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Eins mit der Band
Der Wind weht so kalt, dass die Knochen unter der Kleidung zu gefrieren drohen. Wie Messer schneidet die kalte Brise ins Fleisch, doch ich merke es kaum.
Der Mond scheint hell über den Köpfen der Wartenden, die Luft ist von gespanntem Murmeln erfüllt.
Dann endlich, öffnen sich die Tore und die Massen strömen der Musik entgegen. Vor Minuten waren die Klänge des letzten Soundchecks nach draussen gedrungen und leuchtende Augen blitzen in der grossen Halle. Die freudige Erregung ist zu spüren, die Luft knistert vor Vorfreude.
Und dann die ersten Töne. Die Menge tobt, ich stehe ganz vorne und genieße das Brummen der Boxen, die Gitarrenklänge, die in meinen Ohren dröhnen. Ich spüre wie mein Trommelfell erzittert, merke wie die Vibration der Bässe in meinen Körper übergeht.
Die Lieder überrollen uns wie ein Meer aus Gold. Wir lauschen den Geschichten, die der Sänger erzählt und versinken in den Melodien der Gitarren.
Wie eine Droge greift die Musik um sich, donnernd und berauschend erhebt sich die Stimme der Menge, als der eine Song angestimmt wird. Der eine, auf den alle gewartet haben.
Die Band spielt weiter, der Sänger schweigt, lauscht dem eigenen Text, der aus den 1000 Mündern wie aus einem hallt. Er badet in den Stimmen, im Jubel, in der ekstatischen Menge, lauscht ihren Worten und ich kann sehen wie er dem Rausch verfällt.
"Gleich beginnt er zu Schweben", denke ich, kurz bevor er in den Gesang einstimmt. Zusammen singen wir den einen Song. Inzwischen sind wir eins mit der Band, schwimmen auf der selben Woge des goldenen Meeres und erliegen dem Rausch der Hingabe.
Wir geben alles, heizen uns gegenseitig immer weiter an und es fällt schwer wieder loszulassen.
Völlige Erschöpfung zwingt uns schließlich zum Abschied. Die letzte Zugabe hat die letzte Kraft gekostet.
Trotzdem möchte ich zerspringen vor Glück. Die Musik sitzt tief, noch immer sind wir eins mit der Band, als wir aus der Halle strömen. Einer der schönsten Abende meines Lebens. Nicht das erste Konzert, aber völlige Hingabe, völlige Einheit.
"Nur geträumt?" denke ich am nächsten Morgen und erschrecke, doch noch immer halte ich das Plektron in der Hand. Wir waren eins mit der Band.