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Elli als Bruchpilot
Es war einmal eine kleine, dicke Hummel, die Elli hieß. Sie lebte mit ihren Eltern und Geschwistern in einem hohlen, alten Ast. Hier wohnte ihre ganze Großfamilie: ihre Oma, die Königin war, und viele Tanten und Cousinen.
Elli war gelb-schwarz getigert, wie alle Hummeln ihrer Familie. Aber ihre zarten Flügel schillerten besonders farbenprächtig wie ein Regenbogen.
Der Wecker rasselte. Ein neuer, aufregender Tag begann für Elli. Zuerst streckte sie ihre Flügel und sprang aus dem Bett. Danach wusch sie sich mit einem Wassertropfen.
Elli setzte ihren Helm, eine kleine Nussschale, auf. Wie jeden Morgen war sie spät dran und startete sofort ohne Frühstück den Flug zur Schule.
“Hier ist dein Nektar für die Schule, Elli”, rief ihre Mutter. Doch Elli war schon außer Hörweite. Hinter den nächsten Baum beim Hexenkraut traf Elli ihre Freundin Klara. Wie jeden Morgen wurde das Hexenkraut kurz berührt, um ein wenig Zauberkraft für die Flugmanöver zu tanken.
“Hallo. Wollen wir uns noch ein kleines Frühstück bei der Menschenfamilie Meier abholen?” fragte Klara, die auch noch nicht gefrühstückt hatte.
“Ja. Gute Idee” stimmte Elli zu und flogen zum Haus der Familie Meier.
Elli und Klara flogen durch das offene Fenster in die Küche. Sie kreisten über dem gedeckten Frühstückstisch. Besonders lecker waren die von Frau Meier selbst gemachten Marmeladen. Aber Klara und Elli wurden von Frau Meier entdeckt. Schnell griff Frau Meier die Fliegenklatsche und jagte die beiden Hummelkinder. Die Jagd ging durch die Küche, über den Flur bis ins Wohnzimmer.
“Vorsicht Klara. Die Frau mit der Fliegenklatsche ist direkt hinter dir!” brüllte Elli ängstlich.
Klara flog geschickt eine Schleife in der Luft. Die von Frau Meier geschwungene Fliegenklatsche sauste durch die Luft und verfehlte Klara knapp.
“Glück gehabt. Nun aber schnell weg und zur Schule” rief Klara erleichtert.
Elli und Klara besuchten die gleiche Schule. Heute stand neben Rechnen und Hummelsprache auch Menschenkunde und Sport auf den Stundenplan.
“Guten Morgen, Kinder” begrüßte die Lehrerin die Hummelkinder.
“Guten Morgen, Frau Brummel” folgte umgehend die Antwort im Chor.
“Schlagt Seite zehn in eurem Buch über Menschenkunde auf. Wer liest vor? Elli?” fragte die Lehrerin
Elli schlug das Buch auf und begann langsam die Überschrift vorzulesen.
“Verhalten bei drohendem Verschlucken durch den Menschen.”
“Danke Elli. Schaut bitte alle das Model an. Das ist ein Schnitt durch den menschlichen Kopf. Hier ist der Mund, eine Körperöffnung des Menschen, um zu essen. Dahinter ist der Rachenraum. Am Ende, bevor die Luftröhre und Speiseröhre beginnen, hängt ein kleines, sackförmiges Ding, das Zäpfchen. Solltet ihr euch verflogen haben und landet im Rachen, ist das für euch gefährlich. Euer Hummelkleid könnte vom menschlichen Speichel verklebt werden.”
“Das klingt aber gruselig. Wenn ich mir vorstelle, wie ich voll geschmiert bin, mit Spucke” meinte Klara und schüttelte sich vor Ekel.
“Noch schlimmer ist, ihr könntet ersticken. Weil nach einiger Zeit der Sauerstoffgehalt abnimmt. Meistens öffnet der Mensch automatisch seinen Mund, wenn er euch bemerkt. Und ihr könnt raus fliegen. Wenn der Mund nicht geöffnet wird, dann drückt ihr kräftig den Nothebel. Der Nothebel ist das Zäpfchen. Habt ihr das alles verstanden?”
“Ja. Ich drücke den Nothebel, das Zäpfchen und kann raus fliegen” wiederholte Elli stolz.
“Nach dem Drücken des Nothebels wird der Mund geöffnet. Ihr müsst ganz flink raus fliegen. Weil der Mensch anfängt zu würgen. Und es könnte ein Teil des menschlichen Mageninhaltes über euch ergossen werden. Und das wäre fast so schlimm, wie verschluckt zu werden.”
Die Schulglocke ertönte. Und die Menschenkunde war, für heute, zu Ende.
Es folgte der beliebte Sportunterricht. Alle Hummelkinder flogen zum Sportplatz.
“Hallo ihr Hummelchen” begrüßte der Sportlehrer die Hummelkinder.
“Hallo, was machen wir heute im Sportunterricht?” wollte Klara wissen.
“Fliegen. Aber als erstes bewegt eure Flügel schnell hin und her, um eure Flugmuskeln aufzuwärmen”
Alle Hummeln wirbelten mit den Flügeln, wie kleine Propeller.
“Jetzt fliegt ihr drei Meter hoch und landet auf dieser Linie.“ Der Lehrer zog mit einem Stock eine Linie in den Boden.
Alle Hummelkinder flogen drei Meter hoch und landeten wieder, das sah aus wie kleine gelbe hüpfende Bälle.
„Dieses Mal fliegt ihr zehn Meter hoch, bleibt kurz in der Luft stehen und kömmt im Sturzflug wieder runter. Gelandet wird genau einen Meter vor mir in der Sandkiste. Fliegt den Sturzflug nicht zu schnell, sonst könntet ihr euch verletzten. Und haltete den idealen Einflugswinkel ein”, warnte der Sportlehrer seine Flugschüler.
Elli flog hoch und blieb in der Luft stehen, auf Grund des Windes musste sie ihre kleinen Flügel schwingen, um nicht abgetrieben zu werden. Sie drehte sich um, erblickte Klara und winkte ihr zu. Sie winkte zurück, legt das Kinn an die Brust und begann mit dem Sturzflug. Elli genoss noch die Aussicht und die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Körper. Außerdem strich der Wind durch ihre Rückenhärchen und verursachte ein angenehmes Kitzeln. Als sie nach unten schaute erblickte sie Klara und den Sportlehrer am Boden, der ihr zuwinkte. Zur Lockerung ließ sie noch einmal die Flügel kreisen, sie wollte vermeiden beim Sturzflug einen Krampf im Flügel zubekommen. Schließlich visierte sie den Landepunkt, die Sandkiste an. Sie holte viel Schwung mit ihren Flügeln und flog in schnellen Sturzflug runter. Sie wurde immer schneller und schneller. Die Sandkiste näherte sich und wurde größer. Es war ein rasanter Abflug.
„Oh schauen sie, Elli fliegt viel zu steil, oder?“ fraget Klara mit zittriger Stimme den Sportlehrer. Dieser signalisierte das Abbruchzeichen mit seinen Armen. Als Elli das Zeichen wahrnahm, überlegte sie nur kurz und versuchte durch schnelle Flügelschlagumkehr ihren Flug zu bremsen. Aber ihre Flügel waren zu schwach, um ihren Körper abrupt abzubremsen. Es war zu spät, sie schlug hart in den Boden ein und blieb bewegungslos liegen. Sie hatte mit ihren Körper einen kleinen Krater geschlagen und lag mit dem Gesicht nach unten am Boden.
Alle Hummeln eilten besorgt zu Elli. Der Lehrer hob sie aus der Mulde, legte sie in das weiche Grass und fragte: “Oh, Elli, mache die Augen auf und bewege dich. Hast du dir weh getan?” Mit seinen Flügel wedelte er ihr Luft zu. Endlich öffnete Elli ihre Augen. Erleichtert atmeten ihre Klassenkameraden auf, eine Hummel ist eben doch härter als sie aussieht.
“Ich weiß nicht. Ein wenig, vielleicht.” jammerte Elli und stellte fest, dass sie ihren Stachel verbogen hatte. Sie ordnete ihre Flügel und putzte verlegen ihre Behaarung sauber. Die schlechte Landung war ihr peinlich.
Vielleicht sollte sie zukünftig das Hexenkraut zweimal berühren, um die Fluggeschicklichkeit zu steigern.