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Eine Wolle Story - Kerwe in der Stadt
Es ist soweit, Kerwewochenende in unserer Stadt.
Könnt Ihr euch vorstellen, was das bedeutet?
Wolle ist vier Tage lang auf Achse und praktisch von Freitag bis Montag besoffen.
Freitag bis Montag ist bei uns dann immer Ausnahmezustand.
Letztes Jahr hab ich mir mal die Mühe gemacht, Buch zu führen.
Freitag Nachmittag erkundete Wolle mit mir zusammen die örtlichen Gegebenheiten, wie lange braucht man von einer Straußenwirtschaft in die nächste, wo sind dazwischen öffentliche Toiletten, wo ist das beste Bier am günstigsten?
Gegen 18.00 Uhr waren unsere Laufwege, ähnlich der von wilden Tieren an Wasserstellen festgelegt, Wolle hatte einen genauen Zeitplan erstellt und unsere Tour de Alkohol sollte beginnen.
Nach einer kleinen, zweistündigen Stippvisite in der ersten Kneipe, wollte Wolle natürlich auch die einzelnen Attraktionen ausprobieren.
Also Autoscooter, Schiessstände, Schiffschaukel, etc.
Wir begannen ganz locker mit einer Fahrt auf dem Kinderkarussell.
Nach einem kleineren Gefecht mit zwei etwa sechsjährigen Mädchen, die schnell aufgaben, enterte Wolle brüllend einen Hubschrauber und ahmte während der ganzen Fahrt dessen Flopp-Flopp-Flopp-Geräusche nach.
Dann entdeckte er das Feuerwehrauto und wollte ab der zweiten Fahrt unbedingt die Glocke bimmeln.
Der vordere Platz war schon besetzt und zwar von einem etwa achtjährigen Jungen, der weitere sechs Chips krampfhaft in seiner Hand hielt. Wolle versuchte den Jungen zu überreden, dann drohte er ihm Schläge an, schliesslich entfernte er ihn kurzerhand aus dem Feuerwehrauto, indem er ihn kurzerhand auf ein Pferd setzte.
Pech nur, dass dessen Vater direkt vor dem Karussell stand und dabei zusah.
Denn bevor Wolle auch nur in die Nähe der Glocke kam, war er schon in die Faust des Vaters gelaufen.
Er beendete diese Fahrt liegend unter einer springenden Sau mit nur noch drei Beinen, leicht lädiert und mit einen blutunterlaufenes Veilchen.
Um die schmähliche Niederlage schnell vergessen zu machen, gingen wir umgehend in die nächste Hinterhofkneipe, aus der laute Musik auf die Strasse tönte.
Fast drei Stunden, oder besser sechs Bier und einige Fischbrötchen lang hielten wir es dort aus, bis Wolle wieder hergestellt war und auf die Idee kam, Schiffschaukel fahren zu müssen.
Nun gibt es auf solchen Festen einige ungeschriebene Gesetze.
Das wichtigste davon lautet: Keine Fischbrötchen *vor* der Schiffschaukel!
Wolle kannte dieses Gesetz noch nicht. Nachdem er jedoch seine beiden Fischbrötchen in handlichen Brocken und aufgelöst in einigen Bieren etwa 25 Meter weit aus der Schiffschaukel gekotzt hatte, wird er es nie wieder vergessen.
Als wir dann, Wolle noch ziemlich grün im Gesicht, auf dem Weg zu einem neuen Bierzelt waren, wollte er unbedingt erst noch einen Teddybär für seine Freundin schießen, sozusagen als Beweis seiner Männlichkeit.
"Wir Männer sind im Inneren Jäger geblieben mein Alter, verstehste? Und wir müssen das den Weibern ständig wieder beweisen."
Als wir den Schießstand verließen, wo Wolle gerade mal zwei Nelken erlegt hatte, gab ihm der Schiessstandbesitzer aus Mitleid einen kleinen, blauen Teddy in die Hand.
Wolle hatte ihn dreimal getroffen, einmal in die linke Pfote, einmal ins rechte Ohr, einmal ins rechte Auge.
"Den kann ich eh nicht mehr loswerden", sagte er, "geben sie mir zehn Euro und sie können ihn mitnehmen."
Wolle trug den erbeuteten Teddy anschließend wie eine Trophäe von Kneipe zu Kneipe, er legte ihn nicht mal zur Seite, als mit dem Autoskooter Amok fuhr.
Erst als er einem Drittklässler am Kinder-Haut-den-Lukas zeigen wollte, wo Bartel den Most holt, drückte er ihn mir ganz zart und vorsichtig in die Hand.
Trotz allen guten Vorsätzen wurde jedoch auch dieses ungleiche Duell zu einem üblen Fiasko.
Von zehn Versuchen traf Wolle immerhin zweimal den Metallbolzen und einmal den Fuß des Betreibers, kam aber über den ersten Strich "Mamasöhnchen" leider nicht hinaus.
Trost fanden wir dann wieder mal in der nächsten Kneipe.
Unser Abgang gegen 0.35 Uhr war eher kläglich. Der Sanitäter im Rettungsfahrzeug, der Wolle gekonnt den Magen auspumpte, sprach immerhin von einer ziemlich außergewöhnlichen Bierleiche.
Wolle verlangte von ihm allen Ernstes, er solle dem Teddy wegen dessen blauer Gesichtsfarbe unbedingt Mund-zu-Mund beatmen und ihm dann sofort eine Infusion legen.
Der Sanitäter schaute mich nur verstört an und schüttelte die ganze Fahrt über den Kopf.
Und der Samstag?
Wolle trug einen Kampfanzug der Bundeswehr inklusive Springerstiefel und hatte sehr dezent etwa ein Pfund Tarnfarbe aufgelegt. Sein rechtes Auge schillerte mittlerweile in allen Farben. Er trug seinen kleinen, blauen, invaliden Teddy im Arm und marschierte schnurstracks wieder aufs Kerwegelände.
"Es gibt viel zu tun, packen wir es an!", waren seine Worte, während er das Feuerwehrauto, sein Objekt der Begierde, keine Sekunde aus den Augen ließ.