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Eins Live

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20.06.2007
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Eins Live

ENDLICH Sommer.

Die Sonne kitzelt meine Nase. Ich atme tief und vollständig den Hurricane-Geruch.

Festivalgeruch. Ein Duft wie ein Versprechen, besonders am ersten Tag. Man riecht irgendwie nicht nur, was da wirklich zu riechen ist, sondern auch was da bald sein wird. Die Erwartung umspielt sanft und fast unmerklich den Geruch von frisch gemähtem Gras, Bratwurstgrillfeuer, Sonnencreme und entfernt... Räucherstäbchen (vielleicht aus einem der Stände mit den komischen bunten Armbändern).

Die Erwartung liegt wie ein Vibrieren in der Luft und lässt den Boden fast unmerklich erzittern.

Ich zittere genussvoll mit – ebenfalls unmerklich.

Das Gras ist hier auf dem Platz vor der Hauptbühne schon ganz zertreten, aber alles ist trocken und noch liegt kein Durcheinander aus Flyern, Give-Aways, Trinkbechern und Unrat herum. Der jungfräuliche erste Abend eben.
Die Sonne steht ganz schräg. Sie hat jetzt noch ein kleines bisschen Wärme, aber der Nachmittag ist schon fast Abend.

„Dennis! Jetzt komm trink aus! Die fangen gleich an und wir müssen uns noch nach vorne durchdrängeln...“
Ich öffne meine Augen, setze den Becher an und trinke in großen Schlucken. Dann rufe ich zurück

„Komme...!“

Wenige Augenblicke später sind wir schon unterwegs. Markus und Sharif laufen vor mir mit schnellen Schritten, und ich folge, durch die nach vorne dichter werdende Menschenmenge, ein klein wenig betäubt. Lächelnd.

Ganz vorne meckern ein paar Leute während wir uns vorbeiquetschten, aber keiner ist wirklich ernsthaft aggressiv. Ich fühle mich auch einfach total friedlich. Ich hätte es kaum bemerkt, geschweige denn reagiert, wäre mir jemand entgegentreten.
Dann stehen wir vor der Bühne an der Absperrung. Ich lege meine Hand auf das Metall und sehe mich nach Sharif und Markus um.

Dann sehe ich sie.

Sie steht etwa zwei oder drei Meter rechts von mir. Fast so groß wie ich. Wilde dunkelbraune Mähne und rote Lippen. Das schwarze Trägerhemd ist grade soweit ausgeschnitten, dass man den Ansatz ihrer Brüste darunter erahnen kann. Ihre Haut sieht zart aus, sehr blass, fast durchscheinend. Sie hält sich aufrecht. Nicht mit rundem Rücken und hängendem Kopf, wie um sich klein zu machen. Das sieht man sonst häufiger mal bei Mädchen die größer sind als die meisten Jungs.
All dass denke ich in der kurzen Zeit, die sie braucht um den Kopf zu drehen und mich anzusehen. Dann denke ich nicht mehr.

Ich weiß nicht, was es ist, aber ich will sie sofort. Von diesem kleinen Moment an, als sich unsere Blicke treffen, weiß ich es.

Wir sehen uns nur ganz kurz an. Dann lächelt sie. Ein schüchternes Lächeln ohne Verheißung, aber auch ohne Ablehnung. Dann dreht sie den Kopf und sagt etwas zu ihrer Freundin, die neben ihr am Gitter steht. Ich sehe sie weiter an, hoffe dass sie sich wieder zu mir dreht, aber sie kramt in ihrer Tasche. Das Blut rauscht in meinen Ohren (bin ich betrunken? Kann nicht sein….)

„Dennis! Mein Gott…..Schnarchnase! Was stehst ’n hier rum? Komm!!“
Das ist Sharifs Stimme in meinem Ohr. Er zerrt an meinem Oberarm, und widerwillig drehe ich mich zu ihm um.

„Was?“

„Wie meinst du das ‚Was?’ – komm mit! Die Andern sind da vorn….“

Er zieht mich mit sich durch die deutlich dichter werdende Menschenmenge, etwas weiter links bleiben wir stehen. Dann entdecken uns die Jungs.

Ich gebe mir Mühe nicht die ganze Zeit den Kopf zu drehen, um ihre braunen Locken irgendwo zu entdecken. Es hilft nichts…sie ist verschwunden.

Ich habe kaum Zeit alle zu begrüßen, die Killers kommen auf die Bühne und sehr schnell entsteht ein ziemliches Gedränge. Ich schaffe es trotzdem an der Absperrung zu bleiben, aber das erfordert jetzt ziemliche Konzentration. Das Gefühl in dieser Menge zu stehen ist immer wieder der Wahnsinn. Ich bin einfach happy… volltrunken von der Erwartung auf ein geniales Wochenende. Wir rocken alle, springen, schreien die Texte mit. Und für ein paar Momente hatte ich sie vergessen, aber plötzlich in dieser Menge, voll übersprudelnden Glücksgefühlen ..ist sie plötzlich wieder da, direkt neben mir. Springt, schreit, tanzt wie alle anderen.

Ich kann fast nichts machen, die Menge schiebt uns zusammen. Ich fühle ihre Nähe an meiner gesamten rechten Seite. Mist, denke ich, sie wird mich für’n Grabscher halten, oder so was… Ich versuche mich von ihr fernzuhalten, geht aber natürlich nicht. Der ‚Erfolg’ meiner Verrenkungen ist, dass ich jetzt direkt hinter ihr stehe, ihr Haar kitzelt meine Nase.

Das geht so nicht! Ich will weg, aber ich will nicht weg.

Die Killers singen weiter und ich bin jetzt wie hypnotisiert. Ihre Haut sieht aus so kurzer Entfernung noch weicher aus. Ich höre die Musik nur noch mit einem Ohr, eine innere Stimme sagt mir, dass ich das Weite suchen sollte, bevor ich mich total blamiere mit meiner Gafferei. Merkt sie, dass ich hinter ihr stehe? Trotzdem fühle ich den Drang irgendwas zu tun, sonst wird sie irgendwann einfach weg sein… sie ansprechen? Anschreien wäre das wohl eher. Bei dem Lärm wohl kaum… Ich muss was machen! Irgendwas. Was bloß?

--

Am nächsten Morgen, als ich sehr verkatert in meinem Zelt aufwache, fällt es mir sofort wieder ein. Das war das Dämlichste, …ich betone, das D-ü-m-m-s-t-e was ich hätte machen können!

Idiot!!!!!

Es wird wohl eine von diesen Erinnerungen werden. Die wenn das Bewusstsein sie streift, so ein kleines Zusammenkrümmen in einem erzeugt.

Fuck, denke ich. Fuck, fuck, fuck. Mir tut der Kopf weh.

Ich rede mit keinem der Jungs drüber, ich kann mich irgendwie ihrem wohlwollenden Spott noch nicht stellen, noch nicht zugeben dass ich’s verbockt hab…ich hab sie danach nicht mehr gesehen, bin sofort abgehauen. Dann anders überlegt wieder zurück an die Stelle gedrängelt, aber da war sie weg.

Verdammt!

Das restliche Wochenende vergeht ziemlich schnell. Es ist natürlich super, aber immer wenn mir die Sache wieder einfällt muss ich mich innerlich in den Hintern treten. IDIOT!!!! Dabei hat sie mich echt angesehen. Richtig angesehen. Mit diesem speziellen Blick. Nicht schüchtern, nicht einladend, irgendwas dazwischen.

Neugierig, aber nicht herausfordernd…ich weiß nicht. Immer wenn man sich nicht getraut hat - oder es verbockt hat denkt man hinterher. Das wärs bestimmt gewesen. Und was wir für ein super Wochenende hätten haben können - wenn ich nicht so ein Spinner wäre.

Fuck.

Auf der Rückfahrt im Auto macht jemand das Radio an. EinsLIVE am Sonntagnachmittag. Leute rufen an und erzählen, SUMMERSTORIES – irgendwie halt was man Tolles am Wochenende gemacht hat

(„Hallo ich bin der Jannis! Ich war mit meinen Kumpels am Baggersee und wir haben Dosenstechen gespielt…voll krass ey, wollte alle meine Kumpels grüssen….vor allem die Klasse 9b der Hauptschule Bad Essen!! Peace!!“).

Ich bin sogar zu abgelenkt um von dem Gequatsche genervt zu sein. Hänge meinen Gedanken nach und der Fahrtwind bläst mir die Haare in die Augen. Das Wochenende sitzt mir in den Knochen und ich werde schläfrig.

Dann ist der Song zu Ende und der Radiomoderator, spielt diesen SUMMERSTORIES Jingle.
„Und Hallooooo! Jemand ist live in der Leitung…! Julia aus Bremen, was ist deine SUMMERSTORY?“

„Ja also…hier ist Jule…“ eine unentschlossene Stimme, „ich weiß nicht so richtig, also…“

Der Moderator hilft etwas nach „Wo warst du denn dieses Wochenende?“

Wo auch immer sie war, denke ich, dass war scheinbar auch ‚lang’. Jule scheint sich aber jetzt zusammenzureißen.

„Also ich war auf dem Hurricane.“

Der Moderator ist happy. „Oh!! Na, das war bestimmt super!“

„Ja, war’s…aber mir ist da was ganz komisches passiert.“

„Was denn, Jule?“

„Also…wir waren am ersten Abend, bei den Killers ganz vorne vor der Bühne. Und dann… war da so ein Typ. Der war mir vorher schon aufgefallen. Wir haben die ganze Zeit so dicht zusammen gestanden… und ich fand den sehr interessant. Aber irgendwie haben wir nicht gesprochen! War ja auch so laut…“ Jule klingt jetzt sicherer.

„Ja und dann…?“ fragt der Moderator. Dämlicher Affe, denk ich.

„Ja dann….“ sagt Jule, „hat er mich auf die Schulter geküsst. Ganz leicht nur.“

Auf einmal tut etwas auf meiner Brust höllisch weh. Mir ist die Kippe aus dem Mund gefallen. Hastig versuche ich die Glut abzustreifen, die ungestört ein schönes Loch in mein T-Shirt brennt, aber der Rücksitz ist viel zu eng und Sharif meckert nur irgendwas auf Arabisch ohne die Augen aufzumachen.

„Das ist aber frech!“ sagt der Moderator unterdessen, „Und… warst sauer und hast ihm eine geballert?“

„Nee.“ Jule klingt als würde sie sich über sich selbst wundern. „Hab ich nicht. Ich war auch so überrascht.“

Mein neues ‚branding’ ist mir plötzlich egal. Ich sitze regungslos auf der engen Rückbank.

Man hört wie Jule tief Luft holt, dann sagt sie „Ich hab mich irgendwann umgedreht, als ich mich getraut hab. Aber da war er weg. Und ich hab das ganze Wochenende geguckt, ob ich ihn irgendwo seh…aber leider nicht! Ich wollt jetzt sagen: Wenn Du mich jetzt zufällig hörst… und…oder wenn jemand das hier hört, der Denjenigen kennt… ich würd’ mich freuen wenn du dich meldest.“

„Aaalso…“ fällt der Moderator jetzt ein, „Wenn du Derjenige bist, ruf in der EINS-live Redaktion an, und wenn du Jules T-Shirt richtig beschreibst, können wir dir ihre Telefonnummer geben! Das war’s von uns und der nächste Titel ist ‚Spaceman’ von The Killers!“

Marcus guckt in den Rückspiegel. „Ey Alter! Ich finds krass wie du nach drei Tagen Dauersaufen ohne Pennen mit so ’nem Grinsen da sitzen kannst!! Aber find ich geil, Alter… Nächstes Jahr HURRICANE ist definitiv wieder n Termin für uns oder?“

Er hält mir seine Hand nach hinten und ich schlag ein…und grinse noch etwas breiter.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Blue_Eyes,

Die Idee mit dem Radiosuchruf ist ein gutes Detail, um die Geschichte ein wenig aus der Langeweile zu holen. Das Festivalgelände als Ort des Geschehens ist nicht automatisch interessant, wenn die passenden Beschreibungen fehlen oder Dinge zu lange ausgewalzt werden.

Zum Beispiel reitest du anfangs zu sehr auf dem Geruch herum:

Die Sonne kitzelt meine Nase. Ich atme tief und vollständig den Hurricane-Geruch.

Festivalgeruch. Ein Duft wie ein Versprechen, besonders am ersten Tag. Man riecht irgendwie nicht nur, was da wirklich zu riechen ist, sondern auch was da bald sein wird. Die Erwartung umspielt sanft und fast unmerklich den Geruch von frisch gemähtem Gras, Bratwurstgrillfeuer, Sonnencreme und entfernt... Räucherstäbchen (vielleicht aus einem der Stände mit den komischen bunten Armbändern).


Übrigens fehlt da eindeutig noch der Geruch von rauchbarem Gras ;)

„Dennis! Jetzt komm trink aus! Die fangen gleich an und wir müssen uns noch nach vorne durchdrängeln...“
Ich öffne meine Augen, setze den Becher an und trinke in großen Schlucken. Dann rufe ich zurück

„Komme...!“


Diese wörtliche Rede bringt keine neue Information. Besser fände ich, das indirekt zu vormulieren, so z.B.

Ich öffne meine Augen, setze den Becher an und trinke in großen Schlucken. Dann mache ich mich auf den Weg.


Dann stehen wir vor der Bühne an der Absperrung. Ich lege meine Hand auf das Metall und sehe mich nach Sharif und Markus um.

Dann sehe ich sie.

Zweimal dann ...
Sie steht etwa zwei oder drei Meter rechts von mir. Fast so groß wie ich. Wilde dunkelbraune Mähne und rote Lippen.
Im Gequetsche von so vielen Leuten kann man auf zwei oder drei Meter Entfernung keinen mehr so genau betrachten, weil x-andere Leute dazwischenstehen.
Ihre Haut sieht zart aus, sehr blass, fast durchscheinend
.
Das wirkt dann auf mich krank und nicht anziehend.


Sie hält sich aufrecht. Nicht mit rundem Rücken und hängendem Kopf, wie um sich klein zu machen. Das sieht man sonst häufiger mal bei Mädchen die größer sind als die meisten Jungs.
Den fetten Satz finde ich ungeschickt. Besser ganz weglassen.

Ich weiß nicht, was es ist, aber ich will sie sofort. Von diesem kleinen Moment an, als sich unsere Blicke treffen, weiß ich es.
Was will der Protagonist? Sie vernaschen? An Ort und Stelle?

Ich sehe sie weiter an, hoffe dass sie sich wieder zu mir dreht, aber sie kramt in ihrer Tasche. Das Blut rauscht in meinen Ohren (bin ich betrunken? Kann nicht sein….)
Klammern weg

Ich kann fast nichts machen, die Menge schiebt uns zusammen. Ich fühle ihre Nähe an meiner gesamten rechten Seite. Mist, denke ich, sie wird mich für’n Grabscher halten, oder so was…
Wieso denn Grabscher? Bei einem Konzert ist Körperkontakt doch normal ...

Das geht so nicht! Ich will weg, aber ich will nicht weg.

Aha! Nee, der Satz geht so wirklich nicht ;) Ich weiß zwar, was du damit sagen willst, aber das kann man auch anders formulieren.

Ich muss was machen! Irgendwas. Was bloß?

--

Am nächsten Morgen, als ich sehr verkatert in meinem Zelt aufwache, fällt es mir sofort wieder ein. Das war das Dämlichste, …ich betone, das D-ü-m-m-s-t-e was ich hätte machen können!


Hier spätestens muss stehen, WAS passiert ist. Besser jedoch wäre, das nicht im Nachhinein zu beschreiben, sondern in der Situation zu bleiben. Das würde Spannung bringen, du jedoch "nervst" mit endlosen Absätzen:


Idiot!!!!!

Es wird wohl eine von diesen Erinnerungen werden. Die wenn das Bewusstsein sie streift, so ein kleines Zusammenkrümmen in einem erzeugt.

Fuck, denke ich. Fuck, fuck, fuck. Mir tut der Kopf weh.

Ich rede mit keinem der Jungs drüber, ich kann mich irgendwie ihrem wohlwollenden Spott noch nicht stellen, noch nicht zugeben dass ich’s verbockt hab…ich hab sie danach nicht mehr gesehen, bin sofort abgehauen. Dann anders überlegt wieder zurück an die Stelle gedrängelt, aber da war sie weg.

Verdammt!

Das restliche Wochenende vergeht ziemlich schnell. Es ist natürlich super, aber immer wenn mir die Sache wieder einfällt muss ich mich innerlich in den Hintern treten. IDIOT!!!! Dabei hat sie mich echt angesehen. Richtig angesehen. Mit diesem speziellen Blick. Nicht schüchtern, nicht einladend, irgendwas dazwischen.

Neugierig, aber nicht herausfordernd…ich weiß nicht. Immer wenn man sich nicht getraut hat - oder es verbockt hat denkt man hinterher. Das wärs bestimmt gewesen. Und was wir für ein super Wochenende hätten haben können - wenn ich nicht so ein Spinner wäre.

Fuck.


Das oben zitierte würde ich alles streichen. Da komme ich mir als Leser verschaukelt vor - da wird ewig über einen Fehler lamentiert und ich komme nicht mit, weil ich nicht weiß, um was es geht. Wenn du den Kuss beschreibst, ist das auch nicht mehr nötig. Wobei man sich fragen muss, was denn so tragisch daran ist ...


(„Hallo ich bin der Jannis! Ich war mit meinen Kumpels am Baggersee und wir haben Dosenstechen gespielt…voll krass ey, wollte alle meine Kumpels grüssen….vor allem die Klasse 9b der Hauptschule Bad Essen!! Peace!!“).

Klammer weg

Trotz der vielen Kritik finde ich, dass es eine nettee Sommer-Sonne-Musik-Geschichte werden könnte, wenn du die Struktur eben änderst und die wichtige Sache, den Kuss, beschreibst. Und zwar in der gleichen Länge und Intensität, mit der du auch anderes - unwichtigere - beschrieben hast.

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe Bernadette,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Ich denke, es ist in jedem Fall deutlich erkennbar was für eine Geschichte du gerne gelesen hättest... :o)

Die Pointe war eigentlich anders gedacht, aber wenn das nicht klar wird muss ich wohl noch mal dran!

Lg und Dank,

Blue_Eyes

 

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