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20.02.2011
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Emotionen

Der Wagen stand am Ende der Straße.
Sie sah ihn sofort, als sie, den Mantelgurt festzurrend, die Einfahrt hinunterkam. Gemäßigten Schrittes, nicht zu schnell ging sie zu ihm, der inneren Unruhe, dem Tumult im Kopf mutig die Stirn bietend.
Kurz bevor sie nach dem Türöffner griff, entgleisten ihr dann doch die Gesichtszüge und mit einem ungewollten Lächeln beugte sie sich in den Wageninnenraum.
Sie grüßte übertrieben höflich, er tat überrascht und erfreut, als hätten sie sich zufällig irgendwo auf der Straße, bei einem Stadtbummel getroffen, als wäre nichts von dem, was hier geschah, geplant. Herbeigeführt. Arrangiert.

"Setz Dich doch", forderte er sie auf.

Wie selbstverständlich nahmen sie ihre Rollen ein, tauschten ein paar Höflichkeiten aus, musterten sich. Seine unmittelbare Nähe traf sie wie immer. Obwohl er seine Arbeitskleidung trug und unrasiert war, bekam sie dieses beklommende Gefühl, das sie beinahe handlungsunfähig machte, wie eine Maus, die vor der Schlange hockt. "Erzähl", sagte er. Sie redete zu schnell, mit einer zu hohen Stimme, verhaspelte sich. Er spielte mit dem Schlüssel, nickte, stellte ein paar Fragen.

Er wirkte ruhig und ausgeglichen, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es nicht so war. Das in seinem Inneren der Vulkan bereits brodelte. Als sie beiläufig von ihren Bekanntschaften mit verschiedenen Männern erzählte, nichts ernstes, nur etwas Unterhaltung, eigentlich suche ich nichts, nahm sie für einen Sekundenbruchteil seine Reaktion darauf wahr. Obwohl er sich weiterhin im Griff hatte, konnte sie es an einem kurzen Aufflackern in seinem Blick erkennen. Es stimmte sie froh.

Mit keiner Silbe erkundigte sie sich nach ihr.
Auch er machte keine Anstalten, von ihr zu erzählen.

Sie legte den Kopf auf seine Brust und spürte den rauhen Wollstoff an ihrer Wange. Er streichelte ihr den Nacken, strich ihr durchs Haar, verursachte leichte Schauder.
Sie stützte das Kinn auf und musterte ihn. Er hatte die Augen halb geschlossen und grinste, als sie begann, mit dem Finger Linien in den Bartstoppeln zu ziehen.

"Nicht im Gesicht", murmelte er abwehrend.
"Wo denn?", erkundigte sie sich sanft.

Er schwieg. Die Frage hing zwischen ihnen. Die Fenster waren jetzt so beschlagen, dass man die Außenwelt nur noch schemenhaft wahrnahm.

Du weißt, wo.

Sie erschrak über seine Stimme in ihrem Kopf. Zögernd streckte sie die Hand nach ihm aus, obwohl es ein Tabu war. Er machte keine Anstalten, sie abzuwehren. Nach einer Weile hielt sie inne, betrachtete ihn. Er bat sie, fortzufahren, sah sie mit einem schwer zu deutenden Blick an. Also nahm sie wie selbstverständlich ihren alten Platz ein. Er atmete schwer, raunte ein paar Worte, die sie nicht verstand.

Dann war es vorbei.

Er startete den Motor, um die Scheiben zu befreien, die Lüftung rauschte, kühlte sie ab und brach die eintretende Stille.

Er starrte ins Leere, plötzlich ernüchtert. Sie konnte sein schlechtes Gewissen förmlich sehen, wie es sich verzweifelt gegen seine Schädeldecke stemmte. Sie jubelte innerlich, ihre Euphorie stieg, je leerer sein Blick wurde.

Schließlich sah er sie an.
Er sah aus, als würden ihm gleich Tränen in die Augen steigen.

Sie streichelte liebevoll seinen Nacken und flüsterte ihm ins Ohr: "Das bleibt unser kleines Geheimnis!" Am liebsten hätte sie laut gelacht, der böse Dämon Enttäuschung war endlich vom Thron in ihrem Herzen gestoßen.

Sein trauriges Jungengesicht mit dem Hundeblick rührte sie plötzlich. "Ich...werde jetzt besser gehen, ja?", schlug sie vor. Empfand er wirklich Reue? Spielte er ihr etwas vor?
Er nickte stumm, griff beim Aussteigen nach ihrem Arm: "Wir hören voneinander?" Sie lächelte ihn an. Innerlich gratulierte sie sich zum Sieg. Obwohl er ihr fast leid tat, hatte sie die Bestätigung, die sie brauchte.

Federnd ging sie zum Haus zurück, während er den Wagen startete und langsam losfuhr. Sie wußte, dass er ihr nachsah, und es steigerte das mächtige Gefühl in ihr nur noch mehr.

Er brauchte sie, obwohl er eher sterben würde, als es zuzugeben.
Ja, sie würden voneinander hören.

 
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Hey Corpag

Im Prinzip finde ich es eine interessante Szene. Zwei treffen sich und es wird schnell klar, dass es um das Eine geht. Die Gewichtung von Handlung und Reflektion stimmt für mich. Seltsam ist die Wandlung in ihrer Rolle, sie ist zuerst die Unsichere, das beschreibst du gut, aber warum sie nach der nicht beschriebenen Handlung Triumphgefühle kriegt, verstehe ich nicht, was immer im Auto getan wurde - scheint ja einseitig gewesen zu sein. Sie hat sich um ihn gekümmert, also läge ihr Sieg darin, seine Bedürfnisse befriedigt zu haben. Kein Wunder, dass er sie wiedersehen will, wenn sie so genügsam ist.

der inneren Unruhe, dem Tumult im Kopf mutig die Stirn bietend.

besser: voll innerer Unruhe. noch besser: beschreiben, was ihr im Kopf rumgeht: bspw Angst, entdeckt zu werden, der Kick, etwas ungewöhnliches zu tun.
Alles nach dem Komma kann weg.

entgleisten ihr dann doch die Gesichtszüge und mit einem ungewollten Lächeln beugte sie sich in den Wageninnenraum.

entgleisende Gesichtszüge - das ist abgegriffen und wirkt schlicht unbeholfen.

was hier geschah, geplant. Herbeigeführt. Arrangiert.

herbeigeführt und arrangiert - nach geplant mit Komma an den Satz anschließen.

Also nahm sie wie selbstverständlich ihren alten Platz ein. Er atmete schwer, raunte ein paar Worte, die sie nicht verstand.

Dann war es vorbei.


Die ganze Beschreibung ist zu verhuscht, lückenhaft. Den alten Platz einnehmen ist mE fehl am Platz. Dann war es vorbei wirkt komisch, hat ja gerade erst angefangen. Etwas viel ausgespart an der Stelle.

der böse Dämon Enttäuschung war endlich vom Thron in ihrem Herzen gestoßen.

Dämonen werden normalerweise als böse verstanden. Die Wendung ist pathetisch und hölzern. Und dann frage ich mich wieder, warum sie jetzt nicht mehr enttäuscht ist, was war gerade geschehen, das ihr ein gutes Gefühl gibt? Dass er fast heult, dass sie meint Reue in seinen Augen zu sehen? Wie oben geschrieben: Ich kann den Wandel nicht nachvollziehen.

Ohne die Ungereimtheiten wäre das eine feine kleine Geschichte.

Kubus

 

Hallo,
vielen Dank für die Kritik! Ich werde mich beizeiten mal an die Änderung machen. Ich war sehr gespannt, wie sie so ankommt. Es sind viele Ungereimtheiten, das stimmt. Es hat auch seine Gründe, die der Leser natürlich nicht kennt und daher nicht nachvollziehen kann.

 

Hallo corpag!

Ich hab in dieser Rubrik schon weitaus schlechtere Geschichten gelesen. Vom Inhalt her find ich die Geschichte überhaupt nicht unverständlich oder ungereimt: Die zwei hatten schon mal was miteinander ("den alten Platz einnehmen"), aber weil er in einer Beziehung mit einer anderen Frau ist, wollte er die Affäre mit dieser Frau hier nicht mehr. Aber er kann nicht anders und fängt wieder was mit ihr an, deswegen danach das schlechte Gewissen. Auch hat mich nicht gestört, dass die Sexszene ausgespart blieb, denn das ist nicht das Thema in der Geschichte, sondern es geht um die Macht, die man mit Sex erlangen kann. Es geht ihr ja nicht um Befriedigung, sondern dass er bei ihr wieder schwach wird.

Natürlich ist es nur eine Szene, aber es wird alles Wichtige auf nüchterne Weise gesagt, sie hat ihn ja (aus ihrer Sicht) scheinbar vollkommen unter Kontrolle, sie weiß jeden seiner Blicke zu deuten, sie weiß, was er denkt, sie weiß, dass er ihr nachblickt. Sie hat ihn in ihrer Macht, DAS befriedigt sie, das ist das beherrschende Gefühl, das sie bei der ganzen Sache hat, also eigentlich nix mit Erotik und Romantik. ;)

Sprachlich ist noch was drin: Du hast viele abgenutzte Wendungen drinnen, deine Bilder sind oft unglücklich, also mehr auf eine eigenständige und präzisere Sprache achten.

Ansonsten ist es wirklich eine recht ordentliche Einstandsgeschichte! :)


Setz Dich doch
"
Erzähl", sagte er.
klein: dich - beide Male ein Rufzeichen
Seine unmittelbare Nähe traf sie wie immer
auf welche Weise denn?
bekam sie dieses beklommende Gefühl
beklemmende oder beklommene
wie eine Maus, die vor der Schlange hockt
Das in seinem Inneren der Vulkan bereits brodelte
Obwohl er sich weiterhin im Griff hatte
das sind so abgenutzte Dinge zum Beispiel - und "Dass in seinem Inneren ..."
konnte sie es an einem kurzen Aufflackern in seinem Blick erkennen
was denn? es muss ja nicht genau gesagt werden, aber irgendwie musst du dieses "es" hier schon auffüllen
nichts ernstes, nur etwas Unterhaltung
groß: Ernstes
spürte den rauhen Wollstoff an ihrer Wange.
neue Rechtschreibung: rauen
um die Scheiben zu befreien,
"befreien" find ich hier unglücklich
wie es sich verzweifelt gegen seine Schädeldecke stemmte
auch unglückliches Bild, wirkt unfreiwillig komisch
Ich...werde jetzt besser gehen
vor und nach den Auslassungspunkten immer ein space
Sie wußte
wusste

Gruß
Andrea

 

Danke! Du hast ganz genau denn Sinn und Inhalt der Geschichte erfasst. Ich bin begeistert. Besser hätte ich es nicht erklären können.
Auch vielen Dank für die Anmerkungen, ich nehme es gerne auf und ja, in vielen Dingen hast Du Recht, es ist mir nur noch nie so aufgefallen. Ok, und die neue RS- ich muß mich ihr wohl beugen:)

 
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Oh, da bin ich von falschen Voraussetzungen ausgegangen! Dachte ja, die hätte nur ne Handreichung gemacht, aber lässt sich auch als richtiger Sex lesen, den alten Platz einnehmen ..... Hmpf.

Aber! sie ist furchtbar unsicher zu Beginn, will dann zart sein Gesicht streicheln und nimmt ihren Platz erst ein, nachdem seine Stimme in ihrem Kopf sie dorthin dirigierte. ne klare Machtposition stell ich mir anders vor - klingt eher wie wechselseitige Abhängigkeit. Also ihr Wandel bleibt für mich schleierhaft, auch aus der neuen Perspektive - aber muss ja auch nicht alles breiterklärt werden .....

Grüße
Kubus

 

Oh, es ist tatsächlich sowas wie wechselseitige Abhängigkeit! Und ja, sie ist furchtbar unsicher, weil ihr Gebiet von einer Fremden " markiert " wurde, sie muß erst die Lage sondieren, bevor sie sich ihm nähert. Auch aus Angst vor einer Abweisung, die eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist.
Die intimen Details sind ausgespart, um den Sinn nicht zu verfälschen, es geht nicht um platten Sex, die schnelle Nummer im Auto, sondern, wie Andrea H. so schön erkannt hat, um Macht, die sie glaubt, über ihn zu haben.
Es könnte ebenso eine " Handreichung " wie auch ein vollzogener Akt sein, dies bleibt der Phantasie des Lesers überlassen...:)

 

Hallo Corpag
und willkommen auf kg.de :)

Mit Romantik hat diese Geschichte ja wirklich nicht viel zu tun. Das läuft alles im Kopf ab. Mit Kalkül Vorsprung gewinnen, um sich über den anderen erheben zu können, einzig, um sich besser zu fühlen.
Eine klassische Studie des menschlichen Verhaltens wenn man so will :D
Deswegen wohl auch das Auto als Ort des Geschehens. Was ist flüchtiger? ;)

Du bist zwar schon drauf eingegangen, aber an deiner Stelle würde ich wirklich den EInstieg noch mal überarbeiten. Deine Prota ist mir am Anfang doch wirkliche eine Prise zu ängstlich. Also das passt nicht so recht mit dem Ausklang zusammen. EIn bisschen müsstest du da die Schraueb lösen.

EIn bisschen schleifen könnte man das ganze auch noch. Die Sätze sind für meinen Geschmack etwas zu kantig. Das unterstützt natürlich die steife Situation, dieses gekünstelte, aber dennoch ist es mir ein Ticken zu viel.

Er startete den Motor, um die Scheiben zu befreien, die Lüftung rauschte, kühlte sie ab und brach die eintretende Stille.
hier stimmt die Abfolge nicht. Müsstest du umformulieren, denn bevor hier was kühlt, wird die Stelle gebrochen

Viel Spaß hier beim Schreiben, Lesen und Kommentieren.

grüßlichst
weltenläufer

 

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