Einsamer Held
11.07.2025
Mein Name ist Mark Worben und bis gestern war ich wahrscheinlich der normalste Mensch der Welt. Nein, das ist auch falsch. Denn mit ziemlicher Sicherheit bin ich das jetzt wohl auch. Denn nun bin ich der einzige. Ich weiß nicht was passiert ist, ich weiß nicht wieso es passiert ist, aber ich bin nun alleine hier. Gestern war alles noch normal. Ich war im Büro, habe meine acht Stunden Arbeit hinter mich gebracht, bin nach Hause gefahren. Aber da gab es noch andere. Ich hab mich mit Kollegen unterhalten, war im Stau. Mit anderen Menschen. Doch seit heute morgen bin ich allein.
Natürlich habe ich es erst nicht gemerkt. Ich wohne alleine, somit war mein morgen normal, aber auf der Straße war nichts los, das Büro war zu. Und seit dem bin ich auf der Suche nach anderen Menschen, nach anderen Leuten, die allein sind. Wie ich.
18.07.2025
Eine Woche hält dieser Zustand jetzt schon an. Mein Alltag weicht von meinem früheren natürlich ab, trotzdem habe ich auch jetzt einen ungefähren Zeitplan. Aufwachen, anziehen, Menschen suchen. Den Rest des Tages verbringe ich dann damit, meine Zeit totzuschlagen. Ich habe mir Akten aus der Firma geholt und habe versucht sie abzuarbeiten. Schließlich habe ich ja nun Zeit für den Kram, der sonst liegen bleibt. Weil mich keiner stören kann.
23.07.2025
Wieder Tage vergangen, wieder niemand hier. Noch komme ich mit den Lebensmitteln aus den Häusern und Geschäften gut aus, aber das wird auch nicht ewig halten. Ich habe begonnen Bücher, Filme, Spiele nachzuholen, die ich früher verpasst habe. Dafür habe ich ja jetzt zeit. Den ich habe immer noch niemanden gefunden. Und ich habe keine Ahnung, ob ich jemals jemanden finden werde.
05.08.2025
Ich merke langsam, dass mir die Einsamkeit zu schaffen macht. Ich war nie der Typ, der gerne in Gesellschaft war, aber ganz ohne Andere? Trotz meiner Schüchternheit hatte ich ja wenigstens Kollegen und einige Freunde. Ich gucke immer mehr Filme,spiele mehr, versuche einfach mich abzulenken. Meine Suchen sind vergeblich. Die ganze Stadt ist menschenleer. Die ersten inspizierten umliegenden Dörfer auch.
09.08.2025
Versuche die positiven Seiten zu sehen. Kann beispielsweise ohne Regeln fahren, habe immer Vorfahrt. Ich kann mir auch jedes Auto nehme, was mir gefällt. Trotzdem glaube ich, dass ich das nicht mehr lange durchhalte. Und auch das anschauen von Actionfilmen kann meine Einsamkeit nicht lindern.
11.08.2025
Um mich abzulenken habe ich folgenden Entschluss gefasst. Ich werde selbst ein Actionheld, schließlich gehört mir die Stadt allein. Ich habe die Höchstgeschwindigkeiten verschiedener Autos getestet, bin Gefahren ohne mich an zuschnallen. Wenn interessiert es schon, wenn ich sterbe?
Merke, dass ich durch solche Aktionen, meine Situation vergessen kann. Ich brauche diese Adrenalinstöße als Ablenkung.
15.08.2025
Heute bin ich Fallschirm gesprungen, von einem Hochhaus aus. Ein tolles Erlebnis. Danach habe ich mir einen anderen Wunsch erfüllt: ich habe mir eine Schusswaffe besorgt. Eine Pistole und ein Magazin verschossen, einfach so. Wie in anderen Actionfilmen eben auch. Für mich war das ein Glücksgefühl, trotzdem merke ich, dass auch dies nicht wirklich gegen die Einsamkeit hilft.
17.08.2025
Habe mir Gegner gebastelt. Schaufensterpuppen mit Waffen. Ausgelöst durch eine Lichtschranke. Eine davon steht beispielsweise in meiner Wohnung. Sobald ich sie betrete habe ich 7 Sekunden zeit, dann knallst. Aufzuhalten nur, durch einen Schuss meinerseits auf die Puppe. Die Figuren stehen überall in der Stadt und sollen meinen Nervenkitzel erhöhen.
22.08.2025
Komme doch erstaunlich gut mit meinen Gegnern klar. Gerade de in meiner Wohnung kenne ich in und auswendig.habe mir nun etwas neues überlegt. Habe mir Sprengstoff besorgt. Ich will ein Haus abreißen. Mit Explosionen wie im Fernsehen.
Das Haus steht nicht mehr. Zwar verlief es etwas anders als geplant, jedoch war es ein voller Erfolg in meiner Actionheld Karriere.
Freue mich außerdem immer wieder auf das nach Hause kommen. Tür auf, Sensor, klackern des Mechanismus. Ich ziehe meine Waffe und feuere auf die Puppe, der Mechanismus stoppt. Die Puppe ist übersät mit Löchern, ich benutze täglich andere Waffen. Als Ablenkung.
02.09.2025
Merke dass das alles nichts bringt. Egal was ich tue, ich bleibe doch allein. Und jede Aktion, die mich befriedigt, wirkt nur für den Moment und muss dann durch etwas größeres getopt werden. Deshalb habe ich mir etwas ganz besonderes für mein „Finale“ überlegt.
Ich habe nun genug Erfahrung mit Sprengsätzen, Zeitzündern, Waffen und Lichtschranken. Ich werde die ganze Stadt in einen riesigen Mechanismus verwandeln, der mich wahrscheinlich töten wird. Und falls ich den überleben sollte, weiß ich wenigstens, dass ich der allergrößte Held bin.
25.10.2025
So, die Arbeit ist getan. Die Stadt ist eine einige Falle. Jeder Schritt kann den Tod bedeuten. Genau das wollte ich ja. Nun starte ich also das letzte Mal ein Auto. Ich beginne meine Fahrt entlang der Hauptstraße. Eine nette Reihe geparkter, frisch getankter Autos fliegt neben mir in die Luft. Mein Wagen zieht etwas zur Seite, aber ich fahre einfach weiter und werde sogar schneller. Das war schließlich nur der Anfang. Nach und nach stürzt alles mögliche neben mir ein, ich hinterlasse eine Spur der Verwüstung. Doch das war nur der erste, einfache Teil. Denn jetzt ist es 11 Uhr. Zeit auf die Spitze des Hochhauses zu gehen. Dieses sollte nämlich um 12 Uhr einstürzen. Mit mir auf dem Dach, nur mit Fallschirm bewaffnet. Naja nicht ganz, ich habe auch noch einen Revolver mit 6 Schuss bei mir, aber der hilft nur gegen die beiden Wächter am Eingang des Hochhauses. Zwei Schuss später stehe ich im Treppenhaus und jogge munter die Stufen hoch. Augenblick mal! Gedämpfte Schreie kommen aus einer Wohnung. Ich bleibe stehen und höre noch einmal genauer hin, Das kann doch nicht sein. Ich trete in die Wohnung ein, und sehe ein Frau im Flur liegen. Eine verletzte Frau. Sie blutet aus der Schulter. Wahrscheinlich ein Treffer meiner Wächter. Ich helfe der Frau hoch. Ich frage sie, woher sie kommt, aber sie hat zu starke schmerzen um mit mir zu plaudern. Was habe ich nur getan? Ich war doch sonst so vorsichtig! Und jetzt? Was, wenn es noch mehr gibt, die ich nicht gefunden habe? Vielleicht sogar Kinder? Was ist bloß los mit mir? Erstmal muss ich die Frau versorgen, bevor sie verblutet, dann werde ich die fallen abschalten. Ich schleife die Frau aus der Wohnung und die Treppe hinunter. Mein Blick wandert immer wieder zur Armbanduhr, welche besagt, das wir noch gut 15 Minuten zeit dafür haben.
Beim Schießen auf die Puppen stelle ich mich diesmal auch schlecht an, ich kann nicht zielen mit der Frau unterm Arm und brauche 3 Schüsse für die beiden. Doch dann ist sie im Auto und ich fahre los. Genialer-weise habe ich in den ersten Tagen alles medizinische in meine Wohnung gebracht. Also probiere ich eine Umleitung dorthin zu finden, schließlich ist mein Hinweg von Schutt übersät. Dennoch kommen wir eine Stunde und viele Explosionen später bei meiner Wohnung an. Die Frau hat mittlerweile schon das Bewusstsein verloren, zudem sehr viel Blut. Ob man das noch behandeln kann? Was hab ich mir dabei nur gedacht? Sterben wie ein Held? Fehlanzeige! Sterben mit einem Mord auf dem Gewissen! Mit diesen Gedanken schleife ich die Frau zu meiner Wohnung hoch. Ich schließe die Tür auf, mache meinen ersten Schritt. Der Mechanismus geht in Gang. Fast vergessen. Schnell schieße ich auf die Brust der Puppe. Der Mechanismus stoppt. Nun ziehe ich die Frau so sanft wie es geht über die Türschwelle. Ich hör ein bekanntes Geräusch. Die Frau hat den Mechanismus erneut ausgelöst. Schnell ziehe ich wieder meine Waffe, drücke ab. Doch nichts passiert. Keine Patronen mehr. Ich drücke noch ein paar mal aus Verzweiflung, dann löst sich ein Schuss. Aus Richtung der Schaufensterpuppe.