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- 17.06.2004
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Einsam ist er oft
Einsam ist er oft.
Er sitzt auf seinem Stuhl, in einem Raum den er sein eigen nennt. Sein Raum in einem Haus. In einer Stadt. In einem Land. Auf einem Kontinent. Auf dieser Erde.
Es gibt hier nichts, was noch nicht von seinen Augen fokussiert wurde.
Das Bücherregal, gleich wenn man rein kommt, rechts. In dem Bücherregal waren Bücher. Er hat einmal jedes Buch in Zeitungspapier eingebunden, die Bücher gemischt und sie wahllos zurück gestellt. Wenn er lesen wollte, was er leider oft tat, wusste er bei dem Griff zu den Büchern nie, welches er diesmal in Händen halten würde. Er machte ein Spiel daraus immer das Buch zu lesen, welches er auch gegriffen hatte, egal ob er es mochte oder nicht. Irgendwann bot das Spiel keine Überraschung, keinen Reiz mehr, da er sich angewöhnte immer die gleichen Bücher zu ziehen. Er griff immer zu den Büchern die ihn am meisten bewegten, die ihn am traurigsten machen. Von allen Büchern die er besaß war das größte und schwerste für ihn auch das schlimmste. Oft brach er während der Lektüre des selbigen weinend zusammen. Danach saß er oft studenlang auf seinem Stuhl, ertrank im Selbstmitleid und im Mitleid das er für all die einfachen Menschen hatte. „Sie begreifen es nicht! Wann begreifen sie endlich?“, jammerte er oft, manchmal sehr laut, öfters aber unangenehm leise.
Direkt neben dem Bücherregal war sein Bett. Hier schlief er. Das Holz des Regals berührte das Holz des Bettes an dessen Kopfende. Beide Hölzer hatten die gleiche Farbe obwohl eines Eiche und das andere Fichte war. Aus diesem Grund sah es für einen unachtsamen Betrachter so aus, als würden Bett und Regal zusammengehören. Das gefiel ihm. Nicht das sich jemals ein Besucher in sein Zimmer verirrt hatte aber wenn mal einer kommen sollte, würde der sich sicher wundern und in darauf ansprechen. Er freute sich auf das Gespräch.
„Ach diese Menschen haben schon sehr lange den Blick fürs feine verloren.“
Er sitzt auf seinem Stuhl, schaut aus dem Fenster und fängt an zu schmunzeln.
Weiße, dürre Hände liegen flach und tatenlos auf seinem Schreibtisch. Wen Taten widerfahren lassen? Diese Welt war zu grob, zu gebräunt für diese feinen Hände.
Sein Schreibtisch war leer und aufgeräumt. Aufgeräumte Leere. Wie bei jedem Menschen war auch dieser Schreibtisch Spiegel seiner Person, seines Lebens. Darauf war er sehr stolz.
„Ein kleiner Schritt...“
Links eine Tür die zu Bad und Küche führt. Kleine Küche, weißes Bad.
Vor ihm zwei kleine Fenster mit Blick auf eine der Straßen die ihm geboten werden. Eine Straße, die nur noch von einem kleinen Stück grün davon abgehalten wird seinen Raum tot zu fahren. Ja, ja hier werden oft Leute tot gefahren. In dieser Stadt. In diesem Land. Auf diesem Kontinent. Auf dieser Erde. Er hätte gerne einen der Toten gekannt. Eine Träne läuft über seine Wange. Viel Liebe und Trauer waren zu geben. Er hatte so viel Liebe in sich.
Langsam steht er auf, so dass er sich in Augenhöhe mit seinem kleinen, hölzernen, zwischen den Fenstern hängendem, Kruzifix befindet. Lange blickt er auf das Kreuz bis ihm endlich ein kleiner Satz über die Lippen geht:
„Hilf mir Bruder!“