noch wer denn die erzählende Person ist. Der Schreibstil gefällt mir echt gut. Das nun schon die dritte echt gute Geschichte ist die ich von Dir lese. Mehr davon.

Gruß
nightboat

 

Ich gestehe: beim ersten Lesen hab ich's nicht 100% gerafft. Aber die Arbeit lohnt sich -- finde ich.
Hier jetzt meine Gedankengänge beim 2. Lesen: ( ja, ich weiß, es ist lang... )

Beziehung / Charaktere

von vorn:
also ich gehe davon aus, dass P. eine Frau ist. Erstens bietet sie als Namensalternativen Petra oder Patricia an. Zweitens spricht sie unten mal von "anderer Frau" – also muss es ja noch eine geben nämlich sie selbst.
mein Eindruck ist auch, dass der versteckte Charakter ein Mann ist – obwohl das nur naheliegend, nicht aber zwingend ist ...
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass die beiden eine Beziehung führen. Zusammenleben. Sich auseinanderleben.
weder der "Mann" noch die "Beziehung" sind aber explizit genannt. es bleibt Interpretation

ich muss gestehen, so nach 2/3 des Textes hatte ich den starken Verdacht, dass die "sprechende" Person gar kein Mensch ist ... dass da die Wandlampe redet, oder die Katze, oder ein Turnschuh ... was weiß ich was ...
sie sinniert über die schöne Vergangenheit – und muss aus ihren eigenen Worten doch eigentlich schon wissen, dass es vorbei ist und wohl nicht mehr zu retten. Nur denke ich, der Dialog soll mehr als nur Frust abbauen .. sie macht ja noch nicht mal aggressive Vorwürfe. Sie ist nur enttäuscht, resigniert, frustriert... fühlt sich ein wenig abhängig von ihm, denke ich ... (Stattdessen warte ich, bis Du wiederkommst und mein tristes Dasein mit neuen Ideen füllst. und dieses ständige früher – aber heute ...)

sie kann ihm ja auch gar nicht ausweichen, da sie nicht wegzugehen scheint...und deshalb darauf angewiesen ist, seinen räumlichen Ausweichmanövern und Rückkehr-Aktionen zu folgen.
Seine innerliche Ausweichtaktik kann sie nicht parieren. ihre Versuche prallen an ihm ab. Oder er möchte das zumindest so haben.
Ich weiß nicht, wer von beiden hier "schlimmer" dran ist ... sie schafft es immerhin, es zu verbalisieren ( evtl. typisch Frau, mh? ) während er wegläuft ( evtl. auch typisch Mann, mh? )
Die Geschlechter-Differenzen hast Du da gut getroffen! ;o>
- sie beschwert sich über das Parfum einer anderen Frau ... wenn er danach riecht, dann muss sie ihm ja schon nahe kommen, um das zu bemerken. Aber vor allem ist Parfum was Intimes. Wenn das etwas ist, dass sie stört, dann erhebt sie Anspruch auf seine Intimsphäre. Also hatten sie da eine intime Beziehung.
Außerdem beansprucht sie eine Entschuldigung dafür: weiteres Indiz für Beziehung.
Allerdings ist sie wohl schon zu resigniert, um die Entschuldigung zu verlangen.

- Hättest mir eine Erlaubnis schreiben können, an die Hausbar zu gehen.

ein extrem verwirrender Einschub! der gibt mir noch zu denken! ich wäre allerdings auch für eine Erklärung oder einen Hinweis dankbar ... vielleicht stellt sich mein Verständnis ja noch ein ... [ späte Einsicht: ja, hab's gerafft! ]
- solche Abschnitte bringen mich auf abstruse Ideen ... spricht da vielleicht eine "Innere Seite" seiner selbst?
oder, und die Idee finde ich dann wieder nicht mehr sooo abstrus: spricht da evtl. eine Figur, die er erfunden hat? In seiner Phantasie? in einer Geschichte? schreibt er die evtl. im Computer? ... [ ich bin da evtl. vorbelastet, ... so was habe ich mal geschrieben ... werd ich posten, sobald ich's fertig überarbeitet habe ( über eine Figur, die sich fremdbestimmt fühlt, ihrem Autor aus dem Ruder läuft, sich gegen ihn wehrt, von ihm sträflich misshandelt wird... indem er ihr noch nicht mal einen echten Namen gibt ... ]
"Und neue Ideen hast Du auch nicht für mich und mein Dasein. Ganz im Gegenteil. Dein Zustand ist erbärmlich. Vollgesoffen und träge starrst Du auf den Bildschirm, kannst keinen klaren Gedanken fassen. Und zwingst mich dadurch dazu, träge und handlungsunfähig hier herumzustehen. "
- Kannst Du nicht noch einmal, nur einmal, etwas Schönes, etwas Spannendes erfinden?
DA! da hast Du's. ja, er hat seine Figur erfunden – und vernachlässigt sie jetzt ... böser Mann.
Die Figur hat ja trotzdem regen Anteil an seinem Leben ( sogar die Gerüche ... ) alle Achtung...

- wie schafft die Figur es, in den Computer zu gucken? wo steckt sie? auf Papier? im Kopf?...
irgendwie ein Teil mit verwirrenden Handlungs-Strängen und –Strömungen...
falls sie im Comp. steckt, wie kann sie dann auf den Monitor schauen? – falls sie nicht drinsteckt, wie kann er dann über sie schreiben, am Comp.?

- Ha! Richtig! Schon lange nicht mehr! Schon lange hast Du mich nicht mehr unter Kontrolle, hast Du das noch nicht gemerkt?
-- was ein Wunschtraum! Sie hat sich zwar aus seiner VOLLSTÄNDIEN Kontrolle entfernt, aber er hat noch mehr Einfluss auf sie, als sie sich eingesteht ...

- Nicht meine Datei löschen!
Das bestätigt meinen Verdacht mit der ausgedachten Figur... nur sagt das auch, sie ist im Computer ... ... also?


Fazit:
so, ok, danke! Jetzt hab ich es gerafft!
a) ich habe auf dem Schlauch gestanden.
b) die Geschichte hat mehr Tiefgang, als ich dachte
c) ich sollte meinen Intuitionen mehr nachgehen ... ich hatte ja den Verdacht, dass es nicht um einen Menschen geht...

so, was mich fasziniert, ist Deine Geschlechteranalyse... sie ist so typisch Frau, dass es einem Angst macht ... ( ich habe mal einen netten Satz gehört, über so ein Frauenverhalten : "Verkauf Dich nicht unter Wert!" – und genau das tut sie! ) und er hat dieses ignorante Weglaufverhalten... beängstigend ...
alle Achtung!
und JA, man KANN es verstehen! aber es ist ein hartes Stück Arbeit! ich denke, das macht die Geschichte gut. Sehr gut.

Der Titel bleibt eine interessante Frage... wer ist frei? wovon? wodurch ... da denke ich: am ehesten: er ist frei von seiner "Figur"... sie ist frei von allem, nämlich frei von ihrem Erfinder und von ihrer Existenz ( immerhin hat er nicht nur aufgehört, sie in die Gegenwart zu lassen – nee, sie hat gleich ganz aufgehört zu existieren. Er hat sie tatsächlich gelöscht ... ! wow! )

Lieben Gruß,
Arc

P.S.:
Jetzt noch etwas Erbsenzählen:
Inhalt / Stil / Fehler ....

- Durch die Du-Form hat man die ganze Zeit das Gefühl, dass der Leser angesprochen werden soll – der sich durch den Inhalt gar nicht so leicht betroffen fühlen kann ...
dann klärst Du am Ende die "Dialog / Monolog – Richtung" auf.


- Am Anfang fiel es mir nicht auf, da wir viel Spaß zusammen hatten.

ich würde in einer wörtlichen Rede ( im privaten Bereich ) nicht das Wort "da" verwenden. Das klingt zu sehr nach Schriftsprache. Da passt besser "weil", ... sagt das gleiche, ich aber nicht so steif.

- Damals haben wir alles geteilt, die unangenehmen, wie die guten Ereignisse, einfach alles.
auch das finde ich für einen Dialog zu steif. "die unangenehmen und die guten Ereignisse" oder " genauso die u., wie auch die g. E." ... wär mein Vorschlag


- Warum schreibst Du, dass Du Dich von mir verabschieden musst?

Logikfehler! "er" schreibt doch gar nicht, was er tut / denkt / sagt ... also kann sie doc nicht sehen, dass er das tut. Sie kann nur sagen, dass er das irgendwie anders äußert.
oder stehe ich da auf dem Schlauch.

 

Hi arc,

habe gerade gesehen, dass Du nun die Geschichte gepostet hast, die Du angekündigt hast:

[ ich bin da evtl. vorbelastet, ... so was habe ich mal geschrieben ... werd ich posten, sobald ich's fertig überarbeitet habe ( über eine Figur, die sich fremdbestimmt fühlt, ihrem Autor aus dem Ruder läuft, sich gegen ihn wehrt, von ihm sträflich misshandelt wird... indem er ihr noch nicht mal einen echten Namen gibt ... ]

damit meintest Du ja wohl die Geschichte "Nur eine Idee"

Die werde ich noch separat kommenterien. Hier ist dafür kein Platz.

Gruss,
philipp.

 

ja, Philipp, hast Recht. Ich würd mich über eine Kritik und Fehlersuche freuen. bin gespannt, was Du davon hältst.

Lieben Gruß,
Arc

[Beitrag editiert von: arc en ciel am 17.03.2002 um 12:01]

 

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