Hi Sora131702,
erst einmal willkommen im Forum. Ich bin auch noch neu .
Deine Geschichte ist starker Tobak. Sie behandelt die Idee einer auseinanderbrechenden Beziehung auf eine Weise, die in tiefe menschliche Abgründe blickt und zu Extremsituationen führt. Der Erzähler muss miterleben, wie seine Freundin nach der Abtreibung komplett den Halt verliert. Anstatt sich allerdings von ihr zu trennen, hält er ihre Drogentrips und Bettgeschichten (teilweise in seiner eigenen Wohnung) sowie die damit einhergehenden Erniedriegungen aus, bis ihm der Kragen platzt und er zum Vorschlaghammer greift. Das ist krass und schockiert. Neben der Kürze des Textes liegt gerade darin der Reiz deiner Geschichte...
... weniger allerdings in der Art, wie du deine Geschichte erzählst. Ein bisschen fühlt es sich an, als würde dein Erzähler sie einem Barkeeper um die Ecke erzählen, nachdem er die Schreckenstat begangen hat (einem sehr morbiden und verschwiegenen Barkeeper). Du addressierst den Leser direkt und beschreibst den Ablauf der Ereignisse wie einen einfachen Bericht, der gefärbt ist durch die emotionale Befangenheit des Erzählers. Dadurch kommt wenig Gespür für die einzelnen Situationen auf. Auch wenn ich bis zu einem gewissen Grad verstehen kann, warum deine Figuren so handeln, wie sie es tun, so mangelt es dennoch am Gespür für die Lebendigkeit. Auch einige Motivationen deiner Figuren brauchen mehr Schärfe.
Wenn du das Interesse haben solltest, könntest du diese Geschichte als einen Abriss für eine größere Erzählung nutzen. Anstatt dass der Erzähler die Ereignisse herunterrasselt, könnten die Ereignisse damit beginnen, wie er am Tisch sitzt und den Fliegen zuschaut. Dann erzählst du über mehrere, kurz gehaltene Rückblenden von der Vergangenheit seiner Beziehung mit Ellie, beschreibst Situationen und Dialoge zwischen ihnen, welche die drastische Entwicklung aufzeigen. Dadurch würde die Geschichte länger gehen, aber auch das Gespür für die Figuren stärker werden. So könnte man beispielsweise die Entrüstung live miterleben, welche der Erzähler verspürt, wenn seine Freundin mit einem anderen Macker auf dem Sofa fickt oder auch seine (möglichen) Versuche, sie zur Vernunft zu bringen.
Das ist letztendlich nur ein Vorschlag. Wie gesagt, ich stelle mir lediglich vor, dass du der Geschichte mehr Kraft geben kannst, weil der Leser so das Geschehen mehr 'miterlebt', anstatt es vom Ich-Erzähler aufgetischt zu bekommen.
Im Anschluss werde ich deinen Text noch einmal durchgehen und schauen, ob ich Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge machen kann. Es sind letztendlich meine persönlichen Gedanken zum Text. Du entscheidest selbst, welchen Stellenwert sie bei dir einnehmen:
1. Ich sehe nicht, inwiefern das Jahr 2017 für deine Geschichte relevant ist. Diese Geschichte ist in seiner Zeit eher unspezifisch. Sie könnte in den 60ern, 80ern oder in der Gegenwart spielen. Insofern würde ich die Jahreszahl rausstreichen.
2. Ist es eigentlich Absicht, dass der Name 'Ellie' in der Geschichte kaum oder gar keine Erwähnung findet? Er könnte ruhig etwas häufiger genannt werden.
Ich sitze in der Küche und zähle die Fliegen. Stark vermehrt haben sie sich in der letzten Zeit.
Mein Kaffee wird kalt, während ich inmitten von Unordnung sitze und an sie denke.
1. Dieser Satz ist im Präsenz geschrieben. Ergo vermute ich, dass er zu dieser Zeit bereits den Mord begangen hat, da dieser weiter unten in der Vergangenheitsform geschrieben ist. Dort schreibst du, wie er praktisch das halbe Wohnzimmer mit Benzin übergossen und in Brand gesetzt hat. Also, ist nur das Wohnzimmer abgebrannt und der Rest der Wohnung ist heil? Hat er das Feuer gelöscht? Wartet er darauf, dass die Flammen nun ihn verzerren? Es gibt keine Andeutungen von diesem Feuer, gleichwohl es sich praktisch direkt neben ihm abgespielt hat. Keine Leute, die draußen erregt Alarm schlagen, keine Feuermelder die losgehen, keine Rauchschwaden in der Küche.
Oder aber, er sitzt in der Küche, während seine Frau im Wohnzimmer mit dem Junkie vögelt. Insofern müsste dann die Zeitform angeglichen werden. Weiterhin, anstatt dass er dann 'an sie denkt', hört er vielleicht eher das 'Stöhnen durch die Wand' oder so. Das würde direkt auf die Situation hinweisen, in der er sich gerade befindet.
2. Der nächste Gedanke, den ich zu dieser Stelle habe, bezieht sich nicht direkt auf diese Passage, sondern ist etwas allgemeiner. Du beschreibst die Situation zwischen der Ich-Person und Ellie so, als wäre sie diejenige, die Chaos in die Wohnung bringt, während er - in deinen eigenen Worten - ein "Verwalter des Verfalls" ist (schöne Formulierung ganz nebenbei). Auch beschreibst du an einer Stelle, wie er trotz des Fremdgehens und der Drogen seine Freundin zu Bett bringt und sie im Anschluss noch zudeckt. Daher vermute ich, dass er noch darum bemüht ist, Ordnung in die Wohnung zu bringen und das Chaos zu beseitigen, dass seine Frau zunehmend anrichtet.
Ich finde, dieser Punkt könnte klarer in deine Geschichte miteingearbeitet werden. Einzelbeschreibungen von Momenten, wo er eklige Entdeckungen macht (zum Beispiel Kotze und Blut auf dem Flurboden oder so) ihren Müll beseitigt und ihr hinterherräumt etc. Und wie er schließlich irgendwann aufgibt und sich ebenfalls nicht mehr um die Müllhaden, Spritzen und Fliegen kümmert. Der Zustand der Wohnung wird von dir fast ausschließlich in Bildern der Verwahrlosung beschrieben, aber es wirkt etwas schief, wenn der Mann sich zunächst nicht darum kümmert, wenigstens den gröbsten Unrat beiseite zu räumen und um einen gewissen Grad an Normalität kämpft, bevor auch er entnervt aufgibt und verroht.
So könnte deine Wohnung und der Kampf um ihren Zustand zugleich auch ein Sinnbild für das Drama der beiden sein.
Draußen scheint die Sonne und hier ist es kühl, ohne sie. Sie hat mich verlassen. Und das obwohl ich sie so geliebt habe. Doch sie hatte schon längst andere Pläne, ich war ihr nicht mehr gut genug.
1. Das überschneidet sich mit meiner Verwunderung des vorangegangenen Punktes. Erneut kommen bei mir Ende und Anfang deiner Geschichte nicht stimmig zusammen. Er hat sie ja umgebracht. Hier aber sagt er, sie habe ihn verlassen, habe andere Pläne und er sei ihr nicht mehr gut genug. Für eine euphemistische Beschreibung ihres Todes wirkt das doch eher unpassend. Es klingt eher, als würde diese Situation sich in der Mitter der Geschichte abspielen. Doch dann wundert mich wieder die Zeitform.
2. "Und das obwohl ich sie so geliebt habe" --> Es wäre imo passender, wenn du seine Frühlingsgefühle zu Beginn der Beziehung in ein Spannungsfeld mit der Gegenwart setzt. Seine Liebe zu ihr litt in den letzten Jahren erheblich und ist jetzt nur noch ein Schatten der ehemaligen Hochphase, die die beiden hatten. Also vielleicht so etwas schreiben wie:
"Die Liebe, die ich einst so sehr für sie empfunden hatte, war nahezu, aber nicht völlig, erloschen."
Er kümmert sich ja nach wie vor um sie, aber es ist nicht mehr dieselbe 'Liebe' wie früher.
"ich war ihr nicht mehr gut genug" --> Erstens ist das eine ziemliche Floskel, aber gut. Zweitens passt sie nicht so recht. Es klingt, als würde ER nicht ihren Ansprüchen genügen, was allerdings nicht der Fall ist. SIE ist es ja, die komplett abstürzt.
Eine passendere Floskel könnte hier lauten: "Sie war über die Jahre zu einer Fremden geworden." oder "Sie war einfach nicht mehr sie selbst."
Unser Frühling war längst vorbei und ist zum Winter geworden. Die Kälte kroch erst unmerklich in unsere Leben, doch wurde spürbar, intensiver, unerträglich.
1. Ich glaube, beides ist theoretisch möglich, aber "unser Leben" fände ich passender, weil es noch den Beginn beschreibt, in welchem ihr 'gemeinsames' Leben noch nicht auseinandergedriftet ist.
2. Die Formulierung "spürbar, intensiver, unerträglich" klingt kontraintuitiv. Man erwartet hier beim lesen eine Steigerung der Adjektive: Nach dem Positiv (spürbar), dem Komparativ (intensiver) schließlich ein Superlativ, der das Extrem abbildet. Mit dem Wort 'unerträglich' ist das Extrem zwar da, fällt in seiner Formulierung aber in den Positiv zurück. Nun würde es sicherlich dämlich klingen, wenn da steht "am unerträglichsten". Insofern würde ich vorschlagen, die Steigerung aufzubrechen und das ganze in einem Nebensatz zu formulieren:
"Die Kälte kroch erst unmerklich in unser Leben, doch wurde spürbar, intensiver, und war schließlich kaum noch zu ertragen."
3. Auch hier bin ich leicht verwirrt, weil du schreibst, wie sich diese Veränderung im Laufe eines langsamen Prozesses bemerkbar gemacht hat. Weiter unten wirkt das Ganze jedoch so, als wäre der Prozess recht schnell gewesen, eher plötzlich sogar. Sie wurde schwanger, ist in Panik geraten, hat abtreiben lassen, und recht zügig fing sie dann mit Drogen und Bettgeschichten an. Das Gespür für das 'langsame' Verfallen ihrer Person ergibt sich mir nicht. Insofern könnte ein weiterer Absatz nicht schaden, welcher beschreibt, wie Ellie ihrerseits versucht, sich über ein paar Wochen und Monate noch zusammenzureißen und eine gewisse Normalität zu bewahren. Oder du änderst diesen Satz und betonst statt der langsam eintretenden Kälte den plötzlich einbrechenden Blizzard, der in sein Leben fegte.
Tagelang blieb sie fort und ich wusste, dass sie sich andere aussuchte. Während ich zuschaue wie eine Fliege in meinem Kaffee ertrinkt denke ich an unsere Anfangszeit.
1. "dass sie sich andere aussuchte" klingt irgendwie seltsam, als wäre sie in einer Shoppingmeile oder so. Passt mitunter zum sexuellen Marktplatz, mundet mir persönlich aber trotzdem nicht. Könntest du nicht stattdessen schreiben:
"... und ich wusste, dass sie sich mit anderen Männern traf."
2. Ich würde ab "Während ich zuschaute..." einen neuen Absatz beginnen.
Ich traf sie auf der Straße. Purer Zufall. Und sie war so hübsch, ich fand es einfach nur schön in ihrer Nähe zu sein. Ihr Licht strahlte auf mich Schattengestalt ab und ich fühlte mich... leider finde ich keine Worte mehr dafür. Die große Vergessenheit hat sie heimgesucht und mitgenommen.
1. Die Art, wie sich die beiden kennengelernt haben, beschreibst du zu allgemein und wenig überzeugend. Gleichzeitig willst du darauf hinweisen, dass die Hauptfigur den Beginn ihrer Beziehung überwiegend vergessen hat. Wie wärs wenn diese Passage mit etwas anfängt wie:
"Ich denke an die Zeit zurück, in der ich sie kennengelernt habe. Es ist schwierig, jetzt noch Worte dafür zu finden, doch an eine Sache erinnere ich mich noch ganz genau..." (Ist nur ein grober Vorschlag, mit dem ich verdeutlichen will, was ich meine.)
Dann folgt eine Beschreibung des spezifischen, persönlichen Moments, in welchem sie sich kennengelernt haben. Es kann etwas ausgefallenes sein oder etwas ganz banales, was in seiner Gefühlswelt sich jedoch wie Magie angefühlt hat. Der erste Blickkontakt, der erste Satz, ein warmes Zulächeln oder so. Irgendein Detail, dass er trotz seines Zorns in seiner Erinnerung noch immer festhält und weshalb er diese ganzen Strapazen auf sich nimmt. Du willst hier anreißen, wie zwei Menschen sich ineinander verliebt haben und wie es verbittert wiedergegeben wird durch die aktuelle Lage des Erzählers. Da muss mehr Mühe rein, um das Gefühl von Herzflattern, gefolgt von Gram, besser zur Geltung zu bringen.
2. Weiterhin, Worte wie "Licht" und "Schattengestalt" wirken in einem realen Setting etwas merkwürdig, d.h. insofern deine Hauptfigur kein leidenschaftlicher Dungeons-&-Dragons-Spieler ist.
Nein, ich fange an zu lachen und zerquetsche sie zwischen meinen Fingern. Gelbrote Substanz quillt aus dem kleinen Tier.
Äh... eklig ist es schon. Aber haben Fliegen gelbe Flüssigkeit in sich?
Am Anfang dachte ich nicht darüber nach doch irgendwann fing sie an Ideen zu entwickeln.
Deine Kommasetzung lässt schwer zu wünschen übrig.
"Am Anfang dachte ich nicht darüber nach, doch irgendwann fing sie an, Ideen zu entwickeln."
Das Ganze gilt für so einige Sätze in deiner Geschichte. Ich werde sie jetzt nicht alle korrigieren, aber in Bezug auf Kommasetzung solltest du deine Texte in Zukunft noch einmal extra durchgehen.
Ideen einer Zukunft, wie ich sie nicht kannte. Keine Frau hatte jemals so mit mir gesprochen. Die meisten waren Schlampen, aber sie nicht. Ich begann, sie zu lieben. Sie machte das einem auch nicht sonderlich schwer. Ihr hättet uns sehen sollen, meine Freunde. Ich unansehnlicher Gnom und diese Frau neben mir. Sie gab mir das Gefühl wer zu sein. Etwas besonderes. Und so versuchte auch ich ihr dies Gefühl zu geben. Und scheinbar schaffte ich es auch denn wir hatten im Anschluss drei wundervolle Jahre. Wir zogen zusammen, bestritten unseren nicht immer ganz so einfachen Alltag zusammen und ich freute mich immer sie nach der Arbeit zu sehen. Wir dachten auch über Kinder nach. Doch dazu kam es nie.
Hier bin ich verwundert angesichts der Richtung, welche deine Hauptfigur eigentlich nehemn soll. Einerseits wirkt es, als sei er selber nicht ganz sauber und gesund justiert, wenn er Sachen von sich gibt wie "Die meisten waren Schlampen" oder "Ich unansehnlicher Gnom" etc. Er leidet quasi unter Minderwertigkeitskomplexen, wähend er gleichzeitig seine Freundin auf ein Podest hebt und als das besondere Einhorn beschreibt. Gleichzeitig aber offenbart der Absatz auch die Richtung, dass es sich hier um eine schöne, eher normale, unkomplizierte Beziehung zwischen Mann und Frau handelt, die nach der Abtreibung katastrophale Züge annimmt.
Insofern bin ich nicht sicher, ob es von dir so gemeint ist, dass die Hauptfigur bereits von Anfang an einen leichten Schaden hat, der sich nach dem Verfall seiner Frau noch mehr verschlimmert, oder ob er als ein mehr oder weniger normaler Typ konzipiert worden ist, dessen Verbitterung angesichts dessen, was seine Freundin tut, ihn schließlich zum Mord treibt. In jedem Fall würde ich vorschlagen, eine dieser Varianten zu wählen und konsequenter zu beschreiben. D.h. wenn er schon immer einen Schaden hatte, Dinge herausnehmen wie "wir hatten drei glückliche Jahre" und stattdessen die Probleme in ihrer Beziehung anreißen, die sich durch seine Komplexe ergeben, oder - im anderen Fall - dass seine Ausfälle von 'hässlicher Gnom' oder 'die meisten Frauen sind Schlampen' abgeschwächt oder komplett herausgenommen werden. So etwas klingt dann doch einen Ticken zu krass.
Außerdem, mehr Details. Gebe mir ein lebendiges Bild von ihrer Beziehung. Als was arbeitet der Mann, als was arbeitet sie? Was sind ihre Interessen, Vorlieben, kleinen Ticks. Du sollst sicherlich nicht ausschweifend darüber berichten, aber kleine Details hier und da einzubauen wo es passt, sorgt ebenfalls dafür, dass die Situation greifbarer und das Pärchen realer wirkt.
Sie wurde schwanger. Irgendwas war passiert, die Pille hatte versagt. Als sie es mir sagte hatte sie Tränen in den Augen. Ich umarmte sie und sagte ihr dass ich für sie da sei. Dass ich mir sogar ein Kind wünsche.
Erneut, mehr Kontext. Sie lebt seit drei Jahren mit einem Mann glücklich zusammen, wird von ihm schwanger und ist darüber völlig aufgelöst. Warum? Hat sie Angst vor Kindern? Passt das nicht in ihre Planung? Ein traumatisches Erlebnis mit ihrer Mutter vielleicht? Es ist schwer, diese Aversion gegen Kinder zu akzeptieren, wenn man zuvor nicht so recht weiß, was für ein Mensch diese Ellie eigentlich ist und was sie antreibt. Ich würde schon wissen wollen, was diese Verzweiflung in ihr hervorruft.
Ich war traurig, bei ihr, so schien es mir, hatte ihre Seele einen Sprung bekommen.
Dieser Satz liest sich umständlich und ist unnötig lang. Ich würde "Ich war traurig." als eigenen Satz formulieren. Der Rest passt dann schon.
Und er wurde größer. Sie fing mit Drogen an, trank Nächtelang durch und ich ließ es ihr durchgehen. Sie vergnügte sich mit anderen Männern und ich saß allein in der Küche auf sie wartend. Wenn sie morgens heimkam und sich ins Bett fallen ließ deckte ich sie zu. Und weinte neben ihr.
Genau hier ärgert mich die trockene Erzählperspektive. Wie er sie mit dem Fremdgehen konfrontiert, wie er von den Drogengeschichten erfährt und realisiert, dass die Beziehung ihm aus den Händen rinnt etc. Das beschreibst du alles in einem Absatz. Was könnte man nicht für schöne Szenen und Dialoge daraus entwerfen.
In jedem Fall wundert mich, wie passiv deine Hauptfigur das aufnimmt und beschreibt. Auch hier würde ich gerne verstehen, was in ihm eigentlich vorgeht und warum er angesichts der Drogen, der Geldverschwendung und des stetigen Betrügens eben gerade nicht mit Wut, Zorn, Entrüstung etc. reagiert. Es würde zudem mehr Sinn machen, wenn die beiden verheiratet wären. Wäre er lediglich ihr Freund, hätte er sie vermutlich irgendwann verlassen. Es sei denn auch dafür gibt es einen guten Grund bzw. eine Motivation, warum deine Hauptfigur trotz allem zu ihr hält. Das müsste entweder klarer aus deiner Geschichte hervorgehen oder - insofern es sich um einen dunklen Fleck in der Psyche deines Hauptcharakters handelt, über welchen der Leser spekulieren soll - so muss die Erzählung diese Ungewissheit addressieren. (Im Sinne von: "Ich weiß nicht, was zu dieser Zeit mit mir los war, aber ich konnte sie nicht verlassen. Ich war nichts ohne sie.")
Das Bier schmeckt wie Spülwasser.
Das ist wirklich eine tolle Formulierung. Ganz nebenbei, ich persönlich brauche keine seelische Verbitterung, um den Geschmack von Bier genauso zu empfinden.
Ich freue mich für sie, denn sie werden die Finsternis, die sie umgibt noch früh genug entdecken.
Undeutlich. Freut er sich, weil die Kinder noch unwissend sind? Oder freut er sich, weil die Kinder diese Finsternis irgendwann entdecken werden? Beide Varianten passen zu den jeweils beiden Möglichkeiten, die dein Hauptchrakter darstellen könnte (der normale Freund vs. der Typ mit den Minderwertigkeitskomplexen). In jedem Fall sollte die Bedeutung hinter diesem Satzes klarer vermittelt werden.
Sie hatte drei Geschlechtskrankheiten und Hepatitis bekommen. Sie war dem Tod geweiht. Ich weinte ab diesem Tag nie wieder um sie. Ich fühlte mich fortan als ein Verwalter des Verfalls.
1. Nur eine Verwunderung. War sie, wortwörtlich, dem Tod geweiht? Oder ist es nur so eine Redensart aufgrund ihres Lebensstils? Ich vermute mal letzteres. Sonst wäre sie wohl dauerhaft im Krankenhaus, wenn sie schon regelmäßig Ärzte besucht.
2. Dies ist vermutlich der Umschlagpunkt, wo er selber nur noch nen Scheiß drauf gibt, wie viel Müll und Unrat sich in der Wohnung ansammelt. Aber auch diese Entwicklung würde ich mit ein paar Sätzen näher beschreiben, z.B. so:
"Ich weinte ab diesem Tag nie wieder um sie. Auch hörte ich damit auf, nach der Arbeit hinter ihr sauber zu machen, die Flecken zu reinigen, die das Geficke angerichtet hatte, die Essensreste auf dem Boden zu entfernen. Es war mir egal. Wozu noch so tun, als könne alles wieder ins Lot kommen? Ich fühlte mich fortan wie ein Verwalter des Verfalls. Saß auf dem Balkon und rauchte. Ohne Hoffnung auf eine Rückkehr in unser früheres Leben."
Ist jetzt nur ein Vorschlag, der mir plötzlich in den Sinn kam. Nicht ideal geschrieben, aber ich hoffe, du verstehst was ich meine.
Stille Tränen rannten mir beim Anblick der Kinder über das Gesicht. Es war in diesen Tagen als sie ihren neuen Freund mitbrachte.
Auch hier würde ich ab "Es war in diesen Tagen..." einen neuen Absatz beginnen.
Sie stellte ihn mir als Sascha vor. Er reichte mir die Hand aber ich stand nur still da.
WTF!!! Sie stellt ihm, in SEINER Wohnung, ihren neuen Macker vor und die beiden geben sich die Hand??? Echt jetzt!? Dass die Hauptfigur ihre Bettgeschichten über sich ergehen lässt, ist klar von dir intendiert. Aber gehört dazu auch, dass er sich ohne zu wehren und ohne auch nur ein Widerwort zu äußern, derart erniedrigen lässt, dass er dem Typen, mit dem seine Olle ihn betrügt, auch noch die Hand gibt, bevor sie in SEIN Wohnzimmer schreiten und es in seiner Hörweite miteinander treiben? Mit anderen Worten, dass er ein derart nichtiger Wurm ist? Erneut habe ich Schwierigkeiten, ein derart unterwürfiges Verhalten, die auf eine so verletzende Erfahrung folgt, so einfach nachzuvollziehen. Vielleicht kannst du dieses komplett passive Verhalten deiner Hauptfigur in deine Geschichte etwas erhellender einbauen. Oder die Szene mit dem 'Die Hand geben' streichen bzw. feindseliger und boshafter gestalten, sodass der Zorn des Ich-Erzählers durchschimmert.
Ich weiß nicht warum ich das jetzt tat, aber, ich denke ich musste es tun. Ich musste es für das Kind tun.
Diese Sätze klingen zusammen sehr umständlich. Außerdem wiederholt sich das Wort 'tun' darin. Vielleicht kann man ihn zusammenkürzen.
"Ich weiß nicht warum, aber ich musste etwas tun. Für das Kind."
Oder:
"Ich spürte in mir den Drang, etwas tun zu müssen. Für das Kind."
Ich ging also in den Keller und holte meinen Werkzeugkasten. Dann ging ich wieder hoch. Ich fand eine Säge, eine große Plane, Schraubenzieher, Bohrmaschine, Cutter, Hammer und Schraubenschlüssel. Doch das gefiel mir nicht. Ich ging noch mal runter und brach den Keller meines Nachbarn auf, der hatte einen Vorschlaghammer.
D.h. er bringt den Werkzeugkasten in seine Wohnung und durchsucht ihn nach Waffen, wo doch nebenan seine Freundin und ihr Junkie-Typ gerade ihr Stelldichein haben? Ein sehr auffälliges und lautes Verhalten, wenn die Werkzeuge aneinander knallen. Lass ihn doch im Keller bleiben und die Werkzeuge bereitstellen.
Mit ihm ging ich wieder zurück und trat die Türe ein.
Aus dem nächsten Satz geht hervor, dass es sich um die Wohnzimmertür handelt. In diesem Satz jedoch kann es sich genauso gut um die Haustür handeln. Daher würde ich die Formulierung "Wohnzimmertür" oder "Tür zum Wohnzimmer" bevorzugen.
Sofort erstarrten beide in ihrer Position, und ich holte bereits aus, traf den Wichser voll am Kopf, eine Blutfontäne ergoss sich über die Wand, ich hörte seinen Schädel brechen und sah sein wertloses Gehirn darunter.
Hier passieren eine Menge Dinge in kürzester Zeit. Ich würde sie in kurze, prägnante Sätze fassen:
"Sofort erstarrten beide in ihrer Position. Ich holte aus und traf den Wichser voll am Kopf. Eine Blutfontäne ergoss sich über die Wand, sein Schädel brach und ich sah sein wertloses Gehirn zwischen den Knochen."
Er brach über ihr zusammen und sie schrie wie verrückt, aber warum tat sie das?
Genau dasselbe nochmal: "Sie schrie wie verrückt, als er über ihr zusammenbrach. Aber warum tat sie das?"
aber warum tat sie das? Verstand sie denn nicht dass es nur zu unser aller besten ist?
Das klingt auch wieder sehr klischeehaft. Persönlich würde ich diese beiden Sätze komplett streichen.
...dann zog ich den Penner von ihr runter, vergewisserte mich dass er auch wirklich tot war...
Diese Stelle finde ich ehrlich gesagt eher witzig. Sein Schädel ist Matsch und er vergewissert sich, ob er noch lebt? Es hat schon etwas Absurdes an sich.
Und das, meine Freunde, das ist meine Geschichte. Ich habe sie euch erzählt.
Nein, bloß nein! Lass das weg! Wir wissen, dass er uns die Geschichte erzählt. Diese beiden Phrasen sind komplett überflüssig und klischeehaft. Nee!
Puh, das war ein Stück Arbeit!
Um es zusammenzufassen:
Deine Geschichte ist ein netter Rohbau und sie schockiert durch die Extreme, in welche sie schließlich mündet. Auch ist dein Schreibstil knapp und bringt viele Handlungen schnell auf den Punkt. Es fühlt sich beim Lesen sehr effizient an. In diesem Fall leider auch zu effizient. Es gibt viele Stellen, an denen nachpoliert und ausgebaut werden kann. Da wäre einerseits, ganz grundlegend, die Kommasetzung. Andererseits könntest du das Bild der Beziehung der beiden persönlicher gestalten und ihre Hintergrundgeschichte individueller und mit kleinen Anekdoten anreichern, welche die "damalige Schönheit" und den "jetzigen Verfall" betonen.
Vor allem aber würde ich die Motivation deiner beiden Hauptcharaktere klarer vermittelt sehen. Warum hat Ellie soviel Angst davor, ein Kind zu bekommen? Und warum reagiert ER so passiv auf ihren Verfall? Warum bleibt er und verlässt sie nicht? Diese Dinge sind das A und O deiner Geschichte und sollten klarer zum Vorschein kommen.
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Soweit habe ich deine Geschichte schon gern gelesen, aber ich sehe da einfach sehr viel Potential nach oben.
Mit freundlichen Grüßen,
Robot Fireman