Endgültig
Endgültig
Das letzte was sie hörte, war das Zuschlagen der Wohnungstür. Das Zittern des Holzes dröhnte bis in die feinsten Nerven ihres Gehirns. Sie versuchte, seine letzten Worte in ihr Gedächtnis zu rufen. Es gelang ihr nicht. War ja auch egal, er war gegangen.
Sie erhob sich langsam, und ihre schweren Schritte trugen sie zum Schlafzimmer. Die Schranktür stand weit offen. Hämisch grinste ihr die dunkle, leere Schranköffnung ins Gesicht. Sie schloß die Tür und sperrte den denzenten Hauch seines Parfums, der ihn ständig umgeben hatte, dahinter ein.
Leer und ausgebrannt ließ sie sich auf das Bett fallen. Auf seiner Seite zeichnete die Matratze noch die Umrisse seines Körpers ab. Mit kalten Fingerspitzen fuhr sie die Konturen nach.
Das sollte es gewesen sein? Dafür hatte sie alles aufgegeben, ihre Karriere, ihre Freunde, ihre eigenen Pläne, einfach ihr ganzes Leben?
"Gib mir Zeit", hatte er leise gefleht. Wieviel Zeit brauchte er? Drei Tage, drei Wochen, drei Jahre? Wie gerne hätte sie ihm Zeit gelassen, aber gerade die hatte sie ja selbst nicht mehr. Vielleicht wäre er aus Mitleid geblieben. Wenn schon keine Liebe mehr, dann wenigsten Mitleid. Aber wenn er selbst das nicht gehabt hätte, was dann?
Nein, so war es besser.
"Ich kann doch sowieso nicht halten, was gehen muß", seufzte sie in die Dunkelheit, "nicht ihn und mich auch nicht."
Schluck für Schluck trank sie ihre warme, bittere Milch. In Milch aufgelöst schmeckten die Tabletten gar nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte.
Ihr war kalt und sie war müde, viel zu müde, um die Decke über sich zu ziehen. Sie blinzelte zum Wecker, der beruhigend neben ihr tickte. Sie wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war. Doch der Mond stand inzwischen groß und rund vor ihrem Fenster, als wollte er sie begrüßen und sie willkommen heißen. Der Mann im Mond streckte seine Hände nach ihr aus.
"Warte auf mich, ich komme", flüsterte sie.
Das leise Aufschließen der Wohnungstür hörte sie nicht mehr. Sein Entsetzen spürte sie nicht mehr.
Er war wieder da. Doch nun war sie gegangen. Endgültig gegangen.
Monika A.E. Klemmstein