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Eines grauen Nachmittags
Der Junge stand auf dem Bürgersteig an der Bushaltestelle und starrte grimmig in den Himmel. Es war ein später Nachmittag, in den graue Wolken tief hinein hingen. Dem Jungen war gerade klar geworden, dass es für ihn keinen Gott gab. Er war wütend. Er wusste nicht, was er machen sollte. Er hatte eigentlich zum Klavierunterricht fahren wollen. Aber welchen Wert hatte das nun? Also ging der Junge weg von der Bushaltestelle. Beim Spazieren konnte er besser nachdenken.
Er ging den Bürgersteig entlang und trat missmutig nach Kieseln, die da lagen. Er versuchte sich auszumalen, was eine Welt ohne Gott wäre. Der mächtige Verlust hinterließ nur eine tiefe Leere. Der Junge setzte einen Fuß vor den anderen, und füllte damit langsam das Nichts. Er ging Richtung Fluß. Der Anblick des scheinbar ewig konstant fließenden Wassers beruhigte ihn. Sich seiner Endlichkeit erinnernd erzürnte der Junge jedoch und schüttelte seine Faust gen Himmel, schüttelte sie gen Fluß, schüttelte sie weiter, bis er nicht mehr wusste wogegen. Er trat einen besonders großen Kiesel mit ganz besonderer Wucht. Er sah ihm nach, wie er seinen Bogen mit einem Platschen im Fluß beendete, sah den Wellenringen nach, die die Existenz des Steines noch nach seinem Verschwinden weitertrugen. Er schaute, wie die Wellenringe immer weniger wurden, wie sie auf die Ufer trafen, kaum merklich mehr Nässe hinterließen als der Strom, und keine andere Nässe, als alle anderen Wellen. Er schaute, wie die Wellen und irgendwann auch die Nässe verschwanden. Tränen tropften aus seinen traurigen Augen. Könnte er doch ewig leben oder gäbe es wenigstens einen Gott, der ihm einen Sinn vorgegeben hätte. Die Tränen rannen ihm über die Wangen und tropften auf die Erde, hinterließen kleine Einschläge im Staub, vermischten sich mit dem grauen Sand des Pfades. Der Junge fühlte sich verloren und wusste nicht, was er machen sollte. Irgendwann gingen ihm die Tränen aus und er blickte mit stumpf brennendem Blick den Weg entlang.
Eine Familie kam ihm entgegen, zwei Eltern mit ihren drei Kindern. Der Vater hatte sich das Töchterchen auf die Schultern gesetzt, während der Sohn neben ihm auf und ab hüpfte, dabei stets seine Hand in der Hand des Vaters. Durch eine Zahnlücke versuchte er eine Melodie zu pfeifen, wie ihm sein Vater sie vormachte. Das Töchterchen flechtete derweil mit ihren Händchen einen Kranz aus Gänseblümchen. Man hatte ihr einen Strohhut aufgesetzt, um sie vor der Sonne zu schützen. Man sah nicht vielmehr als ihre Nasenspitze vorlugen. Die Mutter schob einen Kinderwagen und gurrte Laute hinein. Beide Erwachsenen wirkten zufrieden, so wie sie beisammen mit ihren Kindern am Fluss spazierten. Der Anblick spendete dem Jungen ein wenig Trost. Nachdenklich ging er nach Hause.