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Eine tierische Freundschaft
Eine tierische Freundschaft.
Sie war schon fast achtzig und ihr liebster Freund war Hansi, ein blauer Wellensittich, dem sie sogar das Sprechen beigebracht hatte. Das heißt sie verstand ihn, sprach mit ihm wie früher mit Ihrem Mann, sicherlich herzlicher, denn ihr seit acht Jahren verstorbener Mann hatte nicht immer so freundliche und liebevolle Worte von ihr gehört, wie Hansi.
Aber der Vogel widersprach ja auch nicht und freute sich immer wenn er sie sah. Er kam zu ihr wenn sie ihn rief und setzte sich auf ihre Schulter.
Doch nun mußte sie überraschend ins Krankenhaus. Sie hatte zwar schon länger Probleme mit ihrem Knie gehabt, aber nun kam sie um eine genaue Untersuchung nicht herum. Im Krankenhaus würde man sich um sie kümmern, aber wer kümmerte sich in der Zwischenzeit um Hansi. Nun ganz alleine war sie nicht, sie hatte einen guten Bekannten, der sie besuchte, für sie Geld von der Bank holte und ein geduldiger Gesprächspartner war. Ihm konnte sie ihren Liebling anvertrauen. Er versprach sich um ihn zu kümmern, ihn in sein Büro zu stellen und auch mit ihm zu sprechen. Der Bekannte holte also den Vogel mit allen seinen Sachen. Er stellte den Käfig auf den Beifahrersitz seines kleinen Autos, winkte nochmal und fuhr los.
Alles wäre gutgegangen, wenn er nicht plötzlich hätte bremsen müssen. Der Käfig rutschte nach vorne, das Türchen öffnete sich und Hansi flog hinaus. Zu allem Unglück stand auch noch das Seitenfenster auf und Hansi flog davon. Das Auto abstellen und hinterherlaufen war eins. Hansi flog auf eine Baumgruppe zu und war nicht mehr zu sehen. Der Bekannte lief ihm nach, umrundete fortwährend die Bäume und rief nur immer „Hansi, Hansi, komm` her.“ Doch wer nicht kam war Hansi. Jeder der vorbeikam schaute erst verwundert und fast jeder hatte einen anderen Rat.
Es half nichts, Hansi war fort. Nachmittags rief die alte Dame aus dem Krankenhaus an und erkundigte sich sofort nach ihrem Liebling. Im Büro waren sich alle einig, daß man ihr nichts sagen sollte. Man versicherte ihr wie wohl sich der Vogel fühle und einer machte im Hintergrund sogar Piepgeräusche.
Am nächsten Tag wurde ein neuer Vogel gekauft, das war nicht so einfach, denn er mußte blau sein und große Augen haben. Nach langem Suchen saß endlich wieder ein blauer Vogel im Käfig. Alle fanden er sehe dem entflogenen sicher sehr ähnlich. Doch er machte keinen Mucks. Alle standen herum und versuchten in zum piepen zu bringen, doch der Vogel schaute sie nur, wie sie fanden, recht dumm an. Er hüpfte nicht mal auf die Stange, sondern saß auf dem Boden des Käfigs. Als er dort auch noch nach zwei Stunden saß brachten sie ihn zurück. Im Geschäft wollte man ihnen keinen anderen Vogel geben, erst als sie drohten dem verstockten Vogel den Kopf abzureissen bekamen sie einen anderen.
Dieser war auch blau und hatte große Augen, aber er sah ein bisschen kleiner aus. Doch er flog gleich auf die Stange, zupfte am Futterkolben und hüpfte munter herum. Piepen konnte er auch. In den nächsten Tagen versuchte jeder ihm beizubringen, daß er Hansi sagen soll, doch da war alle Liebesmüh` vergeblich. So viele liebevolle „Hansis“ hatte es in diesem Büro noch nie gegeben. Aber umsonst.
Nach einer Woche durfte die alte Dame wieder nach Hause und verlangte natürlich sofort nach ihrem Vogel. Der Bekannte brachte ihn und wartete auf die Reaktion. Sie merkte sofort, daß es nicht ihr alter Hansi war, hörte sich die ganze Geschichte an, vergoss ein paar Tränen und fing gleich an dem neuen Hansi das Sprechen beizubringen.