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einfach losgelassen

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02.07.2001
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einfach losgelassen

Ich hab dann einfach losgelassen. Der Ast waere sowieso innerhalb der naechsten Minuten zerbrochen. Wenn mein Gewicht den Saft aus den entscheidenden Zellen gepresst haette, waeren diese gerissen, das haette andere beeinflusst und dann waere der Ast gebrochen. Geknackt hatte es schon ein paar Mal, aufgesprungen war die Rinde schon, nur eine Frage der Zeit also, bis auch das feste innere Holz nachgegeben haette.
Ich hab dann einfach losgelassen. Das hiess, dass ich fiel. Hinunter. Die meisten Dinge auf dieser Welt fallen - wenn sie fallen - hinunter. So auch ich. Im Fallen versuchte ich mich zu erinnern, wie ich auf den Ast gekommen war. Naheliegend erschien mir, dass ich auf einen Baum geklettert sei. Aber eine derartige Information war in meinem Gedaechtnis nicht vorhanden. Ich war auf keinen Baum geklettert. Nicht, dass ich wuesste, nein. Also - und das war Moeglichkeit Nummer zwei, auf die ich kam, als ich fiel - also musste ich schon immer auf diesem Ast gesessen haben. Bingo! Nur so konnte es sein. Ich hatte schon immer auf diesem Ast gesessen. Und dann - im Fallen kam die Erinnerung zurueck - hatte ich mich eines Tages dort gelangweilt. Es war gerade Winter. Keine Blaetter da. Keine kleinen Ameisen oder putzigen Raupen. Nichts los auf dem Ast. Und da hab ich dann gedacht - der Gedanke schien mir etwas absurd, wie ich da so fiel - da hatte ich gedacht, dass ich einfach keine Lust mehr haette. Auf den Ast und auf mich und auf das Warten auf den Fruehling und die Ameisen. Ich wollte nicht mehr. Und da kletterte ich etwas nach vorn, wo der Ast duenner wird, klammerte mich an ihm fest, stieg hinunter und hing ploetzlich nur noch mit beiden Armen an ihm. Einfach so. Ich hatte das noch nie vorher gemacht. Das mit dem keine Lust und so hatte ich mir auch noch gar nicht so lange ueberlegt. Es kam mir in den Sinn und da kroch ich schon vorwaerts. Es wurde mir richtig bewusst, da hing ich schon. Ich sprach es laut aus und da liess ich auch schon los. Nun falle ich. Hinunter.

Hab mal gehoert, es sei wichtig, loszulassen. Wichtig, damit man faellt? Wichtig, damit man fliegen lernt? Noch hab ich keine Federn, ist der Boden schon so nah. Aber Lust, Lust habe ich wieder. Auf meinen Ast, auf die Ameisen, auf das Warten und den Fruehling.

 

Einfach herrlich. Super Idee und super Schreibe. Mehr davon!

 

Hallo Weltentochter.

Hab gerade deine Veröffentlichung gelesen und muß sagen, dass es mir schon gefallen hat. Die Idee Loslassen so darzustellen gefällt mir gut, schön ist auch der Überraschungsmoment, in dem man erfährt, daß der Ich-Erzähler schon immer auf diesem Ast gesessen hat.

Leider fand ich, das du mit einigen flapsigen Sätzen die schöne und nachdenkliche Atmosphäre deiner Story an den Rand der Zerstörung getrieben hast(aber ein Glück nur an den Rand :) ).
Die Sätze "Keine Blätter da" und "Nichts los auf dem Ast" sind mir dabei besonders aufgefallen. An deiner Stelle würde ich versuchen diese Beschreibungen ein wenig auszubauen.

Trotzdem eine schöne Umsetzung der "Loslassen-Problematik".

So long

Signore Salami

 

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