Eine tragfähige Beziehung
Ha! Da hast du es nun! Du willst mich schließen? Da kannst du noch lange an mir herumnesteln, meine drahtigen kleinen Häkchen haben sich dir nun für immer verschlossen! Ich streike, habe diese unwürdige Behandlung nun ein für allemal satt!
Seit Jahren staube ich nun schon in der hintersten Ecke der Schublade vor mich hin, werde nur gelegentlich hervor gezogen, missmutig betrachtet und wieder an meinen Platz gestopft. Unter dem hämischen Gelächter dieser eingebildeten May mit schwarzer Spitze und ihrer besten Freundin, dieser durchsichtigen roten Passionatazicke verkrieche ich mich dann in meiner dunklen Ecke und versuche, selbst nicht rot zu werden.
Dabei war der Beginn unserer Beziehung so wunderbar und einzigartig. Ist es wirklich schon 8 Jahre her? Mir ist, als wäre es erst gestern gewesen, wie ich da so im Regal neben all den Anderen lag, keck meine kleinen Körbchen nach vorne reckte und wartete. Wartete und wartete - auf dich! Ich wusste gleich, du bist es, als ich dich zum ersten Mal sah. Diese in Vorfreude glänzenden Augen, dein verzaubertes Lächeln. Als deine zarten Finger dann sanft über meinen Stoff glitten, war es um mich geschehen. Niemals werde ich vergessen, wie du mich damals zur Umkleidekabine getragen hast, dich dort, nur für mich, langsam entkleidet und mich dann übergestreift hast. Vorsichtig hast du meine Häkchen geschlossen, meine Träger etwas nachgestellt und zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich erfüllt. Lange hast du mich betrachtet, dich vor dem Spiegel hin und her drehend. Dein kritischer Blick machte mich ganz bang, es vergingen endlose Minuten. Doch langsam veränderten sich deine Augen zu einem anerkennenden Strahlen und ich war wie von einer schweren Last befreit, als du mich endlich zur Kasse brachtest. Da wusste ich: wir gehören zusammen!
Und nun das! Vergilbt ist mein Weiß, meine Träger ausgeleiert und mein wunderbares Blümchen zwischen den Körbchen schon vor langer Zeit verloren gegangen. Damals hast du mich noch stolz nur ausgewählten Personen präsentiert, mich anerkennende und begehrliche Blicke ernten lassen. Wie oft haben wir gemeinsam über die verzweifelte Fingerei so mancher Hilflosen an meinen Häkchen gelacht, wie viele wunderbare Abende verlebt, an denen ich aus dem kleinen Weißen mit dem tiefen Ausschnitt heraus schauen durfte.
Und doch wurde ich doch nach und nach nur noch unter schlabberigen Pullis versteckt. Keine lüsternen Blicke, keine fummelnden Finger mehr. Geschämt hast du dich für mich, mich bei Besuchern nur noch im Dunkeln schnell und heimlich fallen gelassen Du hast mich versteckt und schließlich vergessen und immer weiter rutschte ich in meine dunkle und staubige Ecke hier.
Habe ich meinen Dienst nicht immer tadellos erfüllt? Wenn du wieder stürmisch zum Bus ranntest oder in der Disco einen deiner Solotänze aufs Parkett legtest? Niemals habe ich dich enttäuscht und das ist nun der Dank.
Nun gut. Da hast du es nun! Ich streike und du wirst endlich merken, was du an mir hattest! Aber, was tust du denn jetzt? Streifst mich wieder ab und – was ist das für eine riesige Tüte? ALTKLEIDERSAM-