Einsam?
Grau... alles grau. Dunkel... leer... so entsetzlich einsam. Verloren... verlassen...zurückgelassen mit Schmerz unendlich viel Schmerz.
Hier und da ein „Hallo“ ein freundliches Gesicht, ein Lächeln... ja das konnte sie auch einst vor langer, langer Zeit. Nie wieder würde sie auch nur die Mundwinkel heben, nie wieder würde ein Lachen über ihre Lippen kommen, so wie früher... nein, nicht an früher denken.
Sie beißt die Zähne zusammen. Kämpft gegen die aufkommende Wut an, den Hass.
Da läuft sie; so wie jeden Tag. Schwebt dahin wie ein Wesen einer anderen Welt. Ihr langes blondes Haar weht mit dem Wind. Wie ein Schatten unter den Menschen.
Nein. Nicht jetzt, oh nein nicht jetzt, bitte!!
Sie beginnt zu rennen. Die Hände zu Fäusten geballt, die Nägel in ihr Fleisch gebohrt aber nein, das fühlt sie schon lange nicht mehr. Sowieso ist ihr Gefühl weg, ist der Kälte gewichen. Sie beißt die Zähne zusammen und hält an. Sie ist erschöpft, aus der Puste... müde von den ständigen Kämpfen. Leer, einsam, ohne Hoffnung... keuchend hechelte sie nach Luft. Sie tritt ans Geländer schaut hinunter.
Wieso? Wieso tue ich es nicht? Was soll ich denn noch hier?
Das kalte Wasser leckt an den kalten Steinwänden. Der eisige Wind bläst ihr um die Ohren. Sie steht da wie eine Statue, als gehöre sie hier nicht her, als wäre sie fremd als hätte sie nie hierher gehört. Fest schließt sie die Augen, breitet die Arme aus und atmet ein.
Hörst du mich? Kannst du mich hören? Ich bin hier! Hier bei dir... ich will dich spüren. Hol mich. Ich warte!!!
Da kullert eine Träne ihre kalten, weißen Wangen hinab. Zieht eine kleine Spur mit sich und fällt zu Boden. Plopp. Wie eine Seifenblase zerplatzt sie. Wie einst die Träumen dieses Mädchens.
Ich liebe dich!
Sie reißt sich los und eilt weg. Weg! Weiter immer weiter. Den Blick starr auf den Boden. Tränen strömen über ihr Gesicht sie wischt sie nicht weg, es würde nichts helfen es sind zu viele. Als sie innehält steht sie vor ihm. Sie erschrickt. Ohne es zu wollen haben sie ihre Beine hierher gebracht. Wie konnten sie nur?! Sie bricht zusammen. Vorbei ist die Kälte, die Mauer, der Schutz. Hier vor ihm ist sie nackt, sie ist ihm ausgeliefert. Sie windet sich unter dem Schmerz in ihrer Brust.
Tu mir das nicht an bitte, bitte!
Ihr Flehen ist vergebens. Die Messer bohren in den offenen Narben tiefer, fester. Sie schnappt nach Luft.
Da steht er vor ihr kalt und teilnahmslos mit seinem Namen und dem Datum. Und mit ihm steht sie vor der Wahrheit, der grausamsten Wahrheit in ihrem ganzen Leben.
„Autounfall!“ das war alles was sie sagten. Konnten sie nicht mehr sagen?! Oder meinten sie damit sei alles gesagt? Mit diesem einzigen Wort? Sie steht da, vor Schock wie gelähmt.
Wie ist da nur möglich? Wie konnte das nur passieren?
„Ich freue mich auf dich, mein Schatz! Nach der Fahrstunde bin ich sofort bei dir!! Ich kann’s kaum erwarten! Ich liebe dich!“ niemals wird sie seine Stimme vergessen. Dieses tiefe zärtliche Brummen. „Ich freue mich auch, mein Knuddel! Bis dann!“ lächelnd legte sie auf. Hüpfte durchs ganze Haus und sang. Ihre Mutter schmunzelte. Sie wusste wie gut sie war, die Liebe. Sie selbst hatte sie für ihre Familie aufgegeben. Steht vor den Brüchen einer Ehe.
„Heute fährt er Autobahn! Darauf hat er sich so gefreut.!“ Lachend nahm sie ihre Mutter in die Arme. „Ach Mami, ich liebe ihn so. Nie mehr werde ich ihn gehen lassen.“ „aber das musst du doch auch nicht!“ Wenn sie sich da mal nicht täuschte...
Es war kein schöner Tag. Graue Wolken hingen am Himmel und es wollte gar nicht mehr aufhören zu regnen. Kalter Wind pfiff ums Haus. Doch ihr machte das alles nichts aus. Ihr war wohlig warm und in ihrem bauch kribbelte eine Horde Schmetterlinge, wenn sie an ihn dachte. 1 Jahr! Ein Jahr und 7 Monate waren sie ein Paar. Sie waren glücklich und füreinander bestimmt. Eines Tages wollten sie ein Haus bauen ein kleines süßes Häuschen mit einem Garten voll mit bunten Blumen. Jeden Tag wollte sie von seinen Küssen, dieses zärtlichen Lippen geweckt werden, sich in seinen blauen Augen verlieren, in seinen Armen liegen und träumen. Seiner Stimme lauschen, seinem Lachen, das wie Musik in ihrem Ohr klang und seine schönen Zähne entblößte. Sie liebte ihn. Sie liebte ihn so sehr! Während sie so vor sich hinträumte passierte es...
Sie wollte es nicht verstehen. Wollte sich die Ohren zuhalten und schreien. Diese Stimmen nicht mehr ertragen.
Nein, nein hört auf! Hört sofort auf!
Sie stürzt aus dem Haus in den Regen immer weiter, immer weiter. Sie hört Reifen quietschen und Gehupe und hält sie die Ohren zu. Tränen stürzen die Wangen hinab. Dann irgendwann, bleibt sie stehen. Sie lehnt sich über das Geländer und starrt in den tiefen Fluss. Da fasst sie einen Entschluss. Taub vor Schmerz steigt sie über das Geländer als sie eine Stimme vernimmt:
“ Spatzl, hör damit auf. Tu es nicht. Das holt mich nicht zurück. Du musst jetzt stark sein. Aber ich weiß das du es kannst, meine Kleine. Ich liebe dich und werde immer bei dir sein egal was geschieht.“
Sie dreht sich um. Wo ist er, wo?!?! Aber außer Regen sah sie nichts und niemanden. Hatte sie sich das nur eingebildet?!?! Sie klettert über die Brüstung zurück.
Bis heute weiß sie nicht wieso sie es nicht getan hat. Wieso sie es immer noch nicht kann. Wieso sie sich durch ihr Leben quält. Vielleicht weil er so echt in diesem Moment klang so real war. Wie könnte sie ihn auch enttäuschen?! Ihre große Liebe? Auf die sie nun immer noch wartet. Tag für Tag, dass er sie zu sich holt. Denn nur die Hoffnung hält dieses Mädchen am Leben und die Liebe zu ihm.