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Eine von vielen Welten
Eine von vielen Welten
(Für meinen Sohn Daniel, der auch in einer anderen Welt lebt)
Pauls Augen brannten. Die Nacht hatte er in der Sternwarte verbracht und nicht, wie üblich, vor dem Computer. Beeindruckender fand er es, mit dem Teleskop den wahren Sternenhimmel zu beobachten, anstatt seine Zeit lediglich künstlichen Bildern zu schenken. Rings um ihn herum stapelten sich Berge von Papiere sowie Berechnungen verschiedener Sterne und Planeten, denn - intelligentes Leben zu finden und eine neue Welt zu entdecken - DAS war Pauls Traum.
Halb sieben - eine halbe Stunde, bis es in den wohlverdienten Urlaub gehen würde. Paul freute sich auf den Abend, dann könnte er nämlich wieder mit Josef philosophieren. Im Garten stand ein altes, gemauertes Gartenhaus mit einer Holzterrasse. Gleich daneben ein beschaulicher Teich, in den sich leise plätschernd ein kleiner Wasserfall ergoss. Immer mal wieder saßen wir hier, um bis tief in die Nacht Sterne zu beobachten und dabei über Gott und die Welt zu philosophieren.
Nicht selten führte dies zu wuchtigen Wortgefechten - kein Wunder, wenn zwei Welten – ein Atheist und ein Geistlicher – aufeinandertrafen.
Langsam wurde es Nacht, und unser Volk versammelte sich wie jeden Abend, um sich auszutauschen.
Ein jeder konnte, wenn er es sich selbst erlaubte, sich den anderen öffnen, seine Gedanken offenbaren und mit dem anderen philosophieren.
Schon immer formten sich zwei Gruppen – die Gottesfürchtigen und die Zweifler.
Einige kamen aus kleinen kalten Welten – ohne Vater, ohne Mutter.
Andere hatten Eltern – lebten hier in dieser.
Dann waren da noch zwei sehr Alte - aus einer sehr großen Welt, in der es keine Nahrungsgeschenke und Wunderheilungen gab. Sie wurden aus Ihrer Welt gerissen und mussten die Kinder zurücklassen.
"Es muss schön sein, Eltern zu haben! Ich komme aus einer anderen Welt, in der es keine Eltern gibt."
"Erzähl uns davon!"
"Nun, die Welt, in der ich aufgewachsen bin, ist sehr klein, kalt und kahl. Glatte, undurchdringliche Grenzen umgeben sie. Es gibt keine Pflanzen, kein anderes Leben."
" Wie habt ihr dort gelebt?"
"Wir waren viele kleine Schwestern und Brüder. Alte gab es dort nicht. Einen Vater oder eine Mutter besass niemand von uns. Das Wasser war immer gleich warm und jeden Tag gab es reichlich Nahrung. Es wurde nicht langsam dunkel und langsam wieder hell wie hier. Tag und Nacht wechselten immer mit einem Mal um die gleiche Zeit. Mal für sich zu sein, sich zwischen Pflanzen zu verstecken, zu spielen und täglich neue Dinge zu erforschen – kannten wir nicht.
Es schmerzte sehr, wenn Gott wieder mal ein paar von uns holte! Und fast täglich verließen uns einige.“
"Und wie bist Du in unsere Welt gekommen?“, wurde einer der Neuen gefragt.
"Etwas tauchte tief in unsere Welt ein und kam geradewegs auf mich zu. Panische Angst ergriff mich, als ich durch die Grenze gezogen wurde – Gott mich anfasste. Ich dachte, er würde mich umbringen. Man, man kann nicht atmen und, und droht zu ersticken. Die plötzliche Schwere zerdrückte mir beinah‘ die Eingeweide. Mit noch drei anderen fand ich mich in einer noch kleineren, plastischen Welt wieder, in welcher wir durch Zeit und Raum reisten, bevor wir in eure Welt eintauchten.“
Als Josef kam, dämmerte es bereits.
"Hast Du endlich Gott gesehen?", waren seine ersten Worte, mit denen er mich begrüßte.
Ironie gepaart mit einem Hauch von Angst schwang mit in seiner Stimme.
„Leider noch nicht“, lachte ich. „Du kannst deinem Beruf also noch eine Weile nachgehen. Ich umarmte ihn und freute mich auf einige Stunden geistreicher Gespräche.“
„Die Nacht verspricht warm zu bleiben – sicherlich eine Nacht nimmer endender Diskussionen.“
"Wir sind beide Suchende. Ich – nach fremden Welten und Du – nach „unserem“ Gott."
"Es gibt Myriaden von Welten im Universum. Und wenn dort intelligente Wesen „wohnen“, werden sie mit Sicherheit auch einen oder mehrere Götter haben. Also hör endlich auf, mit dem einzig wahren und richtigen Gott. Es ist einfach nur dein Gott.“
"Solange du mir keine Aliens vorstellst, die den Richtigen anbeten, und dass auch beweist, kannst du mich nicht von meinem Glauben abbringen."
"Wir finden immer mehr Planetensysteme mit sogenannten Supererden.
Es wird nicht mehr lange dauern und wir werden außerirdisches Leben entdecken.
Doch wahrscheinlicher ist es, dass Sie UNS finden werden.
Was würdest Du sagen, wenn sie uns erzählen, das Ihre Rasse vor einigen Tausend Jahren das Leben auf die Erde gebracht haben?"
"Halt, genug! Auch du hast noch keine Beweise! Alles nur Wunschgedanken und Spekulation! Wir sind Menschen! - In Ordnung, ich gebe ja zu, dass die Welt nicht in sieben Tagen erschaffen wurde. Aber wir haben uns eigenständig, mit Hilfe von Gott, entwickelt. Wir sind doch keine Züchtung irgendwelcher fremder Lebewesen."
"Warum nicht? Wir züchten Rinder, Schweine, Schafe, Hühner oder auch Fische. Und wir verändern das Erbgut von Tieren und Pflanzen."
"Es wurden wieder zwei von uns geholt! Gott hat uns dafür vier neue Schwestern und Brüder geschenkt. Ach, Vater! Ich kann es nicht glauben, dass unser Gott so grausam ist. Zwei gute Freunde habe ich verloren. Jetzt bin sehr traurig darüber.“
"Das musst Du nicht! Sicher leben sie jetzt in einer anderen Welt weiter. Denn dass es andere Welten gibt, das wissen wir."
Der Sonnenaufgang war bezaubernd. Golden strahlte es aus dem dunklen Universum.
In diesem Moment – glänzten die Goldfische golden wie noch nie. Anmutig, als schwebten sie unter der spiegelglatten Oberfläche des Teiches.
"Weist Du Josef… in diesen Momenten – glaube ich auch an so etwas wie einen Gott.
Ein Gott, verantwortlich für ALLES, was im Universum existiert.
Einer, der weder gut noch böse ist. Einer, dem es einfach egal ist, wie sich alles entwickelt.
Die Evolution spielt sich nicht nur auf unserer Erde, sondern in Milliarden von Galaxien im gesamten Universum ab.“
„Ich mache uns jetzt einen starken Kaffee. Du kannst in der Zeit die Fische füttern."
"Waren beim letzten Besuch nicht einige von ihnen krank oder hatten einen Pilz?"
"Eine Flasche Medizin in den Teich und alle sind wieder gesund."
"Anmutig, wie sie so im Wasser schweben“, meinte Josef, „und es sind sogar schon wieder einige mehr!"
Langsam wurde es hell, während das Wasser noch angenehm warm war und wir schwerelos umher schwommen.
„Seht mal! Zwei Götter sind es heute – und sie blicken uns geradewegs an!“
„Gleich tauchen sie sicher ihre Hände hinein!“
„Den Händen der Götter können wir nicht entgehen!“
„Vielleicht ist die Zeit gekommen,...“
„...uns zu anderen Welten zu führen.“
"Also, der Fischreiher hat zwei geholt. Da hab ich in der Zoohandlung vier Junge gekauft.
Aus diesen seelenlosen, sterilen Zuchtbecken. – Ach, sieh‘ dort! Die zwei Großen habe ich von Detlef, aus seinem traumhaften Naturteich! Er überlässt alles der Natur. Kein Füttern – keine Medikamente."
Leicht ungeschickt öffnete Josef den Eimer. Und zum ersten Mal in meinem nicht mehr ganz jungen Leben hörte ich ihn fluchen, als der offene Eimer mit Fischfutterflocken auf die Terrassenbretter knallte.
Ich musste laut lachen. Es war wohl ein wenig Zuviel des Weines heute Nacht, so wie sich der Eimer zur Hälfte in den Teich entleerte.
Ein KNALL – wir zuckten zusammen, als plötzlich eine Unmenge an Fischfutter ins Wasser eintauchte.
So viel, dass sich unsere Welt für einen Moment verdunkelte.