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Einsame Erde
Es war kurz nach Ausrottung der Menschheit, und Gaia war sie endlich los, die fußpilzbesohlten zweibeinigen Egomanen. Endlich Schluss mit unter- und oberirdischen Atombombentests. Das Dumme ist nur, dass die Menschen beim letzten Krieg ein wenig übertrieben und gleich auch alle anderen Lebewesen mit ausgelöscht hatten.
Gaia war nun allein und genauso unbewohnt, wie die anderen Himmelskörper dieses Sonnensystems. Die Gefühle des über hunderte Millionen Jahre glücklich bewohnten Planeten sind natürlich nicht mit denen, der Existenzen, die sie bewohnt hatten zu vergleichen; daher ist es unmöglich, diese in menschlicher Weise auszudrücken. Ein Jahr nach dem anderen verging. Die verdunsteten Ozeane, Meere und Seen hingen in Atmosphäre über der heißen Erde, ohne dass sich etwas änderte.
Doch nach und nach füllten sich die alten Becken wieder mit Wasser, als der Regen einsetzte. Es dauerte nur etwa eine Millionen Jahre, bis alles beim Alten war. Die Erde war jetzt kühl und feucht, nur das Leben fehlte nach wie vor. Gaia selbst war an die Gesetzte der Naturwissenschaften gebunden und daher auch unfähig in einen Entwicklungsprozess einzugreifen, genauso wenig, wie ein Meteor beeinflussen konnte, ob und wie er irgendwo einschlug.
500 Millionen Jahre später: Die Erde horchte auf. Anscheinend hatten sich ein paar Aminosäuren schon vor einiger Zeit sich in die nicht vorhandenen Köpfe gesetzt, wieder Leben auf der Erde einzuführen. Es entwickelten sich wieder erste Einzeller und bald darauf konnte Gaia die ersten Geißeltierchen durch ihre Gewässer toben hören oder zumindest spüren.
Weitere 300 Millionen Jahre später wimmelten die Meere von Leben, und die wasserfreien Oberflächen des Planeten wurden von Kohlendioxid atmenden an Pflanzen erinnernde Wesen “beherrscht“.
Die Bedingungen für eine fortschreitende Evolution waren geschaffen. Tausende neuer Arten entwickelten sich, hunderte starben wieder aus.
Riesige amorphe Wolkenwesen durchpflügten die Atmosphäre auf der Suche nach ihrer Nahrung, den mikroskopischkleinen Sporen der Wolkenkratzer hohen Auswüchse der in den Mooren gedeihenden Moosbäume. Alles einst Entstandene kam wieder, aber auf völlig neuartige Weise. Fressen und gefressen werden, Symbiose und Parasitismus, Naturkatastrophen, Seuchen, aufblühende Biotope in verschiedensten Variationen auf den nun überall auseinandergerissenen Kontinenten in jeder erdenklichen Form erschienen, aber niemals in einer schon vormals dagewesenen Weise.
Doch dann geschah das, was mit dem Zunehmen von Intelligenz und Bewusstsein zwangsläufig geschehen musste. Es entstanden Arten, die sich selbst intelligent nannten. Aus Natur wurde Kultur. Die cleveren Arten versuchten sich gegenseitig zu unterjochen oder zu vertreiben, bis es nur noch eine, Krieg sei dank, dieser sogenannten Intelligenten gab. Technologien wurden zum Zerstören eingesetzt.
Innerhalb dieser einen Art wuchsen einzelne Zivilisationen, die von nun an sich mehr gegenseitig bekämpften, anstatt füreinander einzustehen. Der Erde wurde schwindelig von der explosionsartigen Entwicklung auf ihr. In schwacher déjà-vu-artiger Erinnerung wurde ihr klar: der nächste Overkill kommt bestimmt.
Und nachdem sich das Leben auf der Erde wieder ausgerottet hatte, wiederholte sich dieser Prozess noch einige Male. Gaia blieb einsam in ihrer Milliarden Jahre langen Existenz und wartete nun nur noch darauf von der sterbenden Sonne, sobald sie sich zum roten Riesen ausdehnt haben wird, verschluckt zu werden.