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Eine traurige Geschichte

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25.05.2002
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Eine traurige Geschichte

Drei Jahre war Andreas arbeitslos. Drei lange Jahre. Jetzt arbeitete er als Vorkoster in einem medizinischen Labor. Wein mußte auf seine Verträglichkeit für Zuckerkranke getestet werden. Er lebte mit der Fleischwarenfachverkäuferin Anneliese zusammen. Sie war seit zehn Monaten bei dem Marktbeschicker Pluschke angestellt.
Gestern war er mit schwerer Zunge nach Haus gekommen. Anneliese steckte ihn einfach in sein Bett und ließ ihn schlafen.
Heute, am Mittwoch, kam der gute Andi besonders spät nach Haus. Leicht verärgert fragte sie:
„Wo treibst Du dich denn herum? Warte schon drei Stunden auf Dich!"
„Ich habe nicht getrunken, nein, nein, heute habe ich mich um eine andere Dame kümmern müssen!"
„Wer soll denn das sein?"
„ Sie ist so eine große, hagere Frau und läuft immer in schwarzen Klamotten. Schätze, sie ist so gut und gern 70 Jahre alt. Sie hat auch einen Hund."
„Was hat sie?" Anneliese hatte ihn bei seiner Nuschelei nicht ganz verstanden.
„Ja, so einen Hund, so einen Wau, Wau, du weißt schon. Er ist an der Schulter um 30 Zentimeter groß, Mischling, struppig, so einer zwischen Zahnbürste und Bettvorleger, ist ganz grau der Bursche. Hat mir auch ein Loch in die Hose gerissen."
„Zeig mal her. Wahrhaftig! Hoffentlich hast Du die Dame zur Kasse gebeten! Das Stück ist hinüber! Wie konnte nur so etwas passieren?"
„Ich wollte doch heute Morgen zu Dir auf den Stand vom Pluschke. Also mußte ich bei eurer Konkurrenz vorbei. Dort stand diese alte Frau und kramte in ihrer Geldbörse. Das Tier saß im Körbchen auf dem Gepäckträger. Als ich vorbei ging knurrte er und schnappte sofort zu, packte mich hier oben an der Buxe und riß das Stück heraus. Als ich mir den Schaden besah, war die Alte weg, einfach weg."
Anneliese wackelte mit dem Kopf. Sie dachte, der Kerl spinnt doch, will dir ein Märchen erzählen.
„Na und, dann erzähl mal weiter, hast du sie noch erwischt?"
„Also ich hab erst einmal den Herrn Fleischermeister gefragt, wo sie hin ist. Er konnte vor Lachen keine Antwort geben. Dann gluckste er so vor sich hin, „da, da, runter" und wedelte in Richtung zum Rathaus. Ich bin gleich hinterher, aber ich hatte kein Fahrrad. Die Tante war schneller! Bin dann wieder zurück auf den Markt, wollte zu Dir, aber ihr hattet schon abgebaut, auch Du warst verschwunden!"
„Du weißt doch, um 13.00 Uhr ist Schluß!"
„Ich weiß. Aber euer Konkurrenzschlachter war noch da. Fing gleich wieder zu grinsen an, als er mich sah. Ich habe ihn noch einmal nach seiner Kundin gefragt. Er gab mir auch einen guten Tipp. Ich sollte es mal am Bahnhof versuchen. Die Frau würde dort arbeiten. Sie würde die Toiletten reinigen. Wäre eine ganz verarmte Flüchtlingsfrau, aber sehr anspruchsvoll, wenn es um ihren Rüden ging!"
„Mensch Andi, du hast aber ne lange Leitung! Hättest mich doch gleich gefragt! Mann, das ist die Hunde-Lene ! Die ist doch in der ganzen Stadt bekannt! Kommt auch immer zu uns wegen Kalbsknochen. Müssen immer schön weich sein, die Knochen bitte nur von ganz jungen Kälbchen, ihr Liebling wäre auch schon alt und hätte schlechte Zähne!"
„Was? Hunde-Lene heißt sie? Warum sagste das nicht gleich? Da gehe ich doch sofort zum Bahnhof!"
„Geh mal hin, aber paß auf, daß sie Dir nicht ihre Pinkelgroschen andreht! Dann mußte bis morgen Früh aushalten!"
Schon nach einer halbem Stunde war Andreas zurück.
„Na, haste dein Geld?" Anneliese überfiel sofort ihren Liebsten. Er setzte sich an den Küchentisch und starrte vor sich hin.
„Na los, was ist?"
„Wenn nicht alles so traurig wäre, müßte ich jetzt laut lachen! So was, ach nee, mir ist etwas ganz Verrücktes passiert! Jedenfalls, ich bin zu unserem Bahnhof hin und an der Mauer, da an der rechten Seite wo die Taxis warten, stand das Fahrrad mit dem Hundekörbchen. Ich also rein in die Halle, lauf rechts den Gang runter zu den Toiletten. Sie putzte gerade bei Damen. Als der Köter mich sah, fing er an zu bellen und die Frau knurrte mich an, ich solle abhauen, das wäre hier nur für Damen!"
„Ja, nun mal los, mal weiter, laß dir doch nicht die Worte aus der Nase ziehen!"
„Mensch ich rede doch schon. Ich habe der Lokusmuttel gesagt daß ihre Promenadenmischung meine Hose zerfetzt habe, ich wolle Schadenersatz! Da fing sie zu zittern an, nahm ihren Wauwau auf den Arm und sagte:
>Das stimmt nicht! Sie lügen! Mein Kackerle macht so etwas nicht! Scheren Sie sich weg, Sie Lügenbold!<
Dann gab sie dem Struppi ein Küßchen auf die Nase und sprach zu ihm:
>Ach mein liebes kleines Kackerle! So etwas Häßliches machst du doch nicht! Das ist ein ganz böser Mann! Der will dein liebes, liebes Frauchen ärgern! Los, hol ihn dir!<
Du wirst es mir nicht glauben, Anneliese, ich bekam es mit der Angst. Dieser Mistkerl verfärbte sich von Grau nach Schwarz, seine Haare sträubten sich, ich glaube er wurde auf einmal doppelt so groß, seine Augen begannen zu glühen, aus seinem Maul schossen Feuerflammen, es war der Teufel! Ich hörte nur ein schrilles fassssss, Kackckckeeeerle! Da bin ich abgehauen!"
Anneliese hatte inzwischen die Küche verlassen, hatte über Handy den Notruf abgesetzt. Sie würden gleich kommen. Sie sagten, sie brächten eine Zwangsjacke mit.
Eigentlich ist die Geschichte hier zu Ende. Doch dem Chronisten bleibt die Pflicht über den Tag hinaus zu berichten. Nach diesem geschilderten Mittwoch lebte die Hunde-Lene noch ein Jahr und drei Monate. Sie starb im hiesigen Krankenhaus und ruht nun auf dem Neuen Friedhof. Kackerle kam in das Tierheim. Schon nach vier Wochen schlief er ein. Sein kleines Hundeherz war gebrochen. Jetzt sind beide wieder vereint. Manchmal, vor allen in den dritten Nächten nach Neumond, heult der Wind um unsere Bleibe. Dann glauben wir zu hören:
„Kackerle, bleib bei mir, bleib bei deinem Frauchen, mein liebes, liebes Kackerle!"

 

Hallo altegise,

Deine Geschichte zeigt zwar einen Ausschnitt aus unserem gesellschaftlichen Menschenspektrum, doch vermisse ich das Aufgreifen einer eindeutigen gesellschaftlichen Problematik.
Bis auf einige Kleinigkeiten ist die Geschichte auch flüssig erzählt, gelungen finde ich wenn der Hund anfängt zu „bellen“ und die Frau den Prot. anknurrt.

Warum heißt es: „um eine andere Dame kümmern müssen“? Eine andere ist doch nicht erwähnt, er wird doch nicht zu seiner Freundin Dame sagen, eine Ironie ist nicht deutlich.

„Pinkelgroschen andreht! Dann mußt du bis morgen früh aushalten!“ - Er kann doch am nächsten Morgen kommen (oder man muß verdeutlichen, dass er die Groschen sofort kassieren muß).

„unsere Bleibe“ - wer ist gemeint? Aussenstehende Chronisten, oder das Paar? Es wäre besser, den Chronisten schon am Anfang einzuführen, so wirkt er als Notlösung.

Die Stelle mit der „Zwangsjacke“ ist unglaubwürdig, die betreffende Szene müßte für die frau bedrohlicher sein.

Die Geschichte ist zu unentschieden, um ein trauriges Schicksal (mit oder ohne lustige Einsprengsel) in einen gesellschftlichen Kontext zu stellen.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon, Danke für die Kritik! Ich habe die Geschichte noch einmal überarbeitet und denke, sie ist nun besser.
Tschüß --- altegise

Eine traurige Geschichte

Drei Jahre war Andreas arbeitslos. Drei lange Jahre. Jetzt arbeitete er als Vorkoster in einem medizinischen Labor. Wein mußte auf seine Verträglichkeit für Zuckerkranke getestet werden. Er lebte mit der Fleischwarenfachverkäuferin Anneliese zusammen. Sie war seit zehn Monaten bei dem Marktbeschicker Pluschke angestellt.
Gestern war er mit schwerer Zunge heim gekommen. Anneliese steckte ihn einfach in sein Bett und ließ ihn schlafen.
Heute, am Mittwoch, kam der gute Andi besonders spät nach Haus. Leicht verärgert fragte sie:
„Wo treibst Du dich denn herum? Warte schon drei Stunden auf Dich!"
Er grinste:
„Ich habe nicht getrunken, konnte nicht so schnell zu Dir kommen, nein, nein, heute habe ich mich um eine schöne Frau kümmern müssen!"
„Wer soll denn das sein?"
„ Sie ist eine große Hagere und läuft immer in schwarzen Klamotten. Schätze, sie ist so gut und gern 70 Jahre alt. Sie hat auch einen Hund."
„Was hat sie?" Anneliese hatte ihn bei seiner Nuschelei nicht ganz verstanden.
„Ja, so einen Hund, so einen Wau, Wau, du weißt schon. Er ist an der Schulter um 30 Zentimeter groß, Mischling, struppig, so einer zwischen Zahnbürste und Bettvorleger, ist ganz grau der Bursche. Hat mir auch ein Loch in die Hose gerissen."
„Zeig mal her. Wahrhaftig! Hoffentlich hast Du die Alte zur Kasse gebeten! Das Stück ist hinüber! Wie konnte nur so etwas passieren?"
„Ich wollte doch heute Morgen zu Dir auf den Stand vom Pluschke. Also mußte ich bei eurer Konkurrenz vorbei. Dort stand diese Frau und kramte in ihrer Geldbörse. Das Tier saß im Körbchen auf dem Gepäckträger. Als ich vorbei ging knurrte er und schnappte sofort zu, packte mich hier oben an der Buxe und riß das Stück heraus. Als ich mir den Schaden besah, waren die Beiden weg, einfach weg."
Anneliese wackelte mit dem Kopf. Sie dachte, der Kerl spinnt doch, will dir ein Märchen erzählen.
„Na und, dann erzähl mal weiter, hast du sie noch erwischt?"
„Also ich hab erst einmal den Herrn Fleischermeister gefragt, wo sie hin ist. Er konnte vor Lachen keine Antwort geben. Dann gluckste er so vor sich hin, „da, da, runter" und wedelte in Richtung zum Rathaus. Ich bin gleich hinterher, aber ich hatte kein Fahrrad. Die Tante war schneller! Bin dann wieder zurück auf den Markt, wollte zu Dir, aber ihr hattet schon abgebaut, auch Du warst verschwunden!"
„Du weißt doch, um 13.00 Uhr ist Schluß!"
„Ich weiß. Aber euer Konkurrenzschlachter war noch da. Fing gleich wieder zu grinsen an, als er mich sah. Ich habe ihn noch einmal nach seiner Kundin gefragt. Er gab mir auch einen guten Tipp. Ich sollte es mal am Bahnhof versuchen. Die Frau würde dort arbeiten. Sie würde die Toiletten reinigen. Wäre eine ganz verarmter Flüchtling, aber sehr anspruchsvoll, wenn es um ihren Rüden ging!"
„Mensch Andi, du hast aber ne lange Leitung! Hättest mich doch gleich gefragt! Mann, das ist die Hunde-Lene ! Die ist doch in der ganzen Stadt bekannt! Kommt auch immer zu uns wegen Kalbsknochen. Müssen immer schön weich sein, die Knochen bitte nur von ganz jungen Kälbchen, ihr Liebling wäre auch schon alt und hätte schlechte Zähne!"
„Was? Hunde-Lene heißt sie? Warum sagste das nicht gleich? Da gehe ich doch sofort hin!"
„Geh, aber paß auf, daß sie Dir nicht ihre ekligen Pinkelgroschen andreht!"
Schon nach einer halbem Stunde war Andreas zurück.
„Na, haste dein Geld?"
Anneliese überfiel sofort ihren Liebsten. Er setzte sich an den Küchentisch und starrte vor sich hin. Dann nuschelte er:
„Wenn nicht alles so traurig wäre, müßte ich jetzt laut lachen! So was, ach nee, mir ist etwas ganz Verrücktes passiert! Jedenfalls, ich bin zu unserem Bahnhof hin und an der Mauer, da an der rechten Seite wo die Taxis warten, stand das Fahrrad mit dem Hundekörbchen. Ich also rein in die Halle, lauf rechts den Gang runter zu den Toiletten. Sie putzte gerade bei Damen. Als der Köter mich sah, fing er an zu bellen und die Frau knurrte mich an, ich solle abhauen, das wäre hier nur für Damen!"
„Ja, nun mal los, mal weiter, laß dir doch nicht die Worte aus der Nase ziehen!"
„Mensch ich rede doch schon. Ich habe der Lokusmuttel gesagt daß ihre Promenadenmischung meine Hose zerfetzt habe, ich wolle Schadenersatz! Da fing sie zu zittern an, nahm ihren Wauwau auf den Arm und sagte:
>Das stimmt nicht! Sie lügen! Mein Kackerle macht so etwas nicht! Scheren Sie sich weg, Sie Lügenbold!<
Dann gab sie dem Struppi ein Küßchen auf die Nase und sprach zu ihm:
>Ach mein liebes kleines Kackerle! So etwas Häßliches machst du doch nicht! Das ist ein ganz böser Mann! Der will dein liebes, liebes Frauchen ärgern! Los, hol ihn dir!<"
Andreas zog ein Messer aus dem Holzblock. Fuchtelte damit umher, drohte damit in Richtung Anneliese. Sie bekam Angst, erbärmliche Angst. Wollte weg von Andi, raus aus der Küche, er aber brüllte:
„Gräßlich, furchtbar! Dieser Mistkerl! Er verfärbte sich von Grau nach Schwarz, seine Haare stiegen auf, ich glaube er wurde doppelt so groß, seine Augen begannen zu glühen, aus seinem Maul schossen Feuerflammen, es war der Teufel! Ich hörte nur ein schrilles fassssss, Kackckckeeeerle! Da bin ich abgehauen!"
Anneliese schossen Tränen in die Augen. Diese verfluchte Sauferei, dieser dreimal verdammte Alkohol! Schade um Andreas. Sie rannte aus der Küche. Mit ihrem Handy wählte sie den Notruf. Sie sagten, sie würden sofort kommen.

 

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