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Einen Anfang wagen mit 'T.' ...
Diese Geschichte ist nicht die Erste, die ich schrieb. Ich möchte mit ihr aber meinen Anfang hier im Forum bestreiten. Ich setze sie ganz bewusst in 'Alltag', einzig mögliches Alternativ-Thema wäre noch 'Gesellschaft' gewesen, aber das war mir zu plakativ.
Die Geschichte heißt schlicht 'T.'
T.
Gerold T., 42 Jahre, selbstständiger Schlossermeister von Beruf, zweimal verheiratet, einmal geschieden und einmal verwitwet, wurde ermordet. Einfach so. Die ermittelnde Polizei konnte nichts gestohlenes feststellen. Auch nachdem sie wochenlang in der Vergangenheit des Mannes „gewühlt“ hatten, wie es ein Beamter nannte, fanden sie nichts. Er hatte keine Feinde, keine Freunde, kaum noch Familie. Die Nachbarn beschrieben ihn als einen langweiligen Menschen, der das Haus nur zum Arbeiten und zum Einkaufen verließ. Nach vier Monaten Ermittlungszeit legte die Polizei den Todesfall des Herrn T. zu den Akten. Niemand hatte einen verwertbaren Hinweis gefunden und der Frust über die schleppende, oder vielmehr sterbende Ermittlung hatte zu einer Schlägerei geführt, in die eines Nachts der Leiter der Ermittlungen und ein weiterer Polizeibeamte verwickelt waren und welche einen Rippenbruch zur Folge hatte. Kurz darauf wurde die Ermittlung eingestellt.
T. war mit einem Messer ermordet worden. Ein brutaler Schnitt durch die Kehle, viel Blut im Bett und auf seiner Kleidung. Ein langer Todeskampf zeichnete das Gesicht. Die Mörderin hatte sich durch die offene Terrassentür in das Zimmer geschlichen, den schlafenden T. entdeckt und ihm die Kehle durchgeschnitten. Im Anschluss daran war sie, eine 36-jährige Hausfrau und Mutter zweier Kinder, die beide das Gymnasium besuchten, wieder aus dem Haus gegangen, war ruhig durch den Garten auf die Straße gelaufen und hatte nach einer Fußstrecke von 10 Minuten ihr Auto erreicht, welches sie auf einem Parkplatz eines Supermarktes geparkt hatte. Es war tief in der Nacht, somit hatte niemand sie gesehen. Als sie zu Hause angekommen war, sie war allein, da ihre Kinder auf einer Party waren und dort übernachteten und ihr Mann auf Monate war, hatte sie ihre Wäsche in die Waschmaschine gesteckt und war schlafen gegangen. Die Zeitung berichtete erst vier Tage später über den Toten. Ein Nachbar hatte diesen zufällig entdeckt, als er beim Kochen entdeckte, dass er kein Zucker mehr im Haus hatte und T. nach ebendiesem fragen wollte.
Ein halbes Jahr später unterhielten sich die Männer und Frauen des Kegelstammtisches „1975“ über den Mord. Theorien kamen auf, T. hätte nur nebenberuflich ("in seiner Freizeit als Tarnung") als Schlosser gearbeitet, denn eigentlich war er beim BND tätig und der Mord wäre vom Mossad durchgeführt worden. Die Israel-Palästina-Krise, man wisse ja Bescheid, meinte man. Man stritt sich dort noch eine Weile über "wagemutige Thesen" und über denjenigen, der die nächste Runde Bier zahlen würde.
Zwei Jahre später öffnete sich die Tür des Kriminalamtes der Stadt, eine hagere Frau trat ein und hielt ihre Hände gefaltet vor sich, den Arm ausgestreckt. Nehmt mich fest, sagte sie. Ich habe den Herrn T. ermordet. Der Mann am Empfang schaute die Frau verwirrt an, versuchte sie einzuordnen. Geistesverwirrt? Betrunken? Drogen? Doch sie, eine Frau mit blonden Haaren in den sogenannten "besten Jahren", wirkte unheimlich gefasst. Als "nüchtern" sollte sie der Mann später beschreiben. Das Verfahren wurde wieder aufgerollt, die Frau wieder und wieder verhört, bis die Männer der Kripo aufgaben und alles, was sie wussten, inklusive dem Geständnis an die Staatsanwaltschaft weiterleiteten. Laut ihrer Aussage hatte die Frau nie Alkohol getrunken, hatte keinen Kontakt mit Drogen gehabt, gehörte keiner Sekte an und war nicht einmal politisch. Man könnte ihr Leben als genauso durchschnittlich bezeichnen, wie das des Herrn T. Der Beamte, der den Bericht, der an den Staatsanwalt weitergeleitet wurde, noch einmal zur Kontrolle las, schluckte, als er ein Protokoll einer Vernehmung, der Letzten, las.
„Ich frage sie noch einmal: Warum haben sie ihn ermordet?“
„Mir war langweilig.“
„Ihnen war langweilig?“
„Ja.“
„Sie wollen mir sagen, dass sie T. ermordet haben, weil ihnen langweilig war?“
„Ja.“
„Kannten Sie ihn?“
„Nein.“
„Wieso ihn?“
„Ich mochte die Häuser in der Region nicht leiden, alles so modern und reich, sie verstehen?“
„Nein, ich verstehe gar nichts. Warum ausgerechnet ihn? Warum nicht jemand anderen?“
„Seine Terrassentür stand auf, bei allen anderen Häusern hätte ich einbrechen müssen. Ich weiß doch nicht, wie man in ein verschlossenes Haus einbricht.“
„Lassen sie mich noch einmal zusammenfassen. Sie haben die Häuser dieses Viertels nicht gemocht, weil es eine "bessere" Wohngegend war? Dann haben sie gesehen, dass die Tür im Haus des Herrn T. aufstand und sind hineingegangen? Sie haben sich dann ihr Messer genommen, welches sie mithatten und haben ihm die Kehle aufgeschlitzt, sie haben zugesehen, wie das Blut rausspritzte und sind dann wieder gegangen?“
„Ja, genau"