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Eins zu einer Million

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12.09.2006
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Eins zu einer Million

„Der sieht aus wie ein Penner“, schnarrte Paul und starrte durch das verspiegelte Fenster den reglosen Typen auf dem Holzstuhl im Vernehmungsraum an. „Was glaubst du, wer oder was er ist?“
„Der Psychodoc hat nach dem Verhör gemeint, er sei mit zehnprozentiger Sicherheit ein total gestörter Massenmörder“, grinste Pamela. Sie sah sein durch das Licht aus dem Raum nebenan beleuchtetes Profil an.
„Eins zu zehn. Woher will er das wissen?“ Der Polizist drehte sich ruckartig zu seiner Kollegin und seine braunen Augen funkelten sie belustigt an.
„Das Gleiche hat Kommissar Freiberg auch gefragt. Der Doc hat gelächelt, und seine Worte als Witz abqualifiziert. Dann ist er einfach gegangen.“ Pamela schwieg und lehnte sich vor, bis ihre Stirn am Sicherheitsglas anlag.
Paul sah fasziniert auf den Fleck aus kondensiertem Wasser, der sich vor ihrem Mund bildete.
„Sein Mantel ist voller Blutspritzer und du glaubst wirklich, er ist ein einfacher Penner, oder?“
„Ja. Mit einer Wahrscheinlichkeit von fünfzig Prozent“, griente Paul und starrte wieder zu der in den speckigen Mantel gehüllten Gestalt, dessen ursprüngliche Farbe unter einer glänzenden Schicht unterschiedlicher Schattierungen von dreckig auf ihre Entdeckung wartete. Er hauchte an die Scheibe, aber nichts geschah. Ratlos befeuchtete er seine Unterlippe.
Pamela schlug eine andere Möglichkeit vor.
„Ich glaube, er ist ein Millionär, der sich Ferien gönnt und als Penner unter uns lebt. Oder er ist ein reicher Schüler oder Student, der mal ein paar Wochen als Penner leben will. Weit ab von unserer Konsum- und Spaßgesellschaft. So als Selbsterfahrungstrip. Wer kann schon sagen, wie alt der Typ unter der Patina ist. Zwanzig oder vierzig?“
„Hm, möglich mit einer Chance von eins zu vierhundert, denke ich.“
Pamela lachte laut und stellte sich wieder gerade hin. „Was könnte er deiner Meinung nach noch sein?“ Ihre Stimme war butterweich, aber ihre Augen nagelten ihn fest. Als er nichts erwiderte, kam ihr nächster Vorschlag:
„Er hat wenig gesagt und mit seinen Augen immer die Waffen fixiert, als wir ihn festnahmen. Vielleicht ein Ex-Bundeswehrsoldat aus dem Kosovo oder Afghanistan, der sich jetzt auf der Straße durchschlägt. Wie John Rambo. Freiberg ist der Sheriff, wir sind seine Deputies und Rambo da drin legt uns alle um.“
„Möglich. Aber du stirbst zuerst.“
„Huhuuu! Da bekomme ich aber Angst!“, fürchtete sich Pamela.
Paul sah sie an, blieb aber ruhig.
„Was grinst du so besserwisserisch? Komm, welche Chancen gibst du der Theorie?“, fragte sie bissig.
„Null Komma fünf Promille. Eine Möglichkeit von eins zu zweitausend.“ Er sah sie direkt an. „Wir brauchen etwas Unwahrscheinlicheres. Eine richtig gute Quote. Eins zu einer Million zum Beispiel. Dann wissen wir, was er ist“, feixte er. Pamela griente nur.
„Wie stehen die Chancen, dass er ein Schauspieler ist, der sich gerade auf einen Film vorbereitet und sich deshalb verkleidet auf der Straße herumtreibt?“
„Ziemlich gut, ein bisschen Action auf unserem Revier.“
Der Gefangene saß weiter reglos wie eine Wachsfigur genau so da, wie er sich sofort nach der Aufforderung durch Kommissar Freiberg zu Beginn der fruchtlosen Vernehmung hingesetzt hatte. Als würde er etwas ausbrüten.
„Ich glaube, er ist ein Außerirdischer“, unterbrach Pamela das. „Wie stehen die Aussichten bei dieser Version?“
„Hm. Vielleicht eins zu neunundsiebzigtausenddreihundertundfünfzehn.“
„Ha! Ich werd’ immer besser!“, freute sich Pamela gespielt und schien weitere Visionen abzuwägen, bevor sie herausplatzte. „Okay! Ich halte ihn für einen verkleideten außerirdischen Tintenfisch, der mit Menschen spielen will. Das müsste doch eins zu einer Million wert sein, oder?“
„Kreativ. Dabei würde ich auf eine Quote von eins zu fünfhunderttausend wetten.“
„Komm schon! Was wäre denn eine Annahme mit einer Quote von eins zu einer Million?“
„Er ist ein Alienkind, das nur die Statue schauspielert, damit du zu ihm rein kommst, mit ihm spielst und er dich mit Haut und Haaren fressen kann.“
„Hahaha! Der kann bestimmt auch durch das Spiegelglas sehen und hat mich jetzt zum Fressen gern, weil ich so gut aussehe“, sagte sie sarkastisch und imitierte dann mit verzerrter Stimme einen hysterischen Teenie. „Der Kerl ist ein außerirdischer Tintenfisch und will mich fressen! Iiiiiiiiiiih!“
Dann sah sie wieder zu dem Typen hinein.
„Hat ein erwachsener Mann und Polizist keine bessere Theorie? Außerdem ist das keine Möglichkeit, die eine Quote von eins zu einer Million verdient. Damit du’s weißt.“
Ihr Blick fiel auf die Füße des Penners, die in alten Badelatschen steckten und sie konnte nicht erkennen, ob das dunkle an seinen Füßen Socken waren.
„Weißt du was? Ich geh da jetzt rein und frag ihn einfach, was er ist. Vielleicht sagt er es mir, wenn ich ihm im Gegenzug etwas biete“, lächelte sie und drückte ihren Oberkörper heraus, damit sich ihre Brüste besser durch das Hemd abzeichneten.
Er schaute ihr direkt auf die Brust und fragte sich, was das für zwei erhabene Punkte mitten auf den beiden kleinen Wölbungen waren.
„Mach das.“
„He, glotz nicht so, du hast mich schon öfter gesehen und mir auf die Brüste geschaut.“
„Nein“, sagte Paul ohne Empfindung in der Stimme.
Sie schüttelte verständnislos den Kopf und ging mit gekonnt schwingenden Hüften los. Er sah ihr nicht auf den Hintern, sondern gespannt durch das Glas zu dem Penner.

Pamela trat in den Raum, stellte sich vor den heruntergekommenen Typen und versuchte, die Botschaften aus ihrer Nase zu ignorieren. Sie beugte ihren Oberkörper vor.
„Wir fragen uns, was Sie sind und haben da eine Theorie: Sie sind ein verkleideter Tintenfisch, der sich einen Spaß mit uns macht. Und Sie wollen mich fressen“
Der Penner bewegte zum sich zum ersten Mal, hob den Kopf und sah ihr mit funkelnden braunen Augen ins Gesicht.

Als Fzztr den Verhörraum betrat, war Rccktr schon beinahe fertig. Mit dem Mantel in seinen enzianblauen Tentakeln wischte er nur noch hier und da die letzten Spritzer Pamela am Boden auf.
„Sie hat es erraten“, grinste Fzztr.
Rccktr sah ihn mit seinem Stirnauge an.
„Dein Alter machte ihr Probleme. Sie war ziemlich kreativ, hat auch alles zusammen gehabt, aber die rettende Kombination hat sie aus den Einzelteilen nicht zusammenfügen können.“
„Wie das?“
„Sie hat geraten“, lachte Fzztr.
„Wahnsinn. Eins zu einer Million, und sie hat es beinahe geschafft. Nur durch raten.“
"Wenn sie es geschafft hätte, hättest du sie weiterleben lassen?"
"Nö."
Sie sahen sich an und keiner sagte etwas, bis Fzztr sichtlich nervös zappelte und das Schweigen brach.
„Die Aliens hier sind so schreckhaft. Ich würd’ gern länger mit ihnen spielen. Aber sie sind ganz phantasielos. Hier ist es fast so langweilig. Wie zu Hause. Ich will hier weg.“
„Ich finde sie interessant. Wir müssen doch erst in ein paar Umdrehungen dieses Planeten zurück sein. Komm schon. Sei nicht so.“ Fzztr sah ihn bittend an.
„Was ist so toll an denen? Wenn sie uns sehen, kriegen sie große Augen, irgendetwas in ihren knochigen Körpern hört auf zu funktionieren und sie kippen tot um. Ich find es langweilig hier“, maulte Rccktr und verwandelte sich in den Körper einer kürzlich verstorbenen Polizistin.
„Ich will nicht zurück auf Papas. Außerdem hast du mich nicht probieren lassen“, quengelte Fzztr. Er ergründete das Geheimnis der beiden hervorstehenden Punkte, während er sprach und Rccktr ihn reglos aus dem nackten Pamelakörper ansah.
Dann nickte Rccktr.
„Meinetwegen. Die hier war zarter als der, dem der Mantel gehört hat und fetter als dieser Paul. Wir sollten uns auf die Sorte mit den Wölbungen konzentrieren.“
„Brüste.“
„Häh?“
„Sie hat Brüste zu ihren Wölbungen gesagt.“
„Von mir aus“, seufzte Rccktr und wies dann seinen Bruder an: „Wir verschwinden hier. Hör mit den Störstrahlen für die Kamera und die Mikrofone auf. Und vergiss den Mantel nicht. Wir gehen uns einen anderen zum Spielen suchen.“
Er begann, Pamelas Uniform anzuziehen.

 

Hi zusammen,

ich wollte mal was mit Aliens machen und die gute, alte Idee mit " ... hat eine Chance von eins zu einer Million, aber ... " ausprobieren.
Was meint ihr dazu?

CU,
Teja

 

Hehe. Gar nicht mal unkomisch. Harmlos, aber nett. Recht sauber geschrieben, leider natürlich ziemlich durchschaubar - wegen des Titels und der Tatsache, dass die Story in dieser Rubrik steht :D

Deine bisher beste Geschichte hier bisher, soviel ist klar.

Setz Dich nochmal dran und mach die Dialoge knackiger.

 

Hallo Teja,

ich fands auch ganz amüsant. Schade eigentlich, dass Titel und Rubrik die Lösung voraus schicken. Hier bietet das natürlich wenig Erstaunen.
Vielleicht kannst du das umgehen, indem du die kg in sonstige einstellst. Denn mal abgesehen davon, dass Aliens auftauchen, passiert hier ja nicht viel sci-fi-mäßiges.
Dann zum Thema Dialoge. Da könntest du tatsächlich noch etwas nachbessern. Mir sind besonders die vielen Redebegleitsätze aufgefallen. Das ist in meinen Augen zuviel des Guten. Zu erklärend, so als seist du dir über die Wirkung des Gesagten selbst nciht so sicher. Da würde ich nochmal straffen.
Der letzte Teil mit der Umkehr der Perspektive ist ebenfalls zu lang. Da wird zuviel Geschwafelt und nichts gesagt. Soviel blabla wäre gerechtfertigt, wenn noch ein zweiter Aha-Effekt auftreten würde. Kommt ja aber nicht.

Dennoch, mit einem Grinsen gelesen

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi zusammen,

vielen Dank für eure Meinung.

Setz Dich nochmal dran und mach die Dialoge knackiger.
Zu erklärend, so als seist du dir über die Wirkung des Gesagten selbst nciht so sicher.
Okay, hab verstanden was ihr meint. Also werd ich am WE hingehen und die Dialoge knackiger machen und die Redebegleitsätze beschneiden. Ich denke, da habt ihr beide recht.

Hm, dass Titel und Rubrik die Lösung vorausschicken ist nicht beabsichtigt, aber wohl unvermeidbar.
Trotzdem ließe ich sie gerne hier. Die Idee und der Titel kam mir beim lesen eines Aufsatzes von Bruce Sterling, über Anfängerfehler in der SF, der John Kessel zitiert:
"... by anticipating the reader's objections, the author had somehow answered them. "I would never have believed it, if I hadn't seen it myself!" "It was one of those amazing coincidences that can only take place in real life!" "It's a one-in-a-million chance, but it's so crazy it just might work!" Surprisingly common, especially in SF."
Da wollt ich diesen Fehler doch auch mal machen.

Und:

Hehe. Gar nicht mal unkomisch. Harmlos, aber nett.
Deine bisher beste Geschichte hier bisher, soviel ist klar.
Dennoch, mit einem Grinsen gelesen

Danke.
Ich grinse auch gerade.
Über alle vier Backen.

CU,
Teja

 

Hallo Teja!

Meinen Humorgeschmack hat es nicht wirklich getroffen. Das mit den Wahrscheinlichkeiten finde ich irgendwie ... ja, wie eigentlich? ... nicht so wirklich spannend, eher unnötig albern. Und das Ende ist zu lang, finde ich. :)
Ganz gut geschrieben ist es, da schließe ich mich an, leider nicht so mein Fall. :)

Beste Grüße

Nothlia

 

Hi Nothlia,

sorry, aber lieber spät als nie. (Ja, weiß, ist abgedroschen)

Das mit den Wahrscheinlichkeiten finde ich irgendwie ... ja, wie eigentlich? ... nicht so wirklich spannend, eher unnötig albern.
Jepp, stimme dir da voll zu. War aber gewollt albern. Und dass ich mit dem zusammenbasteln keine Spannung erzeuge, war mir klar. Aber ich bin waqhnsinnig froh, dass noch niemand gesagt hat, die Geschichte sei langweilig.

Und das Ende ist zu lang, finde ich.
Stimmt.

Ganz gut geschrieben ist es, da schließe ich mich an, leider nicht so mein Fall.
Schade, aber Humor ist so ne Sache, ne? Der eine lacht schallend über etwas, was einem anderen kein Grinsen entlockt.
Auf jeden Fall danke für Deine Meinung und dein kleines Lob. Hab mich gefreut.

Ich wünsch dir was.

CU,
Teja

 

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