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Eine Zugfahrt im ICE-Ruhebereich

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02.06.2018
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Eine Zugfahrt im ICE-Ruhebereich

Im Berliner Hauptbahnhof rollte ich auf der Rolltreppe in das Untergeschoss, genauer gesagt zum Gleis 1. Dort stand der ICE nach Hamburg-Altona abfahrbereit am Bahnsteig, neben einer Vielzahl von Reisenden und Gepäck. "Fährt denn dieser Zug nach Hamburg?", schrillte eine grelle Frauenstimme über den Bahnsteig. Der Angesprochene, ein kräftiger Mann mit Bürstenhaarschnitt, einem kurzärmligen, blaukarierten Hemd, Mitte vierzig, antwortete: "Dieser Zug fährt nach Hamburg", und wies auf die Anzeige über dem Bahnsteig. "Fährt denn dieser Zug wirklich nach Hamburg?", schrillte die grelle Frauenstimme erneut. "Dieser Zug fährt immer noch nach Hamburg", erklärte der Bürstenhaarschnittmann aufs Neue. Die Besitzerin der grellen Schrillstimme, eine dürre Endfünfzigerin, bekleidet mit gewaltigen Outdoorsandalen und einem sehr filigranen gelben Kleid, krähte: "Ständig verwechselt die Bahn die Züge und Bahnsteige, wie oft habe ich es erlebt, das am Bahnsteig Hamburg stand und der Zug dann nach Leipzig fuhr. Dann musste ich unterwegs aussteigen und den halben Weg wieder zurückfahren. Sind Sie wirklich sicher, dass der Zug nach Hamburg fährt?“ Der Mann ächzte und gab zurück: „Ganz sicher, dieser Zug kam aus Leipzig und fährt in zehn Minuten weiter nach Hamburg. Steht auf der Anzeige des Bahnsteiges, steht am Zug und wurde per Durchsage mehrfach angesagt.“ „Dann habe ich zum Einsteigen nur noch ganz wenig Zeit“, keuchte die Dame und zerrte einen Schrankkoffer, der fast so groß war, wie sie selbst, hinter sich her. „Können Sie mir bitte helfen, mein Handgepäck in den Zug zu heben“, wandte sich die Dame an den Bürstenfrisurmann. Dieser beäugte den großen Schrankkoffer misstrauisch, ergriff ihn und schleppte ihn zum Einstieg, wo er beim Hochheben schmerzhaft das Gesicht verzog.

Inzwischen war ich am Einstieg angelangt und half unter Aufbietung aller Kräfte dem Mann beim hineinwuchten des Schrankkoffers in den ICE. Die dürre Dame folgte uns, bedankte sich, ergriff mit beiden Armen ihr Kofferungetüm, holte Schwung und schob es mit Getöse durch den Gang. „Aua“, rief ein Fahrgast, als dass Koffermonster seinen Rücken traf und er zur Seite stolperte. „Geben Sie den Weg frei, machen Sie zügig Platz“, rief die Dame. Die Reisenden auf dem Gang drückten sich mit eingezogenen Bäuchen an die Wand. Ich folgte der kofferrollenden Dame und gelangte so schnell zum Ruhebereich. Darin hatte ich extra einen Platz im Großraumabteil gebucht, in der Hoffnung von Berlin bis Hamburg schlafen zu können. Doch es kam anders.

Ich strebte meinen reservierten Platz zu, das Hämmern von Maschinenpistolen unterbrach meinen Weg. "Wir schaffen es nicht, es sind zu viele Banditen", brüllte eine Männerstimme, "werft die Handgranaten!" Kurz darauf detonierten Handgranaten, Blut lief die Scheiben herunter, menschliche Überreste und Blutlachen bedeckten den Boden.
Ein fülliger junger Mann, saß über sein Notebook gebeugt und konsumierte einen Kriegsfilm. Er war völlig in das Geschehen vertieft, freute sich und starrte gebannt auf die Blutpfützen in seinem Display. Ich ging rasch zu meinem Platz, verstaute mein Gepäck, nahm eine bequeme Haltung ein und schob meine Jacke vor das Gesicht. "Endlich schlafen", freute ich mich und schlummerte ein.

Kurz darauf wurde ich durch lautes Stimmengewirr wieder geweckt. Laute Telefonate erklangen durch den Ruhebereich, an Schlafen war nicht zu denken. Die Fahrgäste verkündeten per Handy, dass sie nun im ICE nach Hamburg sitzen würden, in Kürze dort eintreffen und sich freuen würden.

Zwischen den lauten Telefonaten ertönte die Stimme des Zugchefs, der die Fahrgäste auf Deutsch und Englisch begrüßte. Danach lud er in das Bordrestaurant ein und wiederholte die Einladung auf Englisch. Als ich der Meinung war, nun endlich weiter schlafen zu können, empfahl der Zugchef Getränke und Gerichte aus dem Bordrestaurant. Dazu las er die dreiseitige Speisekarte vor, nannte alle Speisen und Getränken mit Preisen. Die ersten Fahrgäste verzogen die Gesichter, andere hielten sich die Ohren zu. Aber der Zugchef kannte kein Erbarmen. Erneut las er die Speisekarte vor, diesmal auf Englisch.
Nachdem der Zugchef die etwa achtminütige Bordrestaurant-Vorlesung, in zwei Sprachen, beendet hatte, kehrte Ruhe ein und schlummerte ich wieder ein.

Ein permanentes: "Düdd, Düdd, Chr, Chr, Düdeldü, Peng", rissen mich erneut aus dem Schlaf. An einem Tischplatz vergnügten sich die beiden Kinder einer Familie mit einem Gameboy.
Ein älterer Mann stand auf und bat die Familie um Ruhe, da er du seine Frau einen Platz im Ruhebereich gebucht haben. Wegen der Ruhe. Der Vater schaute verärgert auf: "Wollen Sie den Kindern etwa das Spielen verbieten?" Nein, auf keinen Fall", erwiderte der ältere Mann. "Die anderen Fahrgäste und ich würde uns freuen, wenn Sie die Lautstärke etwas dämpfen würden. Hat denn das Spielzeug keinen Lautstärkeregler?" Er zeigte auf den Gameboy. "Sie sind ja ein KINDERFEIND", kreischte hocherbost die Mutter. Jetzt klingelte das Handy des Vaters. "Ja, ich bin hier. Wir sitzen im Zug", der Vater plusterte beim Brüllen die Backen auf. Der ältere Mann hob abwehrend die Arme und bat mit leiser Stimme um Ruhe. Eine Frechheit ist das", kläffte die Mutter, "immer diese kinderfeindlichen alten Leute, die oberlehrerhaft alles besser wissen". Der ältere Mann wandte sich resigniert ab und ging zu seinem Platz. Der Geräuschpegel am Familientisch nahm etwas ab. Ich versenkte mich wieder hinter meine Jacke und nickte ein.

"RumbaBUM", "Trüüüüüüüht", "Prfffffft", "Tätärätä", "Schrill-Schrill", "derber, straffer, fester, ich will ne Krankenschwester", "Rüüüüüülps", "Kein Schwein ruft mich an“, rissen mich aus dem Schlummer. Ich schaute hinter meiner Jacke hervor. Einige Plätze weiter testete ein junger Mann die Klingeltöne seines Handys.
Donnernd erschallte eine Stimme durch das Großraumabteil. Es ging um Einkaufspreise, Gewinnmargen, Passwörter und interne Personalentscheidungen eines großen internationalen Fahrzeugherstellers aus Ingolstadt. Der Mann im gelben Anzug und blauer Krawatte führte heftig gestikulierend ein Telefongespräch.

Als ein Kundenbetreuer den Wagen durchquerte, sprach ihn der ältere Mann an: "Können Sie bitte etwas gegen den Lärm unternehmen, wir haben extra den Ruhebereich gebucht, um unsere Ruhe zu haben. Die lauten Handytelefonate gehen uns auf die Nerven." Der Schaffner antwortete: "Ich darf hier leider keine Reisenden disziplinieren, der Ruhebereich ist lediglich ein Appell an die Fahrgäste, sich leise zu verhalten. So wie man in einer Bibliothek erwartet, dass die Benutzer sich leise verhalten." Das dumpfe Motorengebrumm eines anfliegenden Bombergeschwaders, bestehend über Tausend Flugzeugen, untermalt von den Schüssen der Flak unterbrach die Ausführungen des Kundenbetreuers.
Der eingangs erwähnte junge Mann hatte die Lautstärke seines Notebooks kräftig erhöht. "Ich bitte Sie doch bloß Ihr Hausrecht wahrzunehmen und im Ruhebereich des Zuges die Mitreisenden freundlich um etwas Ruhe und Rücksichtnahme zu bitten. Wir haben doch extra den Ruhebereich gebucht, um Ruhe zu haben", entgegnete der Rentner. "Zu gefährlich", gab der Kundenbetreuer zurück, "dann gibt es bloß Beschwerden von den Fahrgästen, welche hier geräuschvoll ihre Individualität ausleben möchten. Das kann mich meine Zielvereinbarungsprämie kosten." Der Schaffner verzog das Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. "Außerdem ist dass hier ein Spiegelbild der Gesellschaft." Sprachs und eilte mit schnellen Schritten davon. Der ältere Mann schaute ihm fassungslos nach. "Spiegelbild der Gesellschaft", murmelte er fassungslos vor sich hin und begab sich zu seinem Platz.

Ich hatte mich wieder hinter meiner Jacke verkrochen und war eingeschlummert. Plötzlich verspürte ich wie Hände meine Jacke betasteten, Ich tauchte hinter dem Jackenvorhang auf und erblickte einen sportlich wirkenden Mann, Ende Fünfzig, welcher meine Jacke befühlte und daran zupfte. "Das ist meine Jacke und die bleibt hängen! Haben Sie denn keine eigene Jacke?", knurrte ich den Mann an. Der Mann schaute mich verunsichert an und bemerkte: "Ich habe mich verlaufen und weiß nicht mehr wo mein Platz ist. Bin immer hin und her gelaufen da war plötzlich mein Platz weg." Der Mann zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Kurz darauf hörte ich, wie ein Fahrgast den verirrten Mann lautstark darauf hinwies, dass er seinen Rucksack nicht befummeln möge.

An ein Weiterschlafen war nicht mehr zu denken. Als ich dann den Ruhebereich zum Ausstieg verließ, kam ich wieder an dem jungen Mann mit dem Notebook vorbei. Die US-Kavallerie stob über das Bild, laut peitschten Schüsse, übertönt vom Kriegsgeheul der Indianer. Der Protagonist schaute jetzt einen Western.

Als ich in Hamburg Hbf. den Ruhebereich des ICE verließ, empfand ich die Umgebungsgeräusche auf dem Bahnsteig als Wohltat.

 

Hallo ulf1,

also ich erzähle dir mal wie das war, mit mir und deiner Geschichte. Ich las den Titel, er war mir zu sachlich. Ich hatte auch gleich eine Vorstellung davon, was da geschrieben wurde. Da mich solche Geschichten nicht so interessieren, las ich das erstmal nicht. Dafür kannst du nichts.
Eben las ich sie doch und fand was ich mir gedacht hatte. Nach dem ersten Absatz war ich raus, musste noch mal von vorne anfangen, weil ich vergesse habe was ich gelesen hatte. Es wiederholte sich irgendwie alles ständig. Ich denke mir, war auch so gewollt. Mir viel zu langatmig.

Es ist der Eindruck den ich beim Lesen hatte, wie gesagt sind solche Geschichten nicht so mein Fall. Vielleicht findet ein anderer das saukomisch.

Liebe Grüße
Charly

 

Hallo, ulf1

Ich bezeichne mich ja selbst als humorlosen Menschen. Es hat trotzdem etwas Gutes, wenn ich Geschichten unter dem Tag „Humor“ kommentiere: Ich weiß das und bin deshalb sehr großzügig. Ich denke mir immer: „Ach, irgendwem, der mehr Humor hat, gefällt das bestimmt.“ Trotzdem glaube ich, dass das ein sehr schwieriges Feld ist, das extrem viel Fingerspitzengefühl braucht, um es zu meistern.

Also, Du hast Dir gleich ein sehr schwieriges Projekt vorgenommen, zumal das Thema doch recht … bearbeitet ist. Horst Evers hat dazu auch eine tolle Geschichte geschrieben, zum Kugeln (ja, manchmal lache sogar ich).

Ich sprach eben von Fingerspitzengefühl. Das geht Dir leider ab, wenn ich das mal so harsch sagen darf. Viele Dinge erscheinen mir eher holzhammermäßig umgesetzt. Und wenn ich meine Empathieantennen ausfahre, vermute ich, dass Holzhammer selten witzig ist.

Aber zuerst die Details. Deine Zeichensetzung an der wörtlichen Rede ist leider komplett konfus.

Das fängt damit an, dass Du keine öffnenden und schließenden Anführungszeichen benutzt, sondern einfach irgendwelche. Beispiele:

«Boah, geil«, freute sich der junge Mann und starrte gebannt auf die Blutpfützen in seinem Display.
«Ich sitze schon im Zug!«, «Ich bin jetzt im ICE und in zwei Stunden da«, «Weißt Du schon wo ich bin? Ich sitze im Zug, Hi,Hi!«.

Also, Du benutzt französische Anführungszeichen. Im Französischen werden diese so benutzt: «» D.h., das mit den Pfeilen nach links öffnet die wörtliche Rede und das mit den Pfeilen nach rechts schließt sie wieder. Im Deutschen benutzt man sie genau andersherum: »« Mir ist es relativ gleichgültig, welche Möglichkeit Du wählst. (Das mag aber nicht jeder so sehen.) Hauptsache ist, Du setzt sie konsequent um. Entscheide Dich für eine Möglichkeit und ziehe das durch. Setz die nicht einfach irgendwie. Wenn Du mit unterschiedlich aussehenden Anführungszeichen nicht klarkommst, empfehle ich Schreibmaschinenanführungszeichen: "" Die sehen vorne und hinten gleich aus.

So, jetzt die Zeichensetzung an der wörtlichen Rede. Auch hier setzt Du ohne sichtbares System Punkte und Kommata an völlig unsystematische Stellen. Dabei ist es ganz einfach. Du kannst bei der wörtlichen Rede 1) den Redebegleitsatz nachstellen, 2) den Redebegleitsatz voranstellen oder 3) den Redebegleitsatz einschieben. Je nachdem, welche Möglichkeit Du wählst, ergeben sich folgende Zeichensetzungsregeln:

1) mit nachgestelltem Redebegleitsatz:
Hast Du drauf, denke ich.

2) mit vorangestelltem Redebegleitsatz.
Hier liegt der Hund begraben. Du machst einen beinahe konsequenten Fehler (auch wenn die wörtliche Rede alleine steht ohne Redebegleitsatz): Du setzt einen Punkt HINTER das letzte Anführungszeichen. Beispiele:

Die Besitzerin der grellen Schrillstimme, eine dürre Endfünfzigerin, bekleidet mit gewaltigen Outdoorsandalen und einem sehr filigranen gelben Kleid, fragte erneut: »Fährt denn dieser Zug nach Hamburg?«.
Der Mann stöhnte auf und gab zurück, »Es gab zwischenzeitlich keine Änderung, dieser Zug fährt immer noch nach Hamburg«.
Der Bürstenfrisurmann stöhnte auf, »Ich frage mich manchmal, was für dumme Leute hier umherlaufen«.
«Ich sitze schon im Zug!«, «Ich bin jetzt im ICE und in zwei Stunden da«, «Weißt Du schon wo ich bin? Ich sitze im Zug, Hi,[] Hi!«.

Das ist keine finale Liste. Das bringt mich aber dazu, Dir nochmal genau zu sagen, wie eine wörtliche Rede mit vorangestelltem Begleitsatz aussieht:
Er sagte: „Hallo.“
So einfach ist das. Redebegleitsatz, Doppelpunkt, erstes Anführungszeichen (nicht irgendeins), wörtliche Rede, Punkt/Ausrufezeichen/Komma, letztes Anführungszeichen (nicht irgendeins). Das kann verwirrend sein, weil es im Journalismus und beim wissenschaftlichen Schreiben, also wenn man zitiert, anders ist. In der Literatur ist es so und nichts anders. Bitte im gesamten Text korrigieren.

3) mit eingeschobenem Redebegleitsatz:
Kannst Du auch schon. Meistens. Meistens setzt Du den Punkt hinter das letzte Anführungszeichen, was, wie ich schon sagte, falsch ist. Aber davor ist es wie bei der wörtlichen Rede mit nachgestelltem Begleitsatz: Wörtliche Rede und Begleitsatz werden durch Kommata getrennt. Ja, zwei diesmal, eins vorne, eins hinten. Deshalb fehlt hier was:

»Eine Frechheit ist das« kläffte die Mutter, »immer diese kinderfeindlichen alten Leute, die oberlehrerhaft alles besser wissen«.

Bitte korrigiere Deine wörtliche Rede sehr, sehr sorgfältig. Da ist einiges im Argen.

Weitere Kleinigkeiten:

Im Berliner Hbf. rollte ich auf der Rolltreppe in das Untergeschoss, genauer gesagt zum Gleis 1.

Abkürzungen werden in Geschichten normalerweise nicht benutzt. „Hauptbahnhof“ ist ein legitim zu verwendendes Wort.

Der Angesprochene, ein kräftiger Mann mit Bürstenhaarschnitt, einem kurzärmligen, blaukarierten Hemd, Mitte 40, antwortete:

Zahlen schreiben wir in Geschichten normalerweise aus. Außer es handelt sich um Dreihunderteinundzwanzigtausendfünfhundertsechsunddreißig. „Gleis 1“ lasse ich Dir noch durchgehen, weil das eine Nummer ist. Aber die „vierzig“ nicht.

»Fährt dieser Zug nach....?«

Ein Punkt oder drei, nicht zwei und niemals mehr als drei. Satzzeichen sind keine Rudeltiere, wie man auf Facebook sagt (wo das Problem sehr evident ist). Außerdem kommt, wenn Du das Satz und nicht das Wort abbrichst, vor den drei Punkten ein Leerzeichen.

So, jetzt widme ich mich aber mal dem Inhalt. Insgesamt würde ich sagen, orthografisch hat Dein Text ein „Editing Eye“ nötig, wie die Amerikanerin sagt. Gib den Text doch einmal einem/einer bewanderten Bekannten zu lesen, um die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.

Ich bin ein Fan von wörtlicher Rede, und sie liegt mir sehr am Herzen. Das sollte sie Dir auch, denn Dein ganzer Witz verbirgt sich dort. Beziehungsweise: Will sich dort eigentlich verbergen. Leider verbirgst Du gar nichts.

Der Typ am Bahnsteig beleidigt doch die Frau tatsächlich ganz offen. Die Frau fragt tausendmal das gleiche. Der Typ, der Filme guckt, flüstert: Boah, geil. Dein Prot führt Selbstgespräche. Eltern flippen sofort aus.

Deinem Text geht jegliche Subtilität ab. Alles ist: Wumms, hier ist der Witz, das Übertriebene, zack! Der Witz an solchen Übertreibungstexten ist, dass man sich das so ähnlich zumindest vorstellen kann, es auch schon so erlebt hat. Dafür braucht man aber als Autor/in sehr viel Fingerspitzengefühl. Reine Übertreibungen reichen nicht. Man muss das nehmen, was die Leserin kennt, es gerade so weit übertreiben, dass sie drüber lacht, aber nicht so weit, dass sie den/die Autor/in selbst total bescheuert findet.

Das Ding ist: Jeder von uns hat sich schon über Lärm im Ruhebereich von Zügen geärgert. Ich zumindest. Oft. Da könntest Du mich packen. Die ältere Dame, die unglaublich Panik schiebt, dass sie in den falschen Zug einsteigt, kenne ich. Aber sie fragt niemals fünfmal das gleiche. Sie würde ihre Sorge variieren, trotzdem weiter nerven: Fährt der denn pünktlich? Wo ist denn Wagen 4? Wie bitte? Oh Mann, diese Züge kommen immer zu spät, und meine Freundin wartet in Hinterdingenskirchen, denken Sie, dass wir pünktlich sind? Wann kommt der überhaupt in Hinterdingenskirchen an? Wissen Sie das? Und auf welcher Seite muss man da aussteigen?

Und der Typ würde vielleicht immer süßlicher sprechen, immer langsamer, lauter und netter. Dann kann ich selbst herausfinden, wie er sich fühlt. So klatscht Du es mir volle Kanne ins Gesicht: Wumms, die Frau nervt. Wumms, der Typ ist genervt. Ich muss nichts mehr selber denken, nichts mitfühlen, nichts verstehen. Und deshalb ist das Einzige, was ich denke: So was passiert nicht wirklich. Und eigentlich willst Du mich doch genau bei meinen Erfahrungen abholen, oder?

Also, ich würde Dir empfehlen, das runterzuskalen, den Hammer wegzulegen, die Schmiedehandschuhe auszuziehen und stattdessen auf die fingerlosen Handschuhe umzusteigen. Dem Text mehr Säuseln geben, weniger Wumms. Diese Geschichte würde ich nämlich wirklich gerne lesen. Tatsächlich kannst Du Leute gut reinziehen, indem Du sie bei Dingen packst, die sie gut kennen. Diesbezüglich empfehle ich den Anfang von „Die Meißnern“ von NWZed. https://www.wortkrieger.de/showthread.php?63151-Die-Mei%DFnern Er zieht mich sofort rein, ich möchte rumspringen und schreien: Solche Nachbarn habe ich auch. In meiner Erfahrung ist es viel, viel schlimmer. So könnte die Geschichte funktionieren.

Das würde ich gerne lesen, also: Make it work!

Und ich hoffe, ich habe Dich nicht zu sehr erschreckt. Sei Dir sicher, ich meine es nicht böse. Ich glaube nur, dass dies die Stellen sind, durch die Du Deinen Text entscheidend verbessern kannst. In diesem Sinne: Willkommen bei den Wortkriegern und viel Spaß im Forum.

Wumm-Grüße,
Maria

 

Hallo ulf1,

Ich bin eine ganze Weile zwischen Bonn und Berlin gependelt, habe also viele Reisen im ICE Ruheabteil hinter mir. Auch mag ich "alltägliche" Kurzgeschichten mit viel Witz. Trotzdem bin ich mit deiner Geschichte nicht ganz warm geworden.

Folgendes waren die Punkte, die es mir schwer gemacht haben, in deine Geschichte reinzufinden:
1) Die meisten Charaktere waren sehr klischeehaft. Das ist natürlich gerade in einer witzig gemeinten Geschichte vielleicht gewollt, aber es waren zT so abgedroschene Klischees, dass sie einfach den Reiz, verloren haben. Die verwirrte Damen beispielsweise direkt zu Anfang, war für mich so ein Beispiel. Es wäre für mich interessanter gewesen, wenn die Charaktere etwas weniger den absolut gängigen Klischees entsprochen hätten.

2) Die Charaktere sind unglaubwürdig überspitzt. Auch hier, wie bei Punkt 1, etwas, das vielleicht in einer witzig gemeinten Geschichte Absicht ist. Aber direkt zu Beginn dachte ich: Naja, also auch eine sehr verwirrte ältere Dame würde nicht immer wieder die genau selbe Frage stellen. [Falls doch, würde ich mir Sorgen darum machen, warum sie ohne Begleitung Zug fährt, da das möglicherweise der Ausdruck starker kognitiver Einschränkungen ist, wodurch sie allein auf dem Bahnsteig gefährdet wäre.] Hier hätte die Geschichte für mich authentischer und dadurch witziger und interessanter gewirkt, wenn die Charaktere etwas echter gewirkt hätten.

3) Die Geschichte ist recht lang. Ich lese gern lange und auch langatmige Geschichten, aber nur, wenn die Geschichte dadurch eine tolle Stimmung aufbaut, oder mich noch mehr in ihre Welt oder die Charaktere hineinzieht. Das war hier für mich nicht der Fall. Für mich hätte die Geschichte besser gewirkt, wenn sie etwas knapper ausgefallen wäre. Damit meine ich vor allem, dass die einzelnen Abschnitte jeweils mit weniger Wiederholung besser auf den Punkt gebracht werden könnten. Ich finde gerade bei dieser Art von Humor ist es besonders lustig, wenn die Dinge direkt auf den Punkt gebracht werden.

Das heißt ich finde, die Geschichte würde von authentischeren und weniger klischeehaften Charakteren profitieren, und könnte gekürzt werden.

Vielen Dank für's Teilen!
Liebe Grüße,
Maria

 

Hallo Maria,

vielen Dank für Deine Tipps, den Text habe ich nun überarbeitet. Mit Sicherheit ist diese Reisekurzgeschichte keine schreiberische Glanzleistung, Deine Hilfestellung werde ich in anderen Geschichten umsetzen.

 

Hi ulf1,

Deine Geschichte hatte ich schon vor längerer Zeit mal gelesen, mir aber einen Kommentar gespart, da schon andere ausreichend kommentiert hatten.

Jetzt auch nur ein ganz kurzer Kommentar:

Im Berliner Hauptbahnhof rollte ich auf der Rolltreppe in das Untergeschoss, genauer gesagt zum Gleis 1.

Dir ist schon klar, was Du da im ersten Satz geschrieben hast, oder? Ich meine "rollte auf der Rolltreppe". Ist er da runtergekugelt? Meinst Du das? ich finde das lustig, befürchte aber, dass Du das so nicht gemeint hast.

Keine Sorge, ist der Klassiker für Betriebsblindheit beim eigenen Text.


Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo ulf1,

ich habe Deine Geschichte gelesen und kenne die Leiden einer ICE-Fahrt nach Hamburg aus eigener Erfahrung. Ich bin jedoch gar nicht der Typ Schläfer, sondern arbeite gerne am Laptop oder habe endlich Zeit die c't zu lesen. Aber zurück zu Deiner Geschichte. Ein Aspekt, der für mich nicht passt, ist das reine Hinnehmen der Situation durch den ICH-Erzähler. Eigentlich will er ja schlafen. Er wird jedoch immer wieder gestört. Aber schläft dann einfach so, ohne jede Gefühlsregung, immer wieder ein? Ich finde, da geht der Geschichte die Entwicklung verloren.

da er du seine Frau
Sollte sicherlich "da er und seine Frau" sein?

Viele Grüße
Heiko

 

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