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Elefant zum Glück
Endlich. Der Flieger setzte zur Landung an. Aufgeregt schaute Eric aus dem Fenster, auch wenn er dort nur das Flughafengelände von Windhoek zu Gesicht bekam. Sein Freund Thomas und er wollten Land und Leute Namibias kennen lernen und vor allem das Tierreich erkunden. Namibia hat so viel zu bieten, Nashörner, Löwen, Giraffen und natürlich Elefanten leben dort und sie hatten jetzt drei Wochen Zeit diese Schätze der Natur unter die Lupe zu nehmen.
Safaritouren waren geplant und vielleicht konnten sie es ja auch arrangieren, mit einem Mietwagen etwas weiter ins Land rein zu fahren. Weg von der Zivilisation, die in der Hauptstadt noch ausgeprägt war. Windhoek bot sich dafür natürlich an, denn es ist sehr zentral gelegen und war prädestiniert dazu, als Ausgangspunkt für eine Erkundungstour zu fungieren.
Die ersten Tage freilich sollten zum kennen lernen der näheren Umgebung dienen.
Klatschen und kurz darauffolgendes Getümmel weckten ihn aus seinen Träumen, die nun, kurz nach der Landung des Flugzeuges, Wirklichkeit werden sollten. Am Flughafen gab es keine Probleme. Die Einreise passierten sie ohne größere Verzögerung und der Hotelbus wartete bereits auf sie. Das fing ja schon einmal wunderbar an und er hätte nichts dagegen gehabt, wenn alles sich so reibungslos fortsetzen würde.
Thomas und er waren wie Strumpf und Latsch, ein super Gespann. Es war nicht der erste Urlaub, den sie gemeinsam verbrachten und bisher war es immer wieder ein Erlebnis, mit Thomas zu verreisen. Hinzu kam, daß beide seit kurzen wieder solo waren. Innerhalb von drei Wochen erwischte es Thomas wie Eric eiskalt und unerwartet. Doch das war kein Grund, sich den Urlaub vermiesen zu lassen, eher im Gegenteil. Es gab wieder einen Grund mehr, ihre Reise zu genießen, denn es durfte wieder geflirtet werden bis die Balken krachten.
Nachdem sie angekommen waren und ihre Sachen in ihrem recht komfortablen Hotelzimmer untergebracht hatten, beschlossen sie sich auf das restliche Hotel zu betrachten, bevor sie ihrer Müdigkeit Tribut zollen wollten.
Es war ein vier Sterne Hotel mit sehr internationalem Flair. War ja auch logisch, denn Einheimische hatten kaum die finanziellen Möglichkeiten, sich das zu leisten und Geschäftsleute zog es wohl kaum in ein Hotel, was sich dem Tourismus verschrieben hatte. Sie waren also zwei von vielen, die mit dem selben Ziel wie sie aus allen möglichen Ländern angereist waren: ihren Urlaub zu genießen.
Nach einem kleinen Rundgang und der Erkundung der einzelnen Lokalitäten innerhalb des Hotels, entschieden sie sich für einen Pub, in dem sie den Tag mit ein paar Cocktails ausklingen lassen wollten. So saßen sie nun an der Bar, jeder einen Tequilla Sunrise in der Hand und erfreuten sich des Lebens. Die Bar war insgesamt recht leer, der restliche Teil des Pubs war jedoch ganz gut gefüllt. Es fiel ihnen also sofort auf, als sich eine hübsche Brünette unweit von ihnen niederließ. Eric’s Herz begann sofort zu klopfen, während Thomas sich gar nicht für sie interessierte.
„Siehst Du sie denn nicht?“, begann Eric zu fragen. „Wie kannst Du einer solchen Frau noch nicht mal einen Blick würdigen?“.
Thomas nippte an seinem Cocktail und antwortete: „Du weißt genau, daß ich für brünette Frauen nicht viel übrig habe. Ich bevorzuge Blondinen, andere Frauen reizen mich nicht, das weißt Du doch. Aber, wenn sie Dir gefällt, warum gehst Du nicht hin und lädst sie auf einen Trink ein? Wie Du siehst ist sie ganz allein da und sie schielt auch hin und wieder zu Dir rüber.“
Eric wurde nachdenklich. Jetzt begann die Sache wieder an, ihn nervös zu machen. Er hatte seit der Trennung mit seiner Ex-Freundin noch keine andere Frau kennen gelernt, geschweige denn angesprochen. Er wusste, daß Thomas recht hatte und er wusste auch, daß er nicht ewig Zeit hatte, zu warten. Mit Bauchweh und Herzrasen machte er sich schließlich auf den Weg zu ihr, setzte sich neben sie, schaute ihr in die Augen und sagte vor lauter Faszination überhaupt nichts. Sie hatte braune Augen, die ein Funkeln hatten, das er selten zuvor gesehen hatte, und es schien, als würden sie seine Gedanken durchleuchten. Zwei Minuten schauten sie sich schon so an und immer noch hatte keiner von beiden etwas gesagt. Dann ging sie auf und ging ohne ein Wort zu sagen. Thomas kam kurz darauf zu ihm herüber und Eric fand seine Stimme wieder: „Sie ist unglaublich, einfach unglaublich und ich habe es vermasselt. Was wird sie jetzt wohl von mir denken?“, sagte er nicht nur für Thomas hörbar.
„Ich suche noch jemand mit dem ich mich unterhalten kann, der mir ein wenig zuhört heute Nacht. Deshalb habe ich Dir auch erst mal Zeit gegeben, Dich zu sammeln und bin kurz auf’s Klo verschwunden. Außerdem scheinst Du ja zum Zuhören genau der Richtige zu sein, denn gesprächig sahst Du wirklich nicht aus.“, sagte eine Stimme, die er mit einem kurzen Blick zur Seite als ihre identifizierte.
Thomas hatte seinen Cocktail gerade ausgetrunken und verschwand auf’s Zimmer, er war sowieso müde und diese Gelegenheit war günstig, sich zurückzuziehen.
Es stellte sich heraus, daß die Frau Miriam hieß und 25 Jahre alt war, zwei Jahre jünger als Eric. Sie war sichtlich niedergeschlagen und erzählte ihm ihre ganze Geschichte. Sie hatte sich vor einem Monat von ihrem Freund getrennt, weil dieser untreu war und das sollte eigentlich ihr gemeinsamer Urlaub werden, ein Urlaub der ihr Fünfjähriges honorieren sollte. Übriggeblieben ist nichts als Hass auf ihn. Den Urlaub trat sie nur an, weil sie ihn sich nicht von ihm verderben lassen wollte und weil sie sich schon sehr lange auf ihn gefreut hatte. Sie erzählte ohne Punkt und Komma, jedoch auch ohne Emotion, fast als ob sie gar nicht von sich selbst sprach. Er beteiligte sich nur durch gelegentliches Nachfragen aktiv an der Konversation, die sich über vier Stunden hinzog. Irgendwann, als sie eine Redepause einlegte, fasste er sich ein Herz. Er wollte nicht wieder mit leeren Händen dastehen und so lud er sie zu einem gemeinsamen Ausritt auf einem Elefanten ein. Das Hotel bot diese Ausritte täglich an, und so einigten sie sich schließlich auf den nächsten Nachmittag.
Er war sich sicher, Thomas würde das verstehen und so kam es auch. Thomas hatte Verständnis und wollte sich in dieser Zeit etwas die Beine vertreten, die Hauptstadt kennen lernen und die Touristeninformation besuchen, um sich über Reiserouten zu erkundigen.
Nach der langen Nacht und den Reisestrapazen des Vortages, brauchte Eric sehr lange, um sich aus dem Bett zu quälen. Thomas war schon lange unterwegs und er hatte auch nur noch eine Stunde, bis er sich mit Miriam traf.
Ein entspannendes Bad, kurz aufgeregt die Haare zurechtgemacht und schon war er ausgehbereit, oder besser gesagt ausrittbereit.
Als er sie wieder sah, war es endgültig um ihn geschehen und er fühlte sich wie ein Jugendlicher, der sich das erste mal mit einem Mädchen traf. Miriam machte heute einen völlig anderen Eindruck, sie war lebhafter und sprach während der gesamten Zeit nicht ein Wort über ihre gescheiterte Beziehung. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt und irgendwann, als die Sonne hinter den Bergen verschwand, stagnierte das Gespräch und sie schauten sich in die Augen. Da war es wieder, daß Gefühl der Sprachlosigkeit, das ihn ganz am Anfang einholte. Sie wirkte diesmal nachdenklicher als noch einen Tag zuvor, irgendetwas schien sie zu beschäftigen, doch er kam gar nicht mehr dazu, darüber nachzudenken. Sie mussten absteigen, denn die Elefanten wurden an ihre Trinkstelle geführt und nahmen ihre Belohnung für den Ritt, in Form von Wasser aus einem kristallklaren See, in Empfang. Sie saßen einfach nur da und beobachteten die Tiere. Wie sie badeten, wie sie wild um sich sprühten und sich sichtlich wohl fühlten. Mit ihren, für afrikanische Elefanten typischen, großen Ohren sahen sie richtig niedlich aus. Niedlich, obwohl sie ein Vielfaches ihrer Körpergröße und ihres Gewichtes hatte. Als plötzlich einige Fontäne zu ihnen herüber spritzte, die einer der Elefanten in seiner Euphorie losließ, mussten sie laut lachen. Dann hielten sie inne, schauten sich wieder in die Augen und es folgte ein langer Kuss, den sie auf dem gesamten Rückweg immer und immer wieder wiederholten. Als ihnen dann Thomas mit einer Blondine, auf einem anderen Elefant sitzend, augenzwinkernd entgegenkam, wusste Eric, daß dieser Urlaub unter einem guten Stern stand....