Was ist neu

Einen Tag später

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22.03.2001
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Einen Tag später

Spätestens jetzt, als er hier vor einer verschlossenen Tür stand, wurde Markus klar daß hier irgendetwas nicht stimmte. Es war sowieso nur ein Gelegenheitsjob, aber daß es schon am zweiten Tag solche Schwierigkeiten gab war schon seltsam. Ja, er hatte dann auch bei der Firma angerufen, außer dem Anrufbeantworter hat aber niemand abgehoben.

Markus stand allein im ersten Stock eines Stiegenhauses irgendwo in Wien. Es war still, außer leisem Blätterrauschen durch ein geöffnetes Gangfenster war nicht viel zu hören. Na toll, er war extra so schnell hergehetzt weil er wieder einmal zu knapp weggegangen ist und dann das.

Es war ruhig, verdächtig ruhig. Auch in den ziemlich genau zwölf Minuten die er heute mit dem Fahrrad unterwegs war ist ihm nicht ein einziges Auto entgegengekommen und auch keine Straßenbahn. Doch, eine, aber bei der wunderte sich Markus warum sie die ganze Zeit nicht aus der Station fuhr. Er ist auch dreimal völlig unnötig an roten Ampeln gestanden, das passiert sonst höchstens bei denen die sie auch mitten in der Nacht nicht abdrehen und wo die Leute dann sowieso nach kurzem Stehenbleiben weitergehen. Wenn er es sich recht überlegte so waren auch die Gehsteige völlig leer.

Markus läutete noch ein letztes Mal an der Tür, wartete eine halbe Minute, klopfte dann ein paarmal an, wartete wieder etwas und ging dann einfach die Treppen hinunter. Was solls, es war ja sowieso nur irgendeine Drecksarbeit die er schon wieder aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte.

Er ging wieder hinunter auf die Straße durch die ein leichter Windhauch wehte und sah sich um. Schräg gegenüber war eine Bäckerei die einladend genug aussah um dort gleich etwas fürs morgige Frühstück zu kaufen.

Markus betrat das kleine Geschäft. Es duftete nach frischem Gebäck, aber niemand war hier. Oft ist es ja so daß dann gleich jemand aus einem hinteren Raum kommt oder man dort jemand sieht, aber es war niemand da. Alles war in vollem Betrieb und es war so wie wenn dort draußen "Bin gleich wieder da" stehen würde, aber dort stand nichts.

Langsam überkam Markus ein wirklich sehr, sehr seltsames Gefühl. Er stand einfach so einen Moment da. Konnte es sein...? Nein, es würde sich schon alles aufklären und für Spekulationen hatte er zuhause genug Zeit. Genau dorthin wollte er erst einmal wieder zurück.

Diesmal hielt Markus nur kurz an der roten Ampel an und fuhr dann weiter. Nein, es war weit und breit keine Spur von Querverkehr. Wenn er einmal am Vormittag zuhause war dann war um diese Zeit oft schon die Post da, doch der Briefkasten war leer. Im Radio lief immer noch auf fast allen Sendern nur diese Musik-Dauerschleife aber keine Nachrichten. Um elf Uhr kamen auch keine, nur diese Schlagzeilen-Hintergrundmusik zu der aber niemand etwas vorlas.

Im Fernsehen waren entweder die üblichen Rübenraspler-Werbesendungen oder irgendwelche Serien zu sehen. Nur auf einigen Sendern schien das Bild stehengeblieben zu sein, es war nur irgendeine Texttafel zu lesen oder es war überhaupt schwarz. Naja, es ist vor ein paar Jahren schon einmal vorgekommen daß die halben Satellitenkanäle nicht funktioniert haben. Irgendwas war schon wieder irgendwo, aber was sollte es schon großartiges sein. Auch die Nachrichten im Teletext der österreichischen Sender schienen wie bei allen anderen auch seit gestern abend nicht mehr aktualisiert worden zu sein.

Am frühen Nachmittag wurde der leichte Wind dann deutlich lebhafter und die großen Bäume auf der anderen Straßenseite bogen sich langsam mit dem Luftzug. Auch die Wolken begannen sich jetzt zu verdichten, es sah so aus wie wenn vielleicht ein Gewitter aufziehen würde.

Markus hatte sich inzwischen umgesehen was noch so zum Essen im Haus war und dann irgendwann seinen Computer aufgedreht. Er hatte keine neuen E-Mails bekommen, nicht einmal Spam oder Viren. Auf Internet-Seiten wo es sonst stündlich oder noch öfter neue Meldungen gab war auch nichs zu sehen das neuer als von gestern abend war. Wenn die Seiten überhaupt aufgingen, denn viele funktionierten heute überhaupt nicht.

"Hallo?", stand in dem Chat-Fenster das sich plötzlich öffnete. Markus sah kurz in die Informationen des Gegenübers. Es war ein Student aus einer größeren Stadt in Deutschland, mit 24 etwas jünger als er. Er hatte jetzt aber nicht wirklich Lust zu chatten, schrieb noch kurz ein "später vielleicht" zurück und klickte dann das Fenster weg.

Während es draußen momentan ziemlich dunkel aussah und es leicht zu regnen begann blätterte Markus gedankenverloren in Zeitschriften herum die er gerade so zur Hand hatte. Obwohl es noch gar nicht so spät war, überkam ihn langsam aber sicher einfach so eine ziemliche Müdigkeit und ihm war danach sich erst einmal auf sein Bett zu legen.

Als Markus aufwachte war es etwas nach 21 Uhr, zumindest laut der Zeitanzeige auf seinem Handy. Er hatte einen trockenen Mund und wollte erst einmal etwas trinken. Als er das Licht einschalten wollte passierte rein garnichts. War jetzt vielleicht auch noch der Strom ausgefallen? Wie er die dunkle Treppe im Halbschlaf nach unten ging überkam ihn so etwas wie ein Horror-Gefühl, gleichzeitig fühlte er sich fast wie in einem Traum, einem Alptraum. Es war aber definitiv keiner, auch keiner von diesen wo einem bewußt ist daß man träumt.

Beim Öffnen der Kühlschranktür blieb es dunkel. Markus machte sie gleich wieder zu, und fast im gleichen Moment als sich die Dichtungen wieder berührten glaubte er zu hören wie der Kühlkreislauf wieder anlief. Ja, als er wieder die Tür öffnete leutete das Licht, auch wenn es ein bißchen flackerte. Es war irgendwann so um 22 Uhr als Markus dann wieder weiter schlief.

***

Manuel wußte momentan wirklich nicht mehr weiter. Wo sind alle plötzlich hinverschwunden, war er der letzte Mensch auf seiner Uni und in ganz Bielefeld? Oder in Osnabrück und Münster und überhaupt? War es vielleicht ein Atomschlag, ein raffinierter Plan einer fremden Macht oder ein neuer Kalter Krieg? Es war weit hergeholt, aber es war ja im Moment auch weder jemand da um das zu beantworten noch gab es konkrete Anhaltspunkte. Er hoffte daß sich wenigstens dieser Typ aus Wien wieder meldete. Manuel überlegte daß das Internet wohl in immer mehr kleinere Inseln zerfallen würde wenn nach und nach der Strom ausfällt und niemand da ist um sich um die Administration zu kümmern. Der große Knotenpunkt in Frankfurt und die Leitungen zwischen den größeren Städten schienen aber noch stabil zu laufen.

***

Es war noch nicht einmal sieben Uhr als Markus dann am nächsten Morgen aufwachte. Zusammen mit dem Nachmittagsschlaf hatte er wirklich mehr als genug geschlafen und fühlte sich auch sehr munter. Obwohl, genau deswegen war sein Zeitgefühl auch etwas durcheinander geraten. Es war ein Mittwoch irgendwann im Spätsommer 2003, obwohl es ihm eher schon wie Donnerstag vorkam. Es kam ihn in den Sinn was er letzte Nacht so geträumt hatte, nämlich zusammen mit einem Freund den er schon länger nicht gesehen hatte dieser ganzen Sache von gestern auf den Grund zu gehen. Er hatte einige Zeit nachdem er nach Hause gekommen war ja auch versucht ein, zwei gute Freunde und auch seine Eltern zu erreichen. Natürlich hatte er weder telefonisch noch im Internet irgendjemand erreicht.

Markus blickte aus dem Fenster. Auch einen Tag später sah er nur die großen Bäume auf der anderen Straßenseite deren Blätter leicht im Wind raschelten. Abgesehen von ein paar parkenden Autos war die Straße leer, niemand ging oder fuhr vorbei. Die Wolken hatten sich auch längst wieder verzogen und die grellen Sonnenstrahlen erhellten fast unwirklich die Szenerie.

Er ging Richtung Küche und Badezimmer, nachdem er den Job wohl los war brauchte er sich jetzt auch nicht besonders zu beeilen. Fast war er schon versucht den Dienstag ins Reich der Träume abzuschieben als ihn die immer noch ungewöhnlich in der Helligkeit schwankende Beleuchtung daran erinnerte daß er alles tatsächlich so erlebt hatte. Im Radio war jetzt bei immer mehr Sendern nur noch ein leerer, stiller Tonträger zu finden oder jene Frequenzen auf denen einst etwas zu hören war lieferten nur noch Rauschen.

Markus schaltete den Computer ein. Es war klar daß irgendwas mit dem Stromnetz nicht in Ordnung war und es ziemliche Spannungsschwankungen geben mußte, aber das Netzteil schien fürs erste keine Probleme damit zu haben.

Heute schien das ganze Internet noch weniger als gestern zu funktionieren. Manche Seiten öffneten sich nach einigen Minuten Wartezeit und einigen Versuchen doch noch, aber die meisten garnicht mehr. E-Mails hatte er sowieso keine bekommen. Doch auf einmal öffnete sich wieder ein Chat-Fenster.

"Hallo?!" - Es war derselbe wie gestern.
"Hallo, also du bist in Bielefeld? Wie schauts bei dir gerade so aus?" war das erste das mir einfiel.
"Hör mal, du bist der erste den ich seit 2 Tagen erreiche! Ich weiß nicht was los ist aber ich war in Münster, in Osnabrück..."

Markus lief für einen kurzen Moment ein kalter Schauer über den Rücken und er wußte sofort was gemeint war. Er erklärte Manuel was er in Wien so gesehen oder besser nicht gesehen hatte und daß er bis jetzt auch nicht schlauer war. Manuel hatte es auch nicht schwer gehabt, er hatte sich einfach alle anzeigen lassen die mit diesem Programm überhaupt online waren ohne bei der Suche besonders viel einzuschränken. Nach ein bißchen allgemeiner Plauderei faßten beide den Entschluß sich treffen zu wollen, am besten vielleicht irgendwo in der Mitte. Nur waren das immer noch hunderte Kilometer, Auto hatte Markus momentan keines zur Verfügung und Zug würde wohl auch keiner fahren.

Verdammt, und genau jetzt war auch plötzlich der Strom weg. Gerade daß sie noch etwas von morgen nachmittag und der Münchner Innenstadt erwähnt hatten, das war zwar nicht so ganz in der Mitte aber so ziemlich das erste das beiden eingefallen war.

Ein Glück daß der Tiefkühlschrank sowieso schon fast leer war, der dürfte ja schon nach dem Stromausfall in der vergangenen Nacht nicht mehr angesprungen sein. Markus nahm eine Pizza aus ihrer aufgeweichten Schachtel, und bevor er nach einem Gaskocher zu suchen begann der hier irgendwo sein mußte biß er lieber so ab. Ein Stück Karton mit Ketchup drauf mußte wohl auch so ähnlich schmecken, wenigstens schmeckte es nicht verdorben sondern einfach nur etwas fad. Er ging dann durch den kleinen Garten hinaus auf die Straße, hielt es irgendwie für unnötig abzusperren und marschierte weiter in Richtung der nahegelegenen Hütteldorfer Straße.

Sollte er wirklich einfach so zu einer größeren Reise aufbrechen? Markus war sich nicht einmal ganz sicher ob der Satz mit München noch angekommen war. Ein Fahrrad wäre in diesem Fall wohl auch nicht das Richtige um dort hinzukokmmen, das würde ja eine Woche dauern.

Die Tür des kleinen Supermarktes war offen. Eigentlich wollte er heute einkaufen gehen, aber er konnte ja gleich aus den paar Sachen die er noch zuhause hatte und die ohne Kühlung sowieso verderben würden noch irgendetwas machen. Markus ging trotzdem hinein und sah die Regalgänge im Halbdunkel daliegen. Nur an einer Stelle drang etwas Tageslicht durch ein kleines Fenster und feine Staubkörner tanzten in den grellen Sonnenstrahlen. Er nahm dann aber doch kurzerhand ein paar Sachen mit die er brauchen konnte und hielt es dann doch für richtig ein paar Euro bei der Kassa hinzulegen bevor er das Geschäft verließ.

Auf dem Rückweg bemerkte er nur ein paar Meter von seinem Haus entfernt etwas. Stand dort um die Ecke nicht so ein kleiner, schmutzig weißer Lieferwagen mit offenem Fenster?

***

Eigentlich wollte Markus schon immer einmal mit 70 über eine Kreuzung rauschen an der man um diese Zeit, so gegen Neun, wahrscheinlich ein paar Minuten im Stau stehen würde. Einen Tag später stand die Straßenbahn jetzt auch immer noch in der Haltestelle und schien auch auf die Beantwortung einer offenen Frage zu warten. Markus machte sich auch Gedanken ob es richtig war sich dieses Auto einfach so - auszuborgen, aber es stand ja auch wie bestellt mit steckendem Zündschlüssel da und wer sollte schon da sein um es zu vermissen?

Wenig später erreichte er dann die Autobahnauffahrt. Viel schneller als 120 wollte er mit der Klapperkiste lieber nicht fahren, aber ohne Staus sollte er locker am frühen Nachmittag in München sein. Ob der Typ wirklich dort auf ihn warten würde? Vielleicht sitzt er ja im Hofbräuhaus und säuft schon einmal gratis das Bier aus? Markus hätte lieber versuchen sollen ihn noch einmal zu erreichen und alles genau zu klären. Nur, er hätte ja vielleicht noch einen Generator aus einem Baumarkt auftreiben können, aber das Internet war wahrscheinlich sowieso schon lange zusammengebrochen.

Auf den Radiofrequenzen war wie zuvor höchstens Rauschen zu hören. Halt, da war doch noch etwas.

"That's great it starts with an earthquake, birds and snakes, an airplane..."

Kaum zu glauben, aber auf diesem verdammten Sender lief End of the World von REM. Ja, genau wie in diesem Film, Independece Day, bevor die Aliens angreifen und alles aus ist. Irgendwie half es jetzt etwas, die beklemmende Stimmung immer mehr zu verdrängen.

"It's the end of the world as we know it - and I feel fine..." - Markus konnte es nicht lassen den Refrain laut mitzusingen.

Als er nach einiger Zeit die Werbung für eine Raststation sah dachte er daran daß er ja noch nicht einmal etwas gefrühstückt hat. Er hatte ja praktisch nur ein paar Sachen zusammengesucht und in diesem Wagen verstaut, aber kaum ans Essen gedacht. Vielleicht waren ihm ja auch noch die Sachen von gestern etwas im Magen gelegen. Der Radiosender war inzwischen in immer mehr Störgeräuschen untergegangen.

Markus blieb irgendwo auf dem Parkplatz stehen auf dem sonst nur noch ein paar wenige Autos und ein leerer Bus standen. Eine gespenstische, unheimliche Ruhe lag über diesem Ort. Nachdem die verglaste Holztür über der in geschwungenen Buchstaben ein "Herzlich willkommen" stand abgeschlossen war zögerte er nicht lange und wollte schon versuchen die Scheibe einzutreten. Im letzten Augenblick hielt er aber doch noch inne. Er könnte sich ja ziemlich verletzen, und außerdem war er ja nicht gerade der Typ der soetwas tun würde. Als er dann aber einen Schirmständer aus Beton entdeckte holte er damit kurz etwas Schwung und ließ ihn in die Glasscheibe rauschen. Nachdem er die restlichen herunterhängenden Glasteile mit den Füßen losgetreten hatte schlüpfte Markus durch das nun ausreichend große Loch vorsichtig in den Innenraum.

Er hatte ja schon Lokale gesehen die gerade dabei waren zu schließen, wo alle schon längst gegangen waren und nur noch jemand da war um zusammenzukehren. Doch hier sah es aus wie wenn alle im vollen Betrieb plötzlich aufgestanden und gegangen wären, einige Tische sahen etwas unordentlich aus und auf einigen standen noch Teller. Der Orangensaft sah noch halbwegs frisch aus, die Brotscheiben waren zwar schon ziemlich hart aber dafür war die Marmelade recht genießbar so daß sich Markus am Buffet bediente. Er versuchte sich aber etwas zu beeilen und wollte nicht zuviel Zeit vertrödeln, außerdem hatte er hier ein bißchen Angst daß vielleicht doch plötzlich jemand auftauchen könnte. Bei Dunkelheit wäre er jedenfalls kaum hier hineingegangen und wenn dann so kurz wie möglich.

Einigermaßen gestärkt setzte er sich wieder in den Lieferwagen und startete den Motor. Hoffentlich würde das Benzin bis nach München reichen. Er passierte Amstetten und Linz, fuhr Kilometer um Kilometer ohne irgendjemand zu begegnen. Er hätte genausogut auf der linken Fahrbahn fahren können. Irgendwann machte ihn ein kleines blaues Zeichen mit dem Sternenkranz darauf aufmerksam daß er gerade die Grenze nach Deutschland passiert hatte.

Je mehr er sich ab diesem Punkt der Hauptstadt Bayerns näherte, desto nervöser wurde Markus. Wer konnte ihm garantieren daß Manuel kein bewaffneter Psychopath war und alles nur eine Falle? Viel Gelegenheit ihn genauer kennenzulernen hatte er ja nicht gehabt.

So, jetzt war es soweit, er war immer den Wegweisern nachgefahren und landete schließlich auf dem mittleren und dann auf dem Altstadtring. Und was jetzt, in München steht ein Hofbräuhaus oder wie? Es war aber das erste das Markus zu der Stadt einfiel und im Englischen Garten würde wohl kaum jemand auf ihn warten. Genauso hätte er auch den Platz in Nürnberg vorschlagen können auf dem jedes Jahr der Weihnachsmarkt stattfindet. Er war doch vor ein paar Jahren schon einmal hier. Irgendwo müßte es jetzt sein, dort vorne war sogar noch ein Wegweiser.

Markus hielt irgendwo am Fahrbahnrand an und ging das letzte Stück zu Fuß weiter. Sonst konnte man in dieser Gegend sicher unmöglich parken, aber niemand kümmerte das Halteverbot jetzt. Wenn Manuel nicht auch diese Idee gehabt haben sollte und wenn er nicht den ganzen Nachmittag geduldig warten würde dann müßte er sowieso woanders weitersuchen.

Nachdem er um eine Ecke gegangen war stand er nun vor dem Haus. Er war fast so nervös wie bei diesen Schulreferaten vor der ganzen Klasse mit 14. Markus probierte vorsichtig ob sich die Eingangstür öffnen ließ und nachdem das leichte Quietschen der Tür die Stille durchschnitten hatte machte er ein paar Schritte in den Innenraum und sah sich um.

Er erstarrte als er jemand an einem Tisch sitzen sah. Der andere hatte ihn jetzt auch bemerkt und beide sahen sich nun wortlos an. Während Markus langsam näher kam, stand der andere vorsichtig auf und kam auf ihn zu.

"Manuel, bist du das?", fragte Markus als erster.
"Ja - Markus?", antwortete der andere.

Beide gaben sich etwas zögernd einen kräftigen Händedruck, sie sahen einander aber dann an daß sie wirklich froh darüber waren wieder einmal jemand anderen zu sehen.

***

Eva wußte daß man den alten Mittelwellensender auf dem Bisamberg bei Wien bis auf 600 Kilowatt aufdrehen konnte, wie gut daß sie sich etwas für technisches Zeugs interessierte. Sie wollte sogar fast einmal etwas in der Richtung studieren, hatte sich dann aber doch anders entschieden. Das Telefonnetz funktionierte jedenfalls nicht mehr, das Internet höchstens mit sehr viel Glück und Strom gab es eigentlich auch keinen mehr. Was war nur geschehen? Wenn in der Nacht irgendeine Katastrophe hereingebrochen ist dann war es schon rein administratorisch nicht möglich daß die ganze Stadt einen Tag später vollständig evakuiert ist. Irgendjemand mußte doch den Mittelwellenbereich abhören und so früher oder später auf sie aufmerksam werden und ihr alles erklären können, irgendjemand mußte da draußen sein. Zumindest von der Abend- bis zur Morgendämmerung sollte der Sender locker ganz Mitteleuropa abdecken können wenn sie es denn schaffte die Dieselgeneratoren und die Sendeanlage in Gang zu setzen.

Eva warf noch einen Blick zurück auf die glosenden Trümmerhaufen am Stadtrand. Es war ja niemand hier um die Brände zu löschen, vielleicht war es ja auch ein verlassener Gasherd der nicht abgedreht wurde. Sie hoffte daß bald wieder Regen aufkommen würde der die wieder leicht aufkommenden Flammen eindämmen konnte. Ja, die Wolken schienen sich wieder zu verdichten als sie weiter die Senderstraße bergaufwärts ging.

***

Gut, Manuel und Markus waren inzwischen etwas aufgetaut und ja, sie hatten sich ein Bier genehmigt, aber wirklich nur eines und dann konsequent Apfelsaft und Wasser. Markus redete darüber daß er eigentlich sowieso nie so recht wußte was er wirklich wollte und nie längere Zeit eine feste Arbeit hatte, trotzdem aber einen recht geregelten Lebensstil. Manuel ging es ja fast ähnlich, aber immerhin hatte er mit Physik eine Studienrichtung gefunden die ihn wirklich interessierte. Das heißt, im letzten Semester hatte er die Vorlesungen dennoch fast eher selten besucht. Ach ja, und auch wenn alle weg waren so gab es für ihn momentan kaum jemand den oder die er wirklich vermißte.

"Also du studierst ja Physik", sagte Markus, "und hast du irgendeinen Ansatz was mit der Welt passiert sein könnte? Alle weggebeamt oder wie?"
"Nein", erwiderte Manuel mit einem kurzen Lachen, "also es gäbe da schon ein paar gewagte Theorien, aber genauso wahrscheinlich wäre daß alle - wie du schon sagtest. Ich habe echt keine Ahnung."

"Hmm", frage er dann noch nach einer kurzen Pause, "hast du dir eigentlich schon einmal Gedanken gemacht wie es wäre wenn alle anderen weg wären, du alles für dich allein hättest und dir von niemand irgendwas vorschreiben lassen müßtest - so wie jetzt?"
"Ja schon... aber ganz allein wär's auf Dauer sicher langweilig. Und wo soll ich hingehen wenn ich einmal Zahnschmerzen habe?"

Mittlerweile war es schon später Nachmittag und beide hatten garnicht so recht gemerkt daß sich langsam die Abenddämmerung ankündigte, aber noch war es von draußen her einigermaßen hell. Manuel kramte in seinem auf dem Boden abgestellten Rucksack und holte ein kleines Radio hervor, so eine Art Weltempfänger.

"Du, ich habe alles durchprobiert", sagte Markus, "auch Mittelwelle, die ganzen Kurzwellenbänder..."

Manuel schaltete die Kiste einmal ein. 531 Kilohertz, dort wo der Schweizer sein sollte - rein garnichts. 540... Mit der Zeit schaltete er immer schneller weiter weil außer Rauschen ja doch nicht viel zu hören war. Doch halt, da war doch etwas.

Es war leise und ging fast im Rauschen unter, aber da war etwas. Es war ein Pfeifen, ein Sinuston - und jetzt änderte sich auch noch die Tonhöhe. Sie änderte sich unregelmäßig, wie wenn sich jemand mit einem Tongenerator spielen würde. Markus war mit einem Mal ziemlich aufgeregt als er auf die Frequenzanzeige blickte - 1476, das mußte aus Wien kommen!

"Hört mich jemand?", drang plötzlich eine aufgeregte weibliche Stimme aus dem Lautsprecher. "Ich sende aus Wien, Bisamberg, die Koordinaten sind - moment..." Sie las ihren Standort und noch ein paar Dinge vor die sie sich wohl zuvor aufgeschrieben haben mußte.

Markus und Manuel sahen sich eine Weile wortlos an. Es war also zumindest noch jemand da draußen. Sie hörte sich so an wie wenn sie schon etwas Angst hätte wenn plötzlich irgendjemand aus dem Nichts bei ihr auftaucht, aber wohl noch größere Angst vor dem Alleinsein.

"Mit was bist du eigentlich hergekommen?", wollte Markus wissen.
"Mit dem Flugzeug", sagte Manuel jetzt wieder gelassen.
"Was?"
"Ja, ich hatte schon einmal Flugstunden - gut, eigentlich mehr so gelegentlich als Co-Pilot bei meinem Vater. Aber wenn du ein bißchen Ahnung davon hast geht das schon."

Manuel schien nicht so ganz wie jemand auszusehen der ein Flugzeug steuern konnte.

"Markus, ich wollte ja zuerst auch hier her fahren, aber dann war da diese Cessna auf dem Flugplatz - sie steht jetzt draußen auf der A99, war Platz genug zum Landen."
"Das ist die Ringautobahn, oder? Na dann fahren wir doch hin und auf nach Wien!", gab sich Markus unternehmungslustig.

Die ganze Stadt lag schon im Halbdunkel als sich beide auf den Weg zum geparkten Lieferwagen machten. Die Tankanzeige war schon sehr verdächtig im roten Bereich nachdem Markus den Motor gestartet hatte, aber für die paar Kilometer sollte es sich schon ausgehen.

Nachdem sich beide in der Stadt nicht so recht auskannten dauerte es doch etwas länger als sie geglaubt hatten. Auch Manuel war sich nicht mehr so sicher auf welchem Weg er hergekommen war. Es war auch schon ziemlich dunkel, doch jetzt kam endlich noch ein Wegweiser. Sie bogen auf eine Auffahrtsrampe, und wenig später erhellten die Scheinwerfer die weitläufige Fahrbahn die vor ihnen lag.

Als Markus in der Ferne etwas zu erkennen glaube ging er vom Gas. Ja, dort vorne stand mitten auf der Autobahn ein kleines Flugzeug. Er blieb in einiger Entfernung auf dem Pannenstreifen stehen und suchte die paar Sachen zusammen die er aus Wien mitgenommen hatte. Beide stiegen aus und gingen ein paar Meter weiter.

"Du weißt in welche Richtung wir genau müssen?", war Markus jetzt doch wieder etwas beunruhigt. "Wäre es es morgen früh nicht doch besser? Hat die Landebahn überhaupt ein Notsystem für die Beleuchtung wenn der Strom ausgefallen ist?"
"Ja, hat sie", versuchte Manuel zu beruhigen, "und bis hier her hat's ja auch geklappt und das GPS und die ganzen Bordinstrumente funktionieren ja auch noch."
"Ja - wenn der Flughafen dann noch da ist", ergänzte Markus mit etwas nachdenklicher Stimme.

Manuel kletterte zur Einstiegstür hinauf und half dann Markus beim Einsteigen, dann setzte er sich ins Cockpit und schien nach kurzem Überlegen zu wissen was er tat. Wenig später dröhnten die Triebwerke, die Scheinwerfer leuchteten weithin in die beginnende Nacht und der Flieger begann zu rollen.

Markus hatte sich während des Beschleunigens krampfhaft wo festgehalten und spürte ein Gefühl der Erleichterung als sie schließlich abhoben und recht rasch an Höhe gewannen. Ihm war als ob er gerade in letzter Sekunde vor etwas entkommen war. Er blickte aus dem Fenster, doch da war nichts. Alles schien wie ausradiert, nur ein paar flackernde Lichtpunkte erhellten wie Irrlichter die Nacht.

Manuel schien alles fest unter Kontrolle zu haben und beide schwiegen von nun an. Das Radiosignal war jetzt auch wieder da, sie schien alles von vorhin öfters zu wiederholen und es wurde immer stärker und klarer je mehr sie sich Wien näherten. Über Österreich mußten sie ja schon längst sein.

"So, also den Anzeigen und der Entfernung nach...", begann Manuel vorsichtig und machte jetzt einen besonders konzentrierten Eindruck, war aber erleichtert als er die schwachen Lichterreihen endgültig als Landebahn-Beleuchtung identifizieren konnte.

Einige Momente später tauchten plötzlich ein Zaun, einige Gebäude und eine breite, scheinbar endlose Betonfläche im Lichtkegel auf. Augenblicke später krachte das Fahrwerk unsanft auf die Landebahn, doch wieder einige Augenblicke später war beiden klar daß sie es geschafft hatten.

***

Markus hatte keine Ahnung wie spät es war, aber von draußen drangen schon grelle Sonnenstrahlen in den Raum. Einen Tag später erschien ihm der vorige wieder etwas unwirklich, aber er erinnerte sich ganz klar daß er sich mit Manuel noch irgendwie Richtung Stadt durchgeschlagen und ihm dann angeboten hatte erst einmal bei sich zu übernachten.

Letzterer war auch schon aufgestanden, hatte scheinbar noch etwas Genießbares zum Frühstück gefunden.

"Guten Morgen! Und, hast du noch was interessantes gehört?"
"Hallo Markus", sagte Manuel, "ja da war noch kurz etwas aber es war dann auch weg, wenn die dort einen Generator hat dann läuft der auch nicht ewig. Ach ja, fließendes Wasser gibt's bei dir auch keines mehr, zumindest ist kaum noch Druck drauf."
"Na toll."

***

"Gut, also rein theoretisch angenommen diese Eva, so heißt sie doch, ist da...", begann Manuel.
"Ja, und?"
"...und wir sind die letzten drei unserer Spezies auf diesem verfluchten Planeten..."
"Manuel, ich kenne diese Endzeit-Geschichten. Meistens bleiben dann am Ende höchstens zwei übrig die noch nicht völlig wahnsinnig geworden sind", merkte Markus dann an.
"Ja, ja, wir werden das schon alles ruhig angehen. Wer weiß, da ist einmal sie aber vielleicht gibt es ja noch hunderte oder tausende die irgendwo dort draußen sind."

Sie bogen jetzt mit dem ausgeborgten Fahrzeug des Flughafen-Sicherheitsdienstes um eine scharfe Kurve. Jetzt konnte man auch schon die zwei mächtigen Stahlkonstruktionen der Sendeanlage sehen. Sicherlich hatte Eva irgendwelche Anhaltspunkte über sich dort hinterlassen, angedeutet hatte sie es ja.

Markus hielt vor dem Gasthaus auf dem Gipfelplateau an. Auch Manuel stieg dann wortlos aus und beide sahen sich erst einmal ein bißchen um. Die Aussicht auf die Stadt war doch immer wieder überwältigend. Trotzdem, diesmal war es einfach irgendwie - anders. Der Ursprung der Übertragungen die sie gehört hatten lag jetzt nur ein paar Schritte von ihnen entfernt und beide waren nun etwas nervös als sie Richtung Sendemast blickten.

Irgendetwas war dort neben dem Tor das den Haupteingang zum Sendegebäude bildete. Ja, dort wo etwas von "Sendebetriebsleitung Wien, Niederösterreich, Burgenland" stand war etwas darunter ein Stück Karton aufgeklebt. Alle zwei waren jetzt noch gespannter was dort wohl stehen würde. Bei näherer Betrachtung konnten sie dann von einem Lokal in der Innenstadt lesen, sie schrieb auch wann sie dort jeden Tag auf möglichen Besuch warten würde.

***

Es sah fast wie eine Festung aus. Einige Tische aus dem Gastgarten waren notdürftig vor den großflächigen Fenstern aufgestapelt. Die Tür war von innen her mit irgendwelchen Holzplatten verkleidet worden. Markus versuchte sich erst einmal irgendwie bemerkbar zu machen und glaubte sich dabei sowieso schon lange beobachtet. Ihm war auch als hätte er von oben etwas gehört.

"Hallo?", rief er nochmals während er vorsichtig die Eingangstür öffnete. Manuel zögerte etwas, kam dann aber auch nach. Angst hatte er aber kaum und schließlich waren sie ja zu zweit.

Als auf einmal Schritte zu hören waren zuckten beide etwas zusammen. Sie mußten von der Treppe im hinteren Teil des Raumes kommen. Ja, es war eine jüngere Frau, sie mußte es sein. Sie sagte zuerst garnichts und legte dann das Stück Holz mit dem sie bewaffnet war weg.

Eva wußte nun daß es mindestens noch zwei andere Menschen gab und war nun sichtlich von einiger Anspannung befreit, aber sonst waren alle drei auch nicht schlauer als vorher.

"Habt ihr dieses leichte Erdbeben vor ein paar Tagen eigentlich auch bemerkt?", fragte Eva nach einer Weile des lockeren Unterhaltens in die Runde.
"Warte einmal, am Montag bin ich ziemlich früh ins Bett gegangen", dachte Markus nach, "und irgendwann wie ich in der Nacht aufgewacht bin ist mir vorgekommen wie wenn da irgendein dumpfes Geräusch gewesen wäre."

Manuel hatte plötzlich seinen Gesichtsausdruck schlagartig verändert und wollte schon die ganze Zeit etwas sagen.

"Sag nicht bei dir auch", sagte Markus als er das bemerkte.
"Also Bielefeld ist von Wien so etwa - 900 Kilometer entfernt. Das müßte ja schon ein großes Erdbeben gewesen sein. Oder vielleicht - na egal", warf Eva daraufhin ein.

"Vielleicht was?", bekam Markus jetzt ein bißchen eine Gänsehaut.
"Was wäre wenn?", antwortete Eva. "Es ist schon komisch, ich habe mir früher manchmal gedacht wie es wohl wäre wenn alle außer mir plötzlich verschwunden wären und unlängst in dieser Nacht wo das Erdbeben war sogar davon geträumt."

Plötzlich standen Manuel und Markus wieder nur für einige Momente wortlos im Raum, kurz darauf dann auch Eva. Ja, jetzt wußten alle welche Verbindung zwischen ihnen bestand, sie erinnerten sich wieder an den schon verblassten Traum den sie alle hatten. Was auch immer das zu bedeuten hatte, im Moment dieses Erdbebens - wenn es denn überhaupt eines war - ist so wie es aussah etwas Seltsames mit der Welt passiert.

Einen Tag später und in den Tagen darauf geschah dann nicht allzu viel, außer daß sie so nach und nach immer mehr übereinander erfuhren. Obwohl, in erster Linie waren sie eher damit beschäftigt mit vereinten Kräften bei Markus wieder alles einigermaßen zum Laufen zu bringen und ein paar Vorräte einzulagern. Mit einem Dieselgenerator, Solarzellen auf dem Dach, einem Haufen Autobatterien, einem Wechselrichter und noch ein paar Bauteilen schafften sie es sogar wieder eine halbwegs stabile Stromversorgung herzustellen. Nur die Sache mit dem Wasser blieb etwas unpraktisch. Markus hatte auch den Gaskocher wieder gefunden, nur auf Dauer konnte das auch keine Lösung sein. Zwischendurch war ihm auch einmal danach sich eine Spraydose zu schnappen, das "Bitte den Rasen nicht betreten" im Stadtpark zu übermalen und dort gleich ein bißchen in der Sonne zu liegen, aber irgendwann würden solche Aktionen auch langweilig werden. Manuel hatte sogar ein Strahlenmeßgerät aufgetrieben um auch eine gewisse Verschwörungstheorie ausräumen zu können, aber an Radioaktivität war nur die natürliche minimale Hintergrundstrahlung festzustellen.

Eva hatte auch einmal alle zu sich nach Hause eingeladen, doch sie hatten sich darauf geeinigt bis auf weiteres bei Markus zu übernachten. Platz war ja an sich genug da. Manuel wollte auch lieber erst einmal auf unbestimmte Zeit hier in Wien bleiben. Es war ja fast ein Wunder daß sie bis jetzt in dieser Ausnahmesituation nicht von ihren Instinken getrieben unkontrolliert übereinander hergefallen waren. Obwohl, so ähnlich irgendwann dann doch, aber das ist eine andere Geschichte.

Eine Woche später war die Zeit reif für eine kleine Feier und Markus, Manuel und Eva beschlossen in jenes Lokal in der Stadt zu gehen in dem sie sich getroffen hatten.

***

"Hallo Eva, was ist los?", fragte Markus etwas beunruhigt.

Eva antwortete nicht, sie sah nur völlig geistesabwesend zur Seite.

"Eva?", sprach er sie noch einmal an doch sie sagte nichts. Doch, aber sie sah immer noch zur Seite - und schien ein paar Worte zu einer imaginären Person neben ihr zu sagen.

"Markus", begann Manuel zu reden und schien jetzt auch zu sehen was Eva sah, "da sind überall Leute, das ganze Lokal, ich seh's wie durch eine Nebelwand..."

Markus schien jetzt zu spüren daß irgendetwas in der Luft lag, doch er sah niemand außer die beiden anderen.

"Es ist - eine alternative Realität! Ein Paralleluniversum, eine Überschneidung, keine Ahnung, aber es ist hier in diesem Raum!", war Manuel mit einem Mal völlig aufgeregt.

Was ging hier nur vor? War es wirklich...? Eva schien jetzt plötzlich wie von einer Art Schleier umhüllt.

Würde er jetzt für immer ganz allein in dieser Welt bleiben? Würde jetzt irgendetwas anderes den Platz von Eva und Manuel im Universum einnehmen? Wollte er eigentlich wirklich in die Welt zurück die er kannte?

Markus mußte jetzt etwas tun. Eva löste sich vor seinen Augen immer mehr auf, er gab ihr seine Hand und auch Manuel wollte...

***

Es waren jetzt schon fast zwei Wochen die Markus diesen Job hatte. Ganz nett war es ja, aber so toll war es auch wieder nicht und sowieso nur für ein bestimmtes Projekt. Interessant war schon daß er dort zwar eine bestimmte Aufgabe hatte und sich auch manchmal mit anderen absprechen mußte, aber nie so wirklich durchblickte worum es bei dem Ganzen überhaupt genau ging.

Auf dem Rückweg kaufte er in der gegenüberliegenden Bäckerei noch schnell ein paar Sachen ein, sah dann zuhause nach was sonst noch so zu essen da war und schaute kurz ins Internet.

"Hallo?", stand in dem Fenster das sich gerade geöffnet hatte. Es war ein gewisser Manuel aus Bielefeld in Deutschland. Er begann ein paar Sätze drauflos zu schreiben als ob er Markus kennen würde, aber dieser schrieb zurück daß er ihn wohl verwechselt haben mußte.

Nach einigen Momenten der Stille forderte Manuel ihn auf eine bestimmte Tastenkombination zu drücken. Markus glaubte zwar daß er ohnehin nur verarscht wurde doch was sollte schon viel dabei passieren?

Mit einem Mal war plötzlich irgendetwas anders. Zwar schien alles noch wie vorher zu sein, doch auf einmal war es für Markus so als ob er gerade eine unglaubliche Bewußtseinserweiterung durchgemacht hatte. Ja, in diesem Moment war er wieder in diese leere Welt versetzt, trotzdem war auch dieses Projekt an dem er das letzte halbe Monat mitgearbeitet hatte für ihn Realität. Es war fast so als ob er zweimal gleichzeitig existieren würde.

Ein paar Minuten später kam Manuel bei der Tür herein und begrüßte Markus.
"Du Markus, ich weiß nicht was du schon weißt aber ich habe was herausgefunden. Also die Firma in der du arbeitest könnte der Schlüssel zu all dem sein."

Manuel erklärte lang und breit daß er einige Nachforschungen angestellt hatte und diese Computerfirma auch tatsächlich eine war, aber bei dieser ein ganz besonderes Projekt am Laufen war das sich jemand aufgrund irgendeiner aufgestellten Theorie ausgedacht hatte. So ganz unter Kontrolle dürften sie es selbst noch nicht haben. Durchschaut hatte er bis jetzt auch nur dieses kleine Steuerprogramm das er Markus geschickt hatte.

"Und du sagst daß wir uns wirklich schon ein paarmal getroffen haben?", fragte Markus.
"Ja, nach diesen Aufzeichnungen am 27. Oktober 2002, am 14..."
"Denkst du daß es wirklich nur drei sind die sich eben ganz zufällig in dieser - Realität - aufhalten?", unterbrach ihn Markus.
"Wir hätten ja alle Zeit der Welt um das herauszufinden. Ach ja, was ist eigentlich mit Eva?"

Einen Tag später stand Eva mitsamt ein paar anderen Leuten vor der Tür.


ENDE

 

Hi, madmaxx,

nette Geschichte die du da abgeliefert hast. Sie hat mir im großen und ganzen sehr gut gefallen. Zwar ist die Idee, dass man eines Morgens aufwacht und die Welt plötzlich wie leergefegt scheint, nicht unbedingt neu. Aber ich finde, die Umsetzung ist dir geglückt. Und mal abgesehen davon hab' ich ein bisschen ein Faible für solche Endzeitszenarien.

Besonders die kleinen Details, die du so einbaust, machen die Geschichte lebendig. Beispiel:

Im Radio lief immer noch auf fast allen Sendern nur diese Musik-Dauerschleife aber keine Nachrichten. Um elf Uhr kamen auch keine, nur diese Schlagzeilen-Hintergrundmusik zu der aber niemand etwas vorlas.

Finde ich im Übrigen einen netten Seitenhieb auf die Art und Weise, wie heutzutage (zumindest bei den meisten Sendern) Radio gemacht wird: Kollege Computer dudelt alles nach Plan ab, die Moderatoren müssen nur von Zeit zu Zeit mal irgendwas ins Mikro labern.

Hier und da stockte ich ein wenig, wenn ich erstmal ein Sekündchen über die Bedeutung von bestimmten österreichischen Ausdrücken nachdenken musste. So etwa:

Markus stand allein im ersten Stock eines Stiegenhauses irgendwo in Wien.

Stiegenhaus? Soll wohl ein mehrstöckiges Wohnhaus sein. :)

Aber auch ein paar kleinere Ungereimtheiten sind mir aufgefallen:

Beim Öffnen der Kühlschranktür blieb es dunkel. Markus machte sie gleich wieder zu, und fast im gleichen Moment als sich die Dichtungen wieder berührten glaubte er zu hören wie der Kühlkreislauf wieder anlief.
Und etwas später:
Ein Glück daß der Tiefkühlschrank sowieso schon fast leer war, der dürfte ja schon nach dem Stromausfall in der vergangenen Nacht nicht mehr angesprungen sein.

Ich glaube nicht, dass es sich beim Tiefkühlschrank anders verhält, als beim normalen Kühlschrank. Wenn der Strom wieder da ist, läuft der auch wieder. Einzig, dass Eingefrorenes verdorben sein könnte, wenn der Strom zu lange weg war.

Dann auf dem Autobahnrastplatz:

Nachdem die verglaste Holztür über der in geschwungenen Buchstaben ein "Herzlich willkommen" stand abgeschlossen war zögerte er nicht lange und wollte schon versuchen die Scheibe einzutreten. [...] Doch hier sah es aus wie wenn alle im vollen Betrieb plötzlich aufgestanden und gegangen wären, einige Tische sahen etwas unordentlich aus und auf einigen standen noch Teller.

Das passt irgendwie nicht ganz zusammen, finde ich. Einerseits ist der Eingang zur Raststätte abgeschlossen, andererseits aber schien drinnen Hochbetrieb geherrscht zu haben. Scheint wohl 'ne geschlossene Gesellschaft gewesen zu sein. :D

Beide gaben sich etwas zögernd einen kräftigen Händedruck, sie sahen einander aber dann an daß sie wirklich froh darüber waren wieder einmal jemand anderen zu sehen.

Mit Kommata stehst du auch auf Kriegsfuß, wie es aussieht. Hier hätten noch ein paar mehr hergehört: ...aber dann an, daß sie wirklich froh darüber waren, wieder einmal...
Du solltest ruhig noch einmal drüberschauen.

Das Telefonnetz funktionierte jedenfalls nicht mehr, das Internet höchstens mit sehr viel Glück

Hmm, zugegeben, die Backbones sind vom Telefonnetz unabhängig, aber wenn sich der Ottonormalsurfer ins Netz begibt, dann doch meist über's Telefonnetz (egal, ob nun Modem, ISDN oder DSL). Wie kann man dann wissen, dass das Internet noch mit sehr viel Glück funktioniert? Es sei denn, man hat Internet über's TV-Kabel oder das Stromnetz.

Es war ja fast ein Wunder daß sie bis jetzt in dieser Ausnahmesituation nicht von ihren Instinken getrieben unkontrolliert übereinander hergefallen waren. Obwohl, so ähnlich irgendwann dann doch, aber das ist eine andere Geschichte.

Diesen Zusatz "so ähnlich irgendwann dann doch" finde ich hier irgendwie unpassend. Mag ja sein, dass es irgendwann ja doch passiert ist, aber wenn du schon selber schreibt, dass es eine andere Geschichte sei, dann hat das hier eigentlich nichts zu suchen.

Nach einigen Momenten der Stille forderte Manuel ihn auf eine bestimmte Tastenkombination zu drücken. Markus glaubte zwar daß er ohnehin nur verarscht wurde doch was sollte schon viel dabei passieren?

Mit einem Mal war plötzlich irgendetwas anders. Zwar schien alles noch wie vorher zu sein, doch auf einmal war es für Markus so als ob er gerade eine unglaubliche Bewußtseinserweiterung durchgemacht hatte.


Muss ja eine irrsinnige Tastenkombination sein... :D Klingt für mich eher nach 'nem Drogentrip. Und ab hier wird's dann ein wenig undurchsichtig.

Ein paar Minuten später kam Manuel bei der Tür herein und begrüßte Markus.

Eben war er noch im Chat und jetzt steht er bei Markus vor der Tür?

Und vielleicht solltest du noch ein wenig ausführen, was es denn mit diesem ominösen Projekt der Computerfirma auf sich hat. Und auch sonst finde ich den Schluss nicht so gelungen, wie den Rest der Geschichte. Er liest sich eher, als hättest du krampfhaft ein Ende gesucht.

Aber wie gesagt, abgesehen von diesen kleinen Ungereimtheiten und dem ein wenig in den Sand gesetzten Ende gefällt mir die Story. Alles in allem: Gern gelesen.

CU,
der_Karl.

 

Geschrieben von der_Karl
Hi, madmaxx,

nette Geschichte die du da abgeliefert hast. Sie hat mir im großen und ganzen sehr gut gefallen. Zwar ist die Idee, dass man eines Morgens aufwacht und die Welt plötzlich wie leergefegt scheint, nicht unbedingt neu. Aber ich finde, die Umsetzung ist dir geglückt. Und mal abgesehen davon hab' ich ein bisschen ein Faible für solche Endzeitszenarien.


Danke für deine Kritik! Ja, das hat es sicher schon öfters gegeben und vielleicht erkennt auch jemand worauf Titel und die Ausgangssituation eine Anspielung sind ;-) Ich habe diese Grundidee schon sehr lange im Kopf gehabt und wollte meine eigene Umsetzung, nach Möglichkeit ohne Aliens oder entkommene Viren schreiben.

Stiegenhaus? Soll wohl ein mehrstöckiges Wohnhaus sein. :)

Ja, könnte ich ev. Treppenhaus schreiben dann wäre es vielleicht international verständlicher.

Ich glaube nicht, dass es sich beim Tiefkühlschrank anders verhält, als beim normalen Kühlschrank. Wenn der Strom wieder da ist, läuft der auch wieder. Einzig, dass Eingefrorenes verdorben sein könnte, wenn der Strom zu lange weg war.

Ich schätze auch dass die meisten wieder anspringen würden, aber in diesem Fall wars mir für die Geschichte wichtig dass es eben nicht so ist. Aber "dann doch nicht mehr" wäre vielleicht besser.

Einerseits ist der Eingang zur Raststätte abgeschlossen, andererseits aber schien drinnen Hochbetrieb geherrscht zu haben. Scheint wohl 'ne geschlossene Gesellschaft gewesen zu sein. :D

Ja, stimmt, eine automatische Schiebetür die dann natürlich nicht mehr funktioniert wäre sicher besser geeignet.

Mit Kommata stehst du auch auf Kriegsfuß, wie es aussieht.

Früher habe ich öfters welche gesetzt, seit der Rechtsschreibreform die ich noch immer nicht ganz 100% checke und wo man angeblich welche weglassen kann weniger ;-) Dafür versuche ich mich grade mit vermehrten ss statt ß anzufreunden.

Hmm, zugegeben, die Backbones sind vom Telefonnetz unabhängig, aber wenn sich der Ottonormalsurfer ins Netz begibt, dann doch meist über's Telefonnetz (egal, ob nun Modem, ISDN oder DSL). Wie kann man dann wissen, dass das Internet noch mit sehr viel Glück funktioniert? Es sei denn, man hat Internet über's TV-Kabel oder das Stromnetz.

Ja, aber auch die Internet-Backbones und "richtigen" Standleitungen würden unter solchen Umständen sicher auch nach und nach ausfallen. Wenn der Strom weg ist oder die Spannung zu sehr schwankt hilft auch eine noch so gute unterbrechungsfreie Stromversorgung nach ein paar Tagen wohl nicht mehr viel. Irgendwo brennt dann halt so ein Serverschrank weil ja niemand da ist um drauf aufzupassen - was auch immer.

Diesen Zusatz "so ähnlich irgendwann dann doch" finde ich hier irgendwie unpassend. Mag ja sein, dass es irgendwann ja doch passiert ist, aber wenn du schon selber schreibt, dass es eine andere Geschichte sei, dann hat das hier eigentlich nichts zu suchen.

Ich hatte tatsächlich eine nicht jugendfreie Version im Kopf aber etwaige freizügige Ausschweifungen sollten hier nicht das Hauptthema sein. Trotzdem wollte ich irgendwas in der Richtung andeuten, was genau dürfen sich dann alle nach Belieben vorstellen.

Und vielleicht solltest du noch ein wenig ausführen, was es denn mit diesem ominösen Projekt der Computerfirma auf sich hat. Und auch sonst finde ich den Schluss nicht so gelungen, wie den Rest der Geschichte. Er liest sich eher, als hättest du krampfhaft ein Ende gesucht.

Ich wollte schon mitten in der Geschichte diese zwei parallelle Welten-Sache andeuten, dann aber doch lieber nichts vorwegnehmen. Manuel hat dann eben nur die "Bedienoberfläche" entdeckt mit der man (wenn alles gut geht) zwischen den Welten wechseln kann, aber was es wirklich genau ist wollte ich etwas offen lassen. Irgendwas z.B. mit einer Kausalitätsschleife oder Aliens anzudeuten wäre mir wieder etwas zu einfallslos gewesen bzw. wird ja oft auch negativ kritisiert. Ich wollte mir auch etwas für eine mögliche Fortsetzung offen lassen für die ich ein paar waage Ideen hätte, da könnte dann auch genauer herauskommen was diese "Computerfirma" so macht.

Schöne Grüße, Markus

 

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