Einmal Amerika und zurück
Kann man jemanden über Facebook kennen und „lieben“ lernen?
Natürlich kann man das. Man kann ins Schwärmen geraten, wenn man mit dem Anderen schreibt. Man kann beginnen, das geöffnete Chatfenster zu vermissen; den grünen Punkt rechts neben dem Namen. Kann man alles. Es gibt viele Beziehungen, die auf diesem Weg entstanden sind. Auch über lange Strecken.
Aber geht das auch über den großen Teich hinweg? Kann das funktionieren zwischen Deutschland und Amerika? Kann man davon ausgehen, dass daraus mehr wird? Gibt es jemanden, der so verrückt ist und sagt: "Ok, ich will es einfach wissen. Ich flieg' da jetzt rüber. "
Zwölf Stunden, um jemanden zu treffen, den man aus dem Chat oder vom Telefon kennt. Von dem man nur ein Foto hat und mehr nicht? Tja, den gibt es wohl. Mich. Und heute geht es los.
Ich bin sehr nervös. Habe mein Auto erst mal in einen Acker gesetzt, weil ich dort eine Straße vermutete, die sich aber schon immer hundert Meter entfernt befand. Mein Nachbar muss mich dann peinlicherweise rausziehen. Schlechtes Omen.
Eigentlich fühle ich mich die ganz Zeit elend und permanent am weinen. Intelligenter Weise habe ich aber vormittags schon eingecheckt und die Fluggesellschaft ist telefonisch nicht mehr erreichbar. Ich muss also anrufen, wenn der Schalter aufmacht. Und während ich darüber nachdenke, wie ich das mit dem Stornieren mache, packe ich meinen Koffer weiter. Ich beschließe, wenn das alles nicht sein soll, dann wird es nicht passieren.
Die nächste Überraschung. Ich bekomme eine Nachricht vom Hotel, dass Los Angeles nicht nur einen Airport hat, sondern gleich vier. Das bedeutet, die holen mich nicht dort ab, wo ich lande. Toll, noch ein schlechtes Omen. Während ich trotzdem weiterpacke, heule ich Mr. Amerika auch noch die Ohren voll. Der muss mich hassen.
Und weil ich ja nicht fahren will, schleppe ich meinen Koffer dann um fünf Uhr morgens zum Auto. Eingecheckt habe ich ja schon, es reicht also, wenn ich um sechs da bin. Ich beschließe, vor Ort die Reise dann zu canceln.
Ich fahre los. Erst die A1, dann die A3 immer den Zeichen mit dem Flugzeug nach. Und so gegen halb sechs offenbart sich dann auch der Name des Flughafens, in dessen Richtung ich unterwegs bin. Köln / Bonn. Das Problem an der Sache: Ich fliege ab Düsseldorf(!) und bin also auf dem vollkommen falschen Weg. Das nenn' ich mal richtig orientierungslos, gedanklich wie auch örtlich.
Ich mache also doch mal das Navi an (noch nie hatte ich mir so sehr ein Navi für mein Leben gewünscht wie damals). Ich war so sicher, dass ich den Weg kenne, dass ich es ausgelassen hatte. Das Navi sagt: 40 Minuten bis Düsseldorf.
Ich gebe also Gas und der Blick auf meine Tankanzeige sagt: "Puh das könnte knapp werden". Nicht, dass ich nicht gewusst hätte, dass ich nur noch sehr wenig Benzin habe, aber ich wollte ja eigentlich gar nicht losfahren. Von daher habe ich diese Notwendigkeit vollkommen ausgeblendet. Zeit zum Tanken habe ich jetzt aber nicht mehr.
Wie durch ein Wunder komme ich irgendwie in Düsseldorf an. In einer Rekordzeit, und in dem Moment, als ich das Gelände befahre, springt auch die Tankanzeige an. Gutes Omen.
Was mir allerdings fehlt ist die Zeit, jetzt noch das Supersaver Langzeitparkhaus zu finden. Also stehe ich nur auf normal Langzeit, schnappe mir meinen Koffer und renne los (ob ich das Auto überhaupt abgeschlossen habe?) und suche verzweifelt das Terminal. Überall nur Parkhäuser. Düsseldorf besteht wohl nur aus Parkhäusern. Das sich über mir direkt die Stramin befindet realisiere ich gar nicht. Umherirren, verzweifelt nach dem Weg fragen ist ja auch viel spannender.
Und eines der vielen Gebäude ist dann doch endlich das Terminal. Ich renne rein. Inzwischen ist es kurz vor halb sieben, und ich schaue bei der Airline vorbei. Da sitzt noch wer. Logisch, dass ich erst mal wieder raus gehe. Rauchen, kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen und immer noch nicht wissen was ich machen soll. Mit Glück sitzen die da gleich nicht mehr. Dann kann ich mein Gepäck leider nicht mehr aufgeben.
Ich habe Pech. Die sind noch da und ich gebe tatsächlich mein Gepäck auf. Immerhin hat die Dame von der Airline Spaß. „Sie hatten um dieser Uhrzeit doch keinen Stau, oder?" Ne kein Stau. Bin nur zum falschen Flughafen gefahren. Mehr nicht.
"Du kannst immer noch umkehren", denke ich mir, als ich die ganzen Procedere der Sicherheitskontrolle durchlaufe, aber meine Beine und Füße gehorchen mir nicht. Die laufen weiter Richtung Gate und es interessiert sie nicht, was mein Kopf gerne möchte. Ihr nächstes Ziel: Check In. We are ready for boarding.
Der Flieger hebt ab. Mit mir an Bord. Auf dem Weg, Mr Unbekannt zu treffen.