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Einstein ist relativ schön

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23.02.2002
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Einstein ist relativ schön

Steffen, mein bester Kumpel, war mit seiner neuesten Eroberung zum Empfang gekommen. Diese unterhielt sich gerade etwas entfernt mit einigen Leuten; die Gelegenheit für Steffen, mein Urteil einzuholen; neugierig fragte er mich: „Und, was hältst du von ihr?“
„Hm … also mein Fall ist sie ja nicht unbedingt.“
„Wieso?!“ Steffen wirkte etwas ungeduldig. „Die ist doch total intelligent. Und verständnisvoll ist sie auch noch. Bei diesem Charakter darf man schon mal schwach werden.“ Erneut stand eine längere Diskussion an, denn ich war nicht so angetan, wie er sich das von mir als seinem besten Freund erwartet hatte. „Sieh mal Steffen“, begann ich, „ich finde nun mal, dass an einer Frau mehr dran sein muss als nur ihre inneren Werte. Was nützt dir das tollste Wesen, wenn dich beim Anblick des zugehörigen Menschen das kalte Grauen überkommt? Bei mir muss eine Frau zuerst einmal gut aussehen, der Charakter ist dann nur Draufgabe. Du weißt Steffen, die Einstellung ‚Hauptsache ein guter Charakter, Rest egal‘ finde ich ehrlich gesagt etwas oberflächlich.“ Steffen war niemand, der sich leicht und schon gar nicht durch offensichtliche Argumente überzeugen ließ. Der legte kameradschaftlich einen Arm um meine Schulter und lenkte mein Ohr in Richtung seiner neuen Flamme. Versuchend säuselte er dann: „Und jetzt hör ihr einmal genau zu.“ Nach einiger Zeit meinte er dann gönnerhaft: „Und du willst mir ernsthaft sagen, dass du DIE vom Rednerpult stoßen würdest?“

Ich musste ehrlich gestehen, dass sie einen ansprechenden Ausdruck hatte. Und die Prinzipien und Werte saßen auch genau an der richtigen Stelle. Gut, in manchen Punkten trug sie etwas dick auf, aber wer’s mag ... Charakter ist schließlich Geschmackssache.

Meinen Standpunkt wollte ich dennoch nicht so einfach aufgeben: „Vom Rednerpult vermutlich nicht, aber zu mehr als zum diskutieren taugt sie wahrscheinlich auch nicht. Davon einmal abgesehen, wie würdest du dich fühlen, wenn dich Frauen nur nach deinem Inneren beurteilen würden? Du bist ja nicht gerade ein Einstein …“ Mit diesem Argument wähnte ich ihn in der Falle. Fälschlicherweise. „Siehst du“, begann er, „das ist das Schöne an der Sache. Wir Männer haben’s da einfach besser. Wir müssen nicht klug, reich, nett sein oder Persönlichkeit besitzen. Ein bisschen was in der Hose, vorne üppig, hinten knackig, ansprechendes Gesicht – und schon stehen sie bei uns Schlange.“ „Aber du weißt schon“, hakte ich ein, „dass nicht alle Frauen so denken. Und dass sich auch nicht alle Frauen nur auf ihr Inneres reduzieren lassen; du erinnerst dich?!“ „Klar erinnere ich mich. Das war ja vielleicht auch eine Abfuhr letzte Woche. Da bezahle ich ihr einen Drink und dann schüttet sie ihn mir einfach ins Gesicht. Und gekeift hat sie dabei wie meine Ex: „Meine Titten sind hier unten!!“
Die Erinnerung ließ mich schmunzeln.
„Tja, die hatte aber wirklich große Augen.“
„Ich konnte gar nicht anders.“
„Ja.“

Nach einem kurzen Schwelgen in der Vergangenheit versuchte ich das Gespräch wieder aufzunehmen: „Weißt du, was mich heutzutage auch stört? Dass man sich schon gar nicht mehr sicher sein kann, was echt ist und was nicht. Siehst du, am Wissen und Wesen kann herumgepfuscht werden. Aber mit deinem Körper kommst du zur Welt, der ist einfach echt. Und mal ehrlich - bei all den Persönlichkeitserweiterungen, Wissens-Spritzen und Naivitätsabsaugungen kommt doch am Ende immer dasselbe raus. Irgendwann reden alle über die politische Lage und zitieren Kant.“ Endlich stimmte mir Steffen auch einmal zu: „Eigentlich hast du recht. Eine meiner verflossenen, Lisa, hat ja immer liebend gern Schlager gesungen. Ich hab sie erst vor einigen Wochen wieder gesehen – furchtbar, sag ich dir. So mit Wissen aufgespritzt, sie summt nur noch Wagner.“ Schweigend und trauernd schüttelten wir die Köpfe.

Nach einem kräftigen Schluck Bier knallte Steffen sein Glas auf die Theke.
"Weisst du was? Die Menschen sollten nur noch nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Das wäre doch viel gerechter. Es ist doch so – Charakter und Persönlichkeit sind Geschmackssache. Punkt. Aber die Medien reden uns allen ein, möglichst klug, selbstbewusst und offen sein zu müssen. Intelligenz, Selbstbewusstsein und Offenheit sind demnach gut. Die Medien bewerten also etwas total Subjektives, das ist doch Blödsinn! Etwas Subjektives kann nur jeder selbst bewerten, warum lassen wir das überhaupt zu, dass dies die Medien tun?! Die Lösung ist ganz einfach: Wenn man absolute Werte zur ‚Bewertung’ der Menschen heranziehen würde, wäre die Welt fairer und besser. Die Medien könnten etwas Absolutes wie Haarfarbe, Größe, Gewicht, Körpermaße, ja meinetwegen auch Schwanzlänge nicht in ihr Gegenteil verkehren!“

Für einen kurzen Moment glaubte ich ihm. Ja, wirklich. Aber dann entdeckte uns Steffens jüngste Eroberung und kam selbstbewusst auf uns zu: "Ach hier versteckst du dich vor mir, Steffen!" Und charmant sprach sie zu mir gewandt: "Ich denke nicht, dass du mich deinem eloquenten Freund schon vorgestellt hast. Ich bin Lisa, Steffen und ich kennen uns von ..." Sie sprach weiter - und ich konnte nicht anders, als ihr einfach aufmerksam zuzuhören.

Ich habe ihr dabei sogar einmal in die Augen gestarrt.

 

Das gefällt mir!
Am Anfang dachte ich auch okay, er vertauscht jetzt nur die Wörter, setzt dort Charakter ein, wo sonst Titten stehen, und ansonsten ist es recht banal. Aber dann hast du es echt konsequent in Absurdum weitergeführt, und da sind ein paar wirklich coole Überlegungen dabei rausgekommen .

„Und du willst mir ernsthaft sagen, dass du DIE vom Rednerpult stoßen würdest?“

:D

Aber mit deinem Körper kommst du zur Welt, der ist einfach echt. Und mal ehrlich - bei all den Persönlichkeitserweiterungen, Wissens-Spritzen und Naivitätsabsaugungen kommt doch am Ende immer dasselbe raus. Irgendwann reden alle über die politische Lage und zitieren Kant

das ist auch gut..

Was mir nicht so gefällt ist der Titel. Das ist mir ein bisschen zu offensichlich …


Hab mich gut amüsiert.

MfG,

JuJu

 

Hallo franzl

jo, ganz witzig deine Negativprojektion auf die gängige Mann-Frau-Klischeekiste.

Nur verliert sich das Ganze mMn zum Ende hin etwas in arg gescheites Geschwurbel und der letzte Satz, nach der Schlussoffensive mit Steffens neuer Erkenntnis, wirkt irgendwie flau und drangeklebt.

Vorschlag: Weggelassen und vielleicht die Frau nochmal ins Spiel bringen.

"Ach hier bist du, Steffen, und wie heisst dein intelligenter Sitznachbar?"
Und ich musste mich zwingen, nicht in ihre klaren Augen zu starren.
oder so. ;)

Texmex:
Wie JuJu bereits erwähnt hat, der Titel ist unglücklich und zu verräterisch. Lass dir doch was "knackigeres", oder "gut bestücktes" einfallen. :D

„Hm…..also mein Fall ist sie ja nicht unbedingt.“
Hm[ ]...[ ]also
(Generell: Leerzeichen vor und nach ...)

„Wieso!?“
Ok, bin kein Fan von Fragezeichen gepaart mit Imperativ. Und wenn's sein muss, dann erst ? und dann ! ;)

Der legte kameradschaftlich
Er legte ...

und lenkte mein Ohr in Richtung seiner neuen Lebensabschnittspartnerin.
LAP? Finde ich hier verfrüht. Zur Vermeidung der WW mit Eroberung, wie wäre es mit "seiner neuen Flamme"?

Und die Prinzipien und Werte saßen auch genau an der richtigen Stelle. Gut, an manchen Stellen trug sie etwas dick auf, aber wer’s mag...Charakter ist schließlich Geschmacksache.
Stelle WW. / mag[ ]...[ ]Charakter / Geschmackssache.

Du bist ja nicht gerade ein Einstein…“
ein Einstein[ ]…“

„Klar erinnere ich mich. Das war ja vielleicht auch eine Abfuhr letzte Woche. Da bezahlt man einen Drink und dann schüttet sie ihn mir einfach ins Gesicht. An ihre Worte kann ich mich auch noch genau erinnern: „Hallo-oo! Meine Titten sind hier unten!!“
Hä? Wer redet denn so.
"Klar, das war vielleicht peinlich. Da bezahle ich ihr einen Drink, und sie schüttet mir das Zeug mitten ins Gesicht. Und dazu keifte Sie: 'Meine Titten sind hier unten!' "​
oder so.

Die Erinnerung ließ mich schmunzeln. Versöhnlich stimmte ich Steffen zu:
„Tja, die hatte aber wirklich große Augen.“
Stimmung erklärt: Versöhnlich kann weg.

Siehst du, am Wissen und Wesen kann herumgepfuscht werden. Aber mit deinem Körper kommst du zur Welt, der ist einfach echt.
Prima! Der ganze Absatz darum herum ist mMn äusserst gelungen.

Plötzlich, nach einem kräftigem Schluck Bier, fuhr Steffen wie von einer Eingebung getroffen in die Stille: „Weißt du was?
Kling komisch.
Nach einem kräftigen Schluck Bier knallte Steffen sein Glas auf die Theke.
"Weisst du was? Die Menschen ..."​

Gern gelesen,
Gruss dot.

 

Hallo franzl,

na das ist vielleicht eine Überraschung. Das franzl nach soooooo langer Zeit mal wieder hier auf kg und dann gleich noch eine Satire? Da freu ich mich drüber.

Satire ist es. Punkt.

Die Idee ist gut.
Aber sie könnte geschliffener sein.

Damit meine ich, dass du es ein wenig schlicht verpackt hast. Dialog zwischen zwei Männern. Schön und gut, aber da wäre noch drin, dass die Frau ihren Geist sprühen lässt und sehr treffende Bemerkungen reinpackt, die beeindrucken. Sie könnte ja dann mal kurz ihr Näschen (das hässliche) pudern gehen und die Zwischenzeit hätten die beiden Herren wieder Gelegenheit sich über das Thema auszutauschen. Am Ende taucht die Dame wieder auf und könnte noch ein wenig mitmischen.
Nicht ganz durchdrungen habe ich das Kapitel mit der Beschreibung der Männer. Was genau dürfen die denn nun alles? Blödsein und hässlich? :D

Als neuen Titel wären dies meine Vorschläge:

Einstein mit Titten
einsteinsche Titten


Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Schön nach so langer Zeit wieder auf KG.de aktiv zu werden! Danke gleich mal für die sehr konstruktiven Rückmeldungen, großteils habe ich schon versucht sie umzusetzen.
@dot:

[...] und der letzte Satz, nach der Schlussoffensive mit Steffens neuer Erkenntnis, wirkt irgendwie flau und drangeklebt.

Vorschlag: Weggelassen und vielleicht die Frau nochmal ins Spiel bringen.

Ich hoffe, jetzt ist es etwas besser, zuvor war ich auch nicht zufrieden. Danke auch für die anderen Vorschläge, ich finde mich bei fast allem wieder und habe versucht das meiste davon umzusetzen. Wenn Kritik nur immer so konstruktiv wäre! ;)

@ lakita
Hallo erstmal wieder - das franzl lässt sich wieder blicken! ;) Hatte nach langer Zeit wieder Lust was zu schreiben und wusste gleich, wohin ich mich (zurück)wenden muss.

Die Idee ist gut.
Aber sie könnte geschliffener sein. Damit meine ich, dass du es ein wenig schlicht verpackt hast. Schön und gut, aber da wäre noch drin, dass die Frau ihren Geist sprühen lässt und sehr treffende Bemerkungen reinpackt, die beeindrucken.
Es sollte eine Satire werden und keine Fantasy ... :D Nein, Gemeinheiten beiseite, ich sollte nicht gleich bei meiner Rückkehr für böses Blut sorgen. Der Grund warum ich es nicht auf diese Weise versuche, die Geschichte etwas zu schleifen, ist eine persönliche Aversion gegen 'Dialoge' mit mehr als zwei Personen. Um noch genauer zu sein, ich hasse es Anführungszeichen und Beistriche zu kombinieren. Und die schönen Beisätze wie 'sagte er, meinte sie, flüsterte es, etc.' verursachen mir Unbehagen. In etwa wie Small-Talk im echten Leben. Schwache begründung, aber leider ist es die Wahrheit. Ich mag zuviel Dialog nicht schreiben.
Was genau dürfen die (Männer) denn nun alles? Blödsein und hässlich?
He, du solltest dir an mir ein Beispiel nehmen, was die Thematik 'böses Blut machen' und so angeht ;)

@juju, dot, lakita: Titel würde ich auf 'Einstein ist relativ schön' ändern, was meint ihr? Zufrieden bin ich mit dem neuen Titel noch immer nicht, vielleicht habt ihr noch Ideen. Ich habe auf 'Titten' verzichtet, weil Wörter dieses Schlages zu sehr nach 'lies mich! lies mich!' schreien. Also mMn nach keine Tittel auf KG.de :)

Danke nochmal für die Kritik und fürs gerne lesen.

Lg, franzl

 

Hallo franzl

Die Idee finde ich sehr gelungen, ein verqueres Männergespräch über Frauen, die Vorzüge rekapitulierend, die einschränkenden Merkmale desavouierend.

In der ersten Version, die ich las, meinte ich aber es sei noch etwas spitziger gewesen, vielleicht irre ich mich ja auch. Es dünkt mich, das Satirische greife nicht mehr so ganz. Es ist schon überzeichnet, und von der Idealisierung her so oder so falsch gewichtet. Aber letztlich fand ich es einfach zu angenehm, zu lesen. Es gelang mir nicht mich zu ärgern, dass Männergespräche häufig so exponiert sein müssen, auch wenn ich den Sinn verkehrte.

Dennoch, auch in der zweiten Version gern gelesen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo franzl,

ich kenne die erste Version nicht, aber diese hier gefällt mir sehr gut!
Du stellst mit klugen Argumenten die gängige Ansicht auf den Kopf, appellierst dabei an eigene Erlebnisse und das Gerechtigkeitsgefühl des Erzählers. Am Ende kommt, als lebender Beweis, die schöne und kluge Lisa.

Das ist sehr gute Rhetorik, dazu noch schön kurz!

Gern gelesen,

Berg

 

Gern gelesen, aber es trifft nicht ganz. Ich seh die Absicht und das ist auch gut gelungen, aber: Jungs und Mädels sind nicht ganz so eindimensional. In der Pro7 Gesellschaft, aber die ist nicht wirklich real.
Wobei ich hier eh eine bittere Satire vermisse auf die Modelcastingshows. Vielleicht weil die sowieso schon eine auf die geistige Gesundheit sind?

 

Hi franzl,

das war recht erfrischend. Das Meiste wurde ja schon gesagt. ;) Ich kann mich vor allem Bergs Kommentar uneingeschränkt anschließen.

Ich habe noch einen kleinen Schönheitsfehler entdeckt, es sei denn das war Absicht: Die verflossene wie auch die neueste Eroberung von Steffen heißen Lisa. Das könnte jetzt natürlich so gemeint sein, dass es zur Unterstreichung der Gleichheit... aber das wäre wohl etwas weit hergeholt. ;)

Beste Grüße
Tserk

 

Gleich vorweg: Der zentrale Gag ist so genial, dass er die hinreichend besprochenen Schönheitsfehler der Geschichte vollständig negiert. Ich habe laut gelacht. Das ist viel wert, wenn nicht alles...

Da bezahle ich ihr einen Drink und dann schüttet sie ihn mir einfach ins Gesicht. Und gekeift hat sie dabei wie meine Ex: „Meine Titten sind hier unten!!“

Eigentlich ist alles was zu sagen war darin enthalten. Der 'Rest' klingt bei mir als Leser nach der gelungenen Hinführung assoziativ mit. Entsprechend überhastet und überladen wirkt daher der Fortgang der Geschichte. Die weitere Ausgestaltung des Gegenentwurfs zur realen Welt bringt keine echten Überraschungen mehr, eine Schlusspointe gelingt deshalb nicht.

Wie wäre es, die Geschichte umzustellen und den zitierten Paukenschlag am Ende erklingen zu lassen?

 

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