"Eine Waldmär"
Es trug sich zu dass ein sehr reicher, Garmarnischer Rittersmann während der Mayenzeyt auf einer van Langen Reise war. Er hatte schon Dreyerley Dudelzwerge getroffen, allerley Duivelspack ward ihm nachgefolgt, und auch Die Streuner hatten ihm gezeigt, dass er mit all seinem Geld wohl auf der Hut sein musste. So hatte er am vergangenen Tage den Eschenbach überquert und heute stolz den sagenumwobenen Wolkenstein hinter sich gelassen. Als der Tag sich nun seinem Ende entgegen neigte, erreichte der Ritter den kühlen Utvald mit Bäumen von mannigfaltigem Wildwuchs. Ermüdet von seinen Abenteuern legte er eine wohlverdiente Rast ein an einem angenehmen Fleck Erde und schlug zwischen duftenden Ranunculus sogleich sein Nachtlager auf.
Da kam ein diebisches Geschöpf vom Walt-her von der Vogelweide, welches gerade auf einem Elster Silberflug war. Die Elster entdeckte all den Prunk des Edelmannes und beschloss zu warten, bis er sich zum Schlafe niederlegte, um ihn ein wenig von seinen sicherlich schwerlastenden Reichtümern zu erleichtern. Bald schon war es soweit, der Vogel schwebte herab und begann im Lichte des Wolfenmonds in den Habseligkeiten des Mannes zu suchen. Als der Ritter davon erwachte, da flatterte die Elster schon mit einer güldenen Laterna Magica im Schnabel auf einen Ast.
Der Bestohlene gar in Tanzwut entbrannt, schrie: „Du närrischer Corvus Corax! Was fällt dir ein?“
„Du halt nur dein Schandmaul!“ entgegnete der Vogel Schelmish, „Um dieses Kleinod willst du hadern? Dich schick ich gleich durch einen verborgenen Subway to Sally! Die hext dir so schmerzliche Furunkulus an, dass du wie Des Geyers Schwarzer Haufen aussiehst!“
„Bist du etwa einer von Des Teufels Lockvögeln?“ fragte der Ritter entsetzt. Daraufhin war die Elster recht erbost. „Du Narrenkönig hast wohl deine Zunge nicht im Zaum! Auf dein freches Mundwerk bring ich dich zu deiner Letzten Instanz!“
Die Elster klapperte geheimnisvoll mit dem Schnabel, und ehe er sich’s versah, fand sich der Ritter im Inneren eines hohlen Baumstammes wieder.
„Cornix Maledictum!“ rief er überrascht aus, „Was ist das für ein Rabentantz?“
Da hörte er mit Ohrenpeyn ein Sausen und Brausen, wie das Saltarello in der Luft und vernahm eine wispernde Stimme, die zur Elster sprach – die Stimme des Fauns namens Sally.
„Was dich zu mir führt?“ flüsterte die Stimme.
„Dieser In Extremo törichte Ritterkerl ist so geizig! Ich will, dass du einen Veitzfluch über ihn verhängst, er geht mir auf die Sackpfeiffe!“ zeterte die Elster.
„Soll ich ihn Brennen oder Einfrieren?“ fragte der Faun.
„Seid ihr noch bei Trost, das könnt ihr doch nicht tun!“ rief der Rittersmann aus, „Habt Gnade, ich will mich entschuldigen!“
„Dann du dich von deinem Geschmeide trennst und es denen die es nötig haben gibst!“ befahl der Faun in scharfem Ton, „Und wehe dir wenn nicht folgst du!“
Dem Ritter ward so bang, dass er sich sogleich aufmachte. Vom Rabenschrey verfolgt wurde er zum nahe gelegenen Johannsdorf, das im Reuenthal lag, getrieben. Unter strenger Aufsicht der Elster verteilte er sein Geld dort an die Bettler und das Geschmeide an die verarmten Witwen. Die Elster zog sodann mit Argwohn von dannen und von da an war der Edelmann von seinem Geiz geheilt. Man könnte auch sagen, er war ab der Zeit fogelvrei. Ob der Vogel denn nicht nur ein Scharlatan war?