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Eine Sommerträumerei

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30.09.2010
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Eine Sommerträumerei

Die große Krone des Kastanienbaumes bot ausreichenden Schutz vor der Sonne. Ein leichter Wind sorgte für zusätzliche Abkühlung.
Entnervt klappte er das dünne Reclam – Bändchen zu, rollte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Im Augenblick, da das Sonnenlicht hinter seinen geschlossenen Lidern sein Feuerwerk abzubrennen begann, schlug er die Augen wieder auf.
Durch das dichte Blätterdach der Kastanie schien die Sonne hindurch. Die Blätter leuchteten, als läge über ihrem Grün ein transparenter, goldener Glanz. Er rief sich das Bild noch einmal vor Augen und schüttelte dann den Kopf. Kein Zweifel möglich.
Er rollte sich wieder auf den Bauch und griff nach dem kleinen, gelben Buch. Gleichzeitig riskierte er einen kurzen Seitenblick. Während er so tat, als suche er nach der verschlagenen Seite, schielte er immer wieder herüber.
Die gewölbte Triangel eines schwarzen Badeanzuges spannte sich über einen wunderschönen Hintern.
Eine römische Drei sprang ihm ins Auge. Ohne es zu wollen, hatte er die Stelle wiedergefunden, an der er seine Lektüre beendet hatte.
Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein, diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen’s in Aktion vorstellen, wie wir’s vor dem Herzoge vorstellen wollen.
Er stolperte über das doppelte vorstellen und schüttelte unwillig den Kopf. Das alte Zeug sollte einer verstehen, geschweige denn lustig finden. Unwillkürlich ging sein Blick von den kleingedruckten Buchstaben wieder zur Seite.
Sie lag ausgestreckt auf dem Bauch. Der einteilige schwarze Badeanzug betonte die Eleganz ihrer Silhouette.
Etwas zu konservativ für seinen Geschmack, befand er, konnte aber
nicht davon lassen den Kontrast des dunklen, glänzenden Polyamidmaterials und der helleren, weicheren Haut zu betrachten. Sie hatte die langen Beine übereinander geschlagen, das rechte über das linke, und wippte mit dem freien Fuß im Takt der Musik aus ihren Kopfhörern. Da sie den Kopf in die Fäuste gestützt hatte und zum Schwimmbecken blickte, oder ganz in die Musik vertieft war, konnte sie ihn nicht dabei ertappen wie er sie beobachtete. Auf ihre kleinste Bewegung hin würde er sich hinter seinem Sommertraum verschanzen. Sommernachtstraum, verbesserte er sich. Der Sommertraum lag vor ihm im Gras auf einer Decke, wippte mit der Ferse und hatte die entzückendsten kleinen Zehen, die er je gesehen hatte.
Sein Blick wanderte auf Zehenspitzen über ihren Rücken. Er stieg vom hügeligen Hintern hinab, spazierte über den schwarzen Badeanzug, bis er zu der ausgeschnittenen Region kam, sah links und rechts von sich die Schulterblätter aufragen und stand schließlich vor ihrem Nacken.
Der geometrisch gerade Schnitt ihrer Haare deutete auf einen erst kürzlich erfolgten Friseurbesuch hin.
Er seufzte und rollte sich halb auf die Seite, den Kopf in die Armbeuge gebettet.
Sie bewegte sich und schlug die Beine auseinander. Erst jetzt bemerkte er die Tätowierung auf ihrem rechten Fuß. Es war eine kleine Echse, deren langer Schwanz sich um ihren Knöchel ringelte. Welch ein willkommenes Extra. Wäre er so privilegiert wie diese Echse, er würde nicht unbeweglich auf seinem Platz verharren. Unablässig würde er umherhuschen, in ihrem Urwald auf Jagd gehen oder träge im Sonnenschein auf ihrem Busen Sonne tanken.
Unvermittelt stand sie auf und ging zum Beckenrand. Sie ließ sich ins Wasser gleiten und entschwand seinen Blicken. Er versuchte sie noch eine Weile unter den Schwimmenden ausfindig zu machen, gab es aber bald auf. Am gegenüberliegenden Rand konnte er die Menschen nur als farbige Kleckse ausmachen und vor ihm wurden sie durch den gekachelten Beckenrand verdeckt.
Resignierend schlug er sein Buch wieder auf. Er blätterte weiter, versuchte sich auf das Geschriebene zu konzentrieren und seufzte. Ein Ende war nicht abzusehen.
Dann kam sie zurück. Mit federndem Gang umrundete sie das Becken und ging zu ihrer Decke. Sie hatte die Schultern hochgezogen als fröstelte es sie. Ihre Frisur erinnerte an Kleopatra, aber ihr Teint war eher blass.
Er blickte wieder in sein Buch. Nur während sie sich abtrocknete, wagte er kurz aufzublicken. Das war der Moment, da ihre Blicke sich begegneten. Sie hielt kurz darin inne ihre Haare abzurubbeln und schenkte ihm ein mildes Lächeln. Dann hockte sie sich im Schneidersitz auf ihre Decke und kramt ihr Handy aus der Handtasche.
„Ja Schatz, ich bin’s. Ich bin jetzt fertig mit Schwimmen. Soll ich noch vorbeikommen oder ist dir das zu spät? Ja? Dann komme ich jetzt. Bis gleich. Küsschen.“ Sie beendete das Gespräch und begann sofort damit, ihre Sachen einzupacken.
„Schade, schon vergeben.“, dachte er.
Als sie entschwand, drehte er sich zur Seite und tippte der Blondine neben sich auf die Schulter. Träge wie ein Leguan, der ein Sonnenbad nimmt, öffnete sie ein Auge.
„Schatz, holst du mir bitte ein Bier heraus?“
Mit einem Grunzen griff sie hinter sich in die Tiefkühltasche und reichte ihm eine Flasche. Dann drehte sie sich auf den Rücken und döste weiter.
Sein Blick verweilte auf ihrem Bauchnabel, dann öffnete er sein Bier.

 

Hallo Hamilkar

Leichtfüssig und sympathisch wirkt die Geschichte auf mich. Nicht tiefschürfend, aber in angenehmen Erzählstil einfaches, alltägliches Erleben darlegend. :)

Folgendes waren mir Stolpersteine:

Abstände zwischen den Absätzen würden den Lesefluss noch fördern.

Entnervt klappte er das dünne Reclam – Bändchen zu

Warum entnervt, dies scheint mir offen? Auch würde ich folgendes ohne Leerschlag setzen: … das dünne Reclam-Bändchen …

Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein, diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen’s in Aktion vorstellen, wie wir’s vor dem Herzoge vorstellen wollen.

Ein Zitat wird klarer hervorgehoben, wenn man es zwischen Anführungs- und Schlusszeichen setzt.

Mit einem Grunzen griff sie hinter sich

Wie wärs da mit Seufzen, da seine Blondine ja wohl keine Sau ist?

Sein Blick verweilte auf ihrem Bauchnabel, dann öffnete er sein Bier.

Dieser Schlusssatz scheint mir nichtssagend. Vielleicht wäre da besser etwas wie: Sein Blick weilte auf ihrem Körper, vergleichend mit der jungen Frau mit der tätowierten kleinen Echse. Dann öffnete er sein Bier.

Gern gelesen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Hamilkar,

die Szene hat mir auch recht gut gefallen, besonders das Spazieren auf dem Koerper der Frau, das haette ruhig noch viel ausfuehrlicher sein koennen. Mir haette es auch besser gefallen, wenn der Spaziergaenger hier nicht nur der Blick waere, sondern der Protagonist sich da selbst wandern sieht, das waere schoen surreal. Bei den Feinheiten koenntest Du allerdings noch feilen. Mir faellt auf, dass Du Deine Bilder oft durch kleine Einschraenkungen oder Spezifizierungen abschwaechst.

z.B.

Die große Krone des Kastanienbaumes bot ausreichenden Schutz vor der Sonne.
Die Krone des grossen Kastanienbaumes bot Schutz vor der Sonne.

Ihre Frisur erinnerte an Kleopatra, aber ihr Teint war eher blass.
Ihre Frisur erinnerte an Kleopatra, doch ihre Haut war blass.

Hier macht es der Konjunktiv schwach:

Die Blätter leuchteten, als läge über ihrem Grün ein transparenter, goldener Glanz.
Die Blaetter leuchteten. Ein goldener Glanz lag ueber ihrem Gruen

Etwas zu konservativ für seinen Geschmack, befand er,
wenn er befindet ist es klar, dass er dies nach seinem Geschmack tut, also: Etwas zu konservativ, befand er

Kannst ja selber mal gucken, wo man die Sprache noch praegnanter machen koennte.

Er stieg vom hügeligen Hintern hinab, spazierte über den schwarzen Badeanzug,
der Hintern selbst hat doch keine Huegel, da denke ich an Pusteln, er ist ein Huegel. Vielleicht eher: Er stieg vom Huegel des Hinterns herab
Vielleich koennte er sogar den Hintern hinunter schlittern? Hm?

Das Zitat wuerde ich uebrigens Kursiv setzen.

Und bei dem Grunz-Einwand von Anakreon bin ich anderer Meinung. Ich finde es braucht das Grunzen als Kontrast zur romantischen Traeumerei.

lg,
fiz

 

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