Was ist neu

Ende eines Helden

Mitglied
Beitritt
17.02.2002
Beiträge
3

Ende eines Helden

Müde und abgeplagt. Ich trete in das Zimmer und schüttele innerlich den Kopf. Verwahrlosung trifft den Zustand dieses Raumes nur am Rande. Zwei Pfade ringen in den Bergen von Gerümpel nach Luft und verteidigen - noch - tapfer die letzten freien Stellen des Bodens. Gäbe es sie nicht, mir wäre das Ungeziefer nie aufgefallen.
Ich bin fast überzeugt zu Hause zu sein. Nach einem weiteren Zögern überwinde ich mich tiefer in das Chaos einzudringen und wähle den linken Einschnitt. Nach einer schmerzhaften Begegnung mit was auch immer im Halbdunkel nach meinem Fuß gierte, erreiche ich fluchend die Küche. Ich stütze mich auf den Herd, greife in eine Lache fruchtbar überwachsener Reste – stelle erleichtert fest, dass, was auch immer es war, es mittlerweile eingetrocknet ist. Zwar ist auch der Herd an, doch mein umsichtiger Vermieter nahm mir die Last der Elektrizität schon vor Wochen. Einmal mehr muss ich die guten Seiten eines jeden Übels akzeptieren.
Eine Bewegung hinter mir lässt mich erschreckt zusammenfahren. Ich fahre herum, greife nach einer möglichen Schlagwaffe, die mir jedoch spontan in der Hand zerbröselt. Sollte es Vorsehung geben habe ich beim Glück verpennt. Grade rede ich mir ein spontan keinen Schmerz empfinden zu können, erliege ich doch der Annahme einen meiner Gläubiger zu treffen. Meine Ängste werden Lügen gestraft. Die Erleichterung macht es nicht leichter den sich mir bietenden Anblick zu verarbeiten.
Auf einem Ast, meiner Wand entspringend, sitzt ein junger Mann. Er lässt von seinem Apfel ab, lächelt mich milde an. Seine Augen sind klar und ausdruckstark, sehen mich direkt und unverwunden an. In mir könnte Neugier keimen, wüsste ich nicht, dass man allzu leicht bereut Dinge zu ergründen, die einen offensichtlich nichts angehen.
Wir stehen und sitzen uns gegenüber. Die Minuten versickern im Chaos der Wohnung, geraten in Vergessenheit. Mit ihnen verliere auch ich an Bedeutung. In mir keimen Bilder auf, skurrile Fragmente wirrer Erinnerungen. Ich glaube mich dunkel besserer Zeiten zu entsinnen. Ehe ich endgültig lethargischer Ohnmacht verfalle breche ich wortlos das Schweigen.
Die unausgesprochen im Raum hängende Frage wendet sich meinem Besucher zu, verlangt nach Antwort. Seine Stimme ist eindringlich aber angenehm. Ich erfahre nicht sinnlos hier zu sein - tatsächlich gebe es Bestimmung.
Er erklärt mir, bildlich gesprochen der Quell des Schicksals zu sein. Von Zeit zu Zeit treffe er Menschen wie mich, am Ende ihrer Existenz, scheinbar gescheitert und perspektivlos. Sie alle, mich eingeschlossen, hätten ein schillerndes Leben geführt, von zahllosen Augen beobachtet, und erstaunliches vollbracht. Die Kunde unserer Taten weltweit bekannt, gerate nur selten in Vergessenheit. Oft drohe jedoch das geschaffene Bild zu bröckeln, schaden zu nehmen. Tritt dies ein setze er dem drohenden Verfall ein Ende.
Ich solle mich umsehen. Um mich herum fände ich die Reste meiner Vorgänger. Ein jeder seinem Charakter entsprechend verblieben. Tatsächlich glaube ich zu erkennen. Jeder Gegenstand in diesen Räumen strahlt etwas aus, nicht greifbar. Vereinzelt glaube ich etwas Vertrautes wahrzunehmen. Besorgt wende ich mich an meinen Gast, frage was ich zu erwarten habe.
Unsere Blicke treffen sich erneut. Ich verspüre innere Ruhe - angenehm, nicht matt und passiv wie seither. Entspannt atme ich aus, spüre, wie zu fallen beginne. Der Raum scheint sich zu weiten, ich sinke dem Boden entgegen. Vor meinem Aufprall höre ich ihn noch sprechen: Ich solle unbesorgt sein – lediglich die Hektiker hätten sechs Beine und krabbeln hektisch durch die Gegend.
Er hebt mich auf, lächelt mich an, setzt mich auf die Fensterbank. Ruhig lehne ich an und betrachte den kleinen Ausschnitt der Welt, der sich mir darbietet. Ich bin stolz das erste Plüschtier in diesen Räumen zu sein. Die Sonne kitzelt mir in der Nase und ich lache still, während mein Autor sich aufmacht einen neuen Helden zu schaffen.
Endlich traf auch mich die Gute Seite des Übels. Der Mythos über das Ende einer Märchenfigur, grausam wie er ist, nahm in meinem Falle ein gutes Ende. Ich erinnere mich zurück an die mit mir geschaffenen Sagen und warte auf meine Nachfolger, die auch Teil dieser letzten Erzählung sein werden. Dem Friedhof der Märchenhelden.

[Beitrag editiert von: Neverland am 21.02.2002 um 17:38]

 

Hi Neverland

Ich hab mir deine Geschichte nun zum dritten Mal durchgelesen. Etwas verwirrend fand ich sie, obgleich ich das Thema interessant finde. Da lässt sich bestimmt noch mehr draus machen. Hier sind ein paar Ungereimtheiten, die mir aufgefallen sind.

Müde und abgeplagt. Ich trete in das Zimmer und schüttele innerlich den Kopf.

Ob es das Wort abgeplagt wirklich gibt, weiß ich gar nicht, daher sage ich nur etwas zur Konstruktion.
Der Anfang sagt mir persönlich gar nichts, erstellt mE auch keine Dramatik, wie es vielleicht beabsichtigt war. Besser fände ich
"Müde und erschöpft trete ich in das Zimmer..."

Ich bin fast überzeugt zu Hause zu sein. Nach einem weiteren Zögern überwinde ich mich tiefer in das Chaos einzudringen

An dieser Stelle habe ich gedacht, der Protagonist befindet sich in einem fremden Kinderzimmer. Naja, Spaß beiseite: Wenn den Protagonist die Umgebung an sein Zuhause erinnert sollte er doch eigentlich keine Hemmung haben diese zu betreten. Finde ich zumindest. Du könntest es evtl. weniger so darstellen, dass er sich dazu überwinden muss. Nur ein Vorschlag am Rande.

Ich stütze mich auf den Herd, greife in eine Lache fruchtbar überwachsener Reste – stelle erleichtert fest, dass, was auch immer es war,

Die Formulierung wiederholst du hier. Kommt etwas ungeschickt rüber.

Einmal mehr muss ich die guten Seiten eines jeden Übels akzeptieren.

Dies ist wohl einer der Sätze der mich ziemlich verwirrt hat. Für war die gesamte Situation nicht wirklich fassbar. Die vollständige Erleuchtung, wie diese Worte in den Zusammenhang passen, hatte ich da auch noch nicht. Vielleicht kannst du mir da ja helfen ;)

Ohja, noch so ein verwirrender Satz

Grade rede ich mir ein spontan keinen Schmerz empfinden zu können, erliege ich doch der Annahme einen meiner Gläubiger zu treffen.

Meine Ängste werden Lügen gestraft.

"werden durch" denke ich, oder? Aber den Sinn habe ich nicht ganz verstanden.

Wir stehen und sitzen uns gegenüber.

..würde das, so formuliert, nicht paradoxerweise heißen, dass beide stehen und sitzen?

Seine Stimme ist eindringlich aber angenehm. Ich erfahre nicht sinnlos hier zu sein - tatsächlich gebe es Bestimmung.
Er erklärt mir, bildlich gesprochen der Quell des Schicksals zu sein. Von Zeit zu Zeit treffe er Menschen wie mich, am Ende ihrer Existenz, scheinbar gescheitert und perspektivlos. Sie alle, mich eingeschlossen, hätten ein schillerndes Leben geführt, von zahllosen Augen beobachtet, und erstaunliches vollbracht. Die Kunde unserer Taten weltweit bekannt, gerate nur selten in Vergessenheit. Oft drohe jedoch das geschaffene Bild zu bröckeln, schaden zu nehmen. Tritt dies ein setze er dem drohenden Verfall ein Ende.

Schade, ich hatte gehofft, dass der sympatische "Peter Pan" :D das ganze selbst erzählt. Die indirekte Rede finde ich unpassend. Du erzählst schließlich in der Gegenwart und ein paar Worte einer anderen Person könnten die Geschichte auflockern und eher fassbar machen.

Nungut, hier möchte ich aufhören. Viel mehr habe ich nicht gefunden. Es wäre nett, wenn du etwas zu der Geschichte sagen würdest, ich bin immer noch ein wenig verwirrt. Zuletzt möchte ich aber auch sagen, dass mir ein beachtlicher Teil der Formlulierungen zugesagt hat. Darunter

Zwei Pfade ringen in den Bergen von Gerümpel nach Luft und verteidigen - noch - tapfer die letzten freien Stellen des Bodens. Gäbe es sie nicht, mir wäre das Ungeziefer nie aufgefallen.

Vor meinem Aufprall höre ich ihn noch sprechen: Ich solle unbesorgt sein – lediglich die Hektiker hätten sechs Beine und krabbeln hektisch durch die Gegend.

Viel Spaß beim weiteren Schreiben.

Gruß, Frederik

-carpe diem-

 

Hab die Geschichte noch nicht gelesen, aber die Kritik von Frederik überflogen (ich weiss, sowas macht man besser nicht :D ), und dazu die Anmerkung zu machen: der Ausdruck

Meine Ängste werden Lügen gestraft
ist korrekt, es heisst "jmd. bzw etwas Lügen strafen", auch, wenn man geneigt ist das durch dazwischenzumogeln... :rolleyes:

Und da das Wort "abplagen" ebenfalls existiert dürfte auch

abgeplagt
richtig sein, wenn es auch eine etwas umgangssprachliche Formulierung ist...

Mehr sag ich lieber erst, wenn ich alles gelesen habe... ;)

Ginny

 

Gut, danke. Ich war mir da wie gesagt nicht ganz so sicher. Nungut, bin ich jetzt halt um ein paar Forumilierungen klüger. :D

Frederik

 

Hi Frederik,

ich freue mich, dass überhaupt jemand meine Geschichte gelesen hat. ;)
Um direkt auf deinen Beitrag zu kommen: Ich kann kaum eine deiner Fragen beantworten. :rolleyes: Wenn ich mich frage, was ich mit meiner Geschichte ausdrücken will, und was der tiefere Sinn dahinter ist - wenn ich ehrlich bin habe ich mir garnicht viel dabei gedacht. Jedoch eine Grundidee gab es:
Mir ging es darum zu erzählen, was mit Märchen- und Figuren anderer Erzählungen geschieht, wenn die Geschichte an sich endet. Was machen die Figuren, wenn das Buch aufhört? Sicherlich eine eigenwillige Betrachtung, aber sie hat Potential. Über die Umsetzung kann man immer streiten.
Dem Vorwurf, die Story sei Stellenweise knapp geschrieben, und krumm in der Formulierung...gut, dem kann ich mich schwer entziehen. Allerdings feile ich noch an den Feinheiten, und ich versuche meine Geschichten nicht länger als eine Seite werden zu lassen. Kurzgeschichten eben.

Alles in Allem freue ich mich über die Kritik. Du hast mein Werk ja nicht in der Luft zerrissen, auch wenn ich im ersten Moment den Eindruck hatte. Da ich das mit dem Zitieren aus anderen Beiträgen noch nicht durchschaut habe gehe ich mal so auf zwei deiner Punkte ein:

"...Einmal mehr muss ich die guten Seiten eines jeden Übels akzeptieren. ..."

Dies ist wohl einer der Sätze der mich ziemlich verwirrt hat. Für war die gesamte Situation nicht wirklich fassbar. Die vollständige Erleuchtung, wie diese Worte in den Zusammenhang passen, hatte ich da auch noch nicht.

Diese Folgerung habe ich ziemlich spontan eingebracht. Ob sie angebracht ist habe ich nicht überprüft. Allerdings stützt sich meine Figur auf dem Herd ab (der eingeschaltet ist), verletzt sich jedoch nicht, da der Strom fehlt. An sich ist kein Strom eine schlechte Eigenschaft, hier jedoch dienlich. Also eine Gute Seite an einem schlechten Umstand.

Ohja, noch so ein verwirrender Satz

"... Grade rede ich mir ein spontan keinen Schmerz empfinden zu können, erliege ich doch der Annahme einen meiner Gläubiger zu treffen. ..."


Ich denke dieser Satz ist ein wenig durch die Gewalt der Medien geprägt. Ich habe da die Bilder alter "Gangster-Filme" vor Augen. Meist bekommt der Schuldner ungebetenen Besuch, der Schulden eintreiben soll, und der Forderungen durch physische Gewalt Nachdruck verleiht.


Zusammengefasst kann man sagen die Erzählung ist Stellenweise recht sprunghaft und offen. Allerdings sehe ich hier Raum für die Fantasie des Lesers. Wie oft schon habe ich Bücher gelesen, in welchen ich ganze Absätze überspringe, die in schillernden Farben Empfindungen von Personen, oder das Aussehen von Orten immer detaillierter beschreiben, und so die Eigene Vorstellung auslöschen. Nicht zuletzt langweilen sie mich als Leser.
Als letzten Tipp möchte ich noch geben unverkrampfter an meine Geschichte ranzugehen. Ich habe keine Feste Interpretation vorgesehen. Man kann das Ende, und einzelne passagen auf viele Arten deuten und verstehen. (Nicht zuletzt gibt es natürlich Passagen ohne Intention :D )

 

Hi Neverland und auch noch willkommen hier. :bounce:

OK, erstmal zum Anfang:
Deine Geschichte hat mir sehr, sehr gut gefallen. Du kannst dich durchaus gewandt ausdrücken und hast keine (oder kaum) Rechtschreibfehler drin, so dass deine Geschichte weit über dem normalen Durchschnitt hier liegt. :thumbsup:

In sofern hab ich an Rechtschreibung und Grammatik auch nichts groß zu bemängeln. Ob der ein oder andere Begriff angebracht ist oder nicht, darüber kann man sich streiten, ich find das ist eben der Stil des Autors.

Was mir noch nicht allzu gut gefallen hat ist dass du den Autor (wenn ich das so richtig verstanden habe, ich muss mir die Geschichte nochmal durchlesen, die Person halt mit der er redet) nie in direkter Rede hast sprechen lassen. Ändere das noch um.
Das gleiche solltest du auch mit dem Titel machen (finde ich). Das erinnert einfach zusehr an den Friedhof der Kuscheltiere und lässt auf eine geklaute und minderwertige Story schließen.

Ansonsten interessiert mich, wie du auf die Idee mit der Geschichte kamst. Bisher scheinst du ja neu auf der Seite zu sein. Hast du einfach aus Lust und Laune die Geschichte geschrieben und dann nach einem Ort zum Veröffentlichen gesucht?

Naja, wie auch immer, ich find die Geschichte klasse. Weiter so.

Wanderer :bounce:

 

Hi Wanderer,

danke für deine Lobpreisungen. Hat mich sehr gefreut.
Wie du sicherlich gemerkt hast habe ich den Titel bereits geändert. Allerdings bin ich mit dem jetzigen noch immer nicht zufrieden. Wenigstens ist die Verwandschaft zu Friedhof der Kuscheltiere beseitigt. Es ist ja nicht so, dass mir das entgangen wäre. Wenn dir noch was besseres einfällt wäre ich offen für Vorschläge.

Was mir noch nicht allzu gut gefallen hat ist dass du den Autor (wenn ich das so richtig verstanden habe, ich muss mir die Geschichte nochmal durchlesen, die Person halt mit der er redet) nie in direkter Rede hast sprechen lassen. Ändere das noch um.
Eigentlich habe ich die direkte Rede mit absicht rausgelassen. Zum einen geht es mir nicht unbedingt leicht von der Hand gelungene Dialoge zu verfassen, und so wie es jetzt ist, kann das Gespräch länger erscheinen als es vielleicht als Dialog wäre.
Ansonsten interessiert mich, wie du auf die Idee mit der Geschichte kamst.
Das ist bei mir ein wenig kompliziert. Ich schreibe nur sehr unregelmäßig. Bis letztes Jahr waren es eher Gedichte, jetzt sind es wieder Geschichten. Aber nur die wenigsten verlassen meine schreibtischschublade. Da kommen sie nur raus, wenn ich sie auch gut finde. Aber sollte mir mal wieder was einfallen...
Die Idee zum Handlungsablauf entwickelt sich meist erst während dem schreiben. Nachdem ich vor kurzem den Film "Forrester - gefunden" gesehen habe wächst der Stolz auf diese Technik noch :)

 

Ja, die Namensänderung hab ich bemerkt. Um genau zu sein war ich ziemlich überrascht, konnte mich zwar noch an dich erinnern, aber nicht daran dass ich jemals die Geschichte "Ende eines Helden" gelesen hätte.

Mim Namen ist es schwierig - das mit dem Friedhof war schon mal nicht schlecht, vielleicht solltest du weiter in diese Richtung denken, dass du die Geschichte z. B. einfach nur "der Friedhof" nennst oder so.

Wanderer

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom