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Eine seltsame Schleife
4
»Licht und Kamera bereit?«, fragte der Regisseur.
»Bereit.«
»Alle Mann auf ihre Positionen, wir drehen Szene vier, Take eins.«
Die Darsteller nahmen ihre Plätze ein, wurden wieder zu den Liebespärchen, den Schaulustigen, den Spaziergängern, vergaßen ihre Identität für eine Weile und nahmen jene an, die ihnen ein mysteriöser Drehbuchautor zugedacht hatte.
Da zerriss ein Schrei die Stille. »Hey. Hey! Sie da! Was soll das werden? Komparse Nummer drei! Ja, sie bei der Laterne. Was machen sie da?«
Der Mann zuckte zusammen, ertappt bei einem Vergehen, dessen er sich nicht bewusst war und suchte in dem gleißenden Licht der Scheinwerfer den Blick des Regisseurs. Viel mehr als eine düstere Gestalt im Schatten des Studios war nicht auszumachen. Er antwortete mit einem hilflosen, fragenden Schulterzucken in diese Richtung.
»Mit ihrem Mund. Was zur Hölle machen sie mit ihrem Mund? Ist das ein Kaugummi? Nehmen sie das Ding raus! Im Skript steht nichts von einem scheiß Kaugummi in ihrem scheiß Mund.«
Er entfernte es mit zitternden Händen, beschämt, schockiert von der schneidenden Rüge, dem Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, der Last der Blicke und der Aufmerksamkeit für einen kleinen unbedeutenden Nebendarsteller wie ihn.
»OK, Leute«, rief der Regisseur aus dem Schatten. »Konzentration bitte. Szene vier, Take zwei. Action!«
Es wurde still. Der Held und das Mädchen sahen sich an, durchdringend, knisternd. Dann flüsterte sie leise etwas in sein Ohr und er lächelte, beugte sich vor um etwas zu erwidern. Doch die wütende Stimme des Regisseurs fuhr dazwischen.
»Schnitt! Verdammt nochmal! Komparse Nummer drei, was zur Hölle machen sie? Sie sehen aus, als hätten sie die Hosen voll. Stellen sie sich verdammt nochmal ordentlich hin.«
Er murmelte eine schüchterne Entschuldigung während sein Herz pochte und ihm kalter Schweiß über die Stirn rann. Er blickte in die Gesichter der anderen Schauspieler, auf der Suche nach einem Lächeln, einem aufmunternden Blick, etwas dass ihm versicherte nichts falsch gemacht zu haben und nur die Zielscheibe eines schlecht gelaunten Regisseurs zu sein. Aber er fand immer nur die selbe, ausdruckslose Miene, das konzentrierte Warten auf den nächsten Dreh, Menschen, die so in ihrer Rolle versunken waren, dass sie kaum noch menschlich waren.
»Take drei. Und Action!«
Wieder erwachten die Puppen zum Leben und einen Moment schien alles normal zu laufen. Aber er spürte, dass etwas nicht stimmte. Die Szene fühlte sich falsch an, ohne dass er sagen konnte was genau nicht in Ordnung war. Er hatte das Drehbuch nie gelesen, aber er spürte es, spürte, dass er selbst der Fehler war und dass gleich wieder die Stimme des Regisseurs durch die Halle donnern würde.
»Schnitt! Komparse drei. Sie machen es falsch. Verdammt nochmal, sie ruinieren mir noch den ganzen Film.« Lauter als zuvor, aber er konnte die Richtung nicht mehr ausmachen, suchte in den Schatten unter den brennenden Scheinwerfern vergeblich nach dem Mann, der ihn anbrüllte. Diesmal schien die Stimme mehr aus seinem Kopf zu kommen. »Reißen sie sich zusammen, Mann!«
»Ich weiß nicht, was sie von mir wollen,« erwiderte er, so leise, dass er es selbst kaum hörte.
»Ich will, dass sie ihre Rolle spielen.«
»Welche Rolle? Ich bin Komparse. Ich habe keine Rolle, ich habe nicht mal einen Namen.«
»Spielen sie das«, klang es aus der Finsternis. »Szene vier, Take vier.« Und wieder lief die Kamera.
Er wandte sich dem Mann neben ihm zu, wollte ihn fragen was hier vor sich gehe, was diese Farce zu bedeuten habe. Doch die Worte verwandelten sich nur in ein stummes Keuchen, als er merkte, dass er zu einer Puppe sprechen wollte. Dass sie alle nur Puppen waren, mit wächsernen, leeren Gesichtern und Gliedern, die an unsichtbaren Fäden hingen.
»Action!«
Einen kurzen Moment verharrten die Figuren in ihrer grauenhaften Starre, dann fuhr wieder das falsche Leben des Films in ihre Leiber. Aber die Augen verrieten sie, zeigten immer noch den selben toten Blick, waren nichts weiter als gläserne Perlen in schwarzen Höhlen.
Er verlor beinahe das Gleichgewicht, stütze sich gerade noch an der Pappfassade eines Gebäudes ab und schnappte stoßweise nach Luft. Kalte Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Haut und verdampften augenblicklich im heißen Licht der Scheinwerfer.
Als die Stimme des Regisseurs wieder erklang war sie kristallklar, ohne Echo, existierte nur noch in seinem Kopf.
»Was haben sie jetzt schon wieder? Was für ein beschissener Darsteller sind sie eigentlich?«
»Das muss ein Alptraum sein«, dachte er.
»Weit davon entfernt«, antwortete die dämonische Stimme in seinem Kopf. »Der einzige Alptraum hier sind sie.«
Er war gefangen in einem Lichtkegel, umgeben von Finsternis in der etwas schreckliches lauerte. »Bitte«, flüsterte er. »Lassen sie mich gehen. Sie brauchen mich nicht.«
»Und ob ich sie brauche. Sie sind der Hauptdarsteller. Wir versuchen jetzt einfach eine andere Szene.«
»Bitte...«
»Scheinbar sind sie der einzige Schwachkopf, der das Drehbuch nicht gelesen hat. Sehen sie die Tür rechts vor ihnen? Da müssen sie hinein gehen. Das kann ja nicht besonders schwer sein. Also Leute, Szene fünf, Take eins. Alle bereit? Action!«
Die Puppen setzten sich in Bewegung, stumm, gehorsam, erbarmungslos. Sie schlurften auf ihn zu, den leeren Blick auf ihn gerichtet, die Gesichter bleiche Masken über ihren schrecklichen Fratzen. Er konnte sich nicht rühren, nicht einmal schreien, war gelähmt vor Angst.
»Die Tür«, brüllte die Stimme des Regisseurs, die jetzt verzerrt und kaum noch menschlich klang. »Gehen sie durch die Tür. Gehen sie durch die scheiß Tür! Gehen sie durch die scheiß Tür bevor ich komme und ihre Augen auffresse!«
Das riss ihn aus seiner Starre, und nach zwei schnellen Schritten stand er vor der Fassade aus Pappe, öffnete die Tür und trat hindurch.
5
Er betrat einen Lagerraum, getaucht in seelenloses Neonlicht, und schleuderte die Tür hinter sich zu. Ringsum stapelten sich verstaubte Kisten und Paletten unbekannten und scheinbar unbrauchbaren Inhalts. In der Mitte des Raumes hantierte ein Mann im grauen Overall an einem alten Fernsehgerät. Er trat langsam näher, fürchtend, dass jeden Augenblick der Regisseur und seine grausigen Darsteller durch die Tür stürmen könnten.
»Oh, komm'n se nur näher«, sagte dieser. »Brauchen sich keine Sorgen mehr wegen dem durchgeknallten Regisseur zu machen, der kommt hier nie rein.«
Er warf noch einen besorgten Blick hinter sich, doch da war nur Stille, keine Meute, die ihn verfolgte, keine Stimme, die ihm hinterher brüllte. »Was will er von mir? Ich habe doch nichts falsch gemacht.«
»Brauchen se mich nicht zu fragen, ich kenn ja nu das Drehbuch auch nicht.«
»Können sie mir sagen wie ich hier raus komme? Oder wo ich bin? Ich bin gerade durch diese... diese Fassade aus Pappe gegangen und jetzt in diesem Keller hier... ich weiß nicht mehr wo ich hier der Ausgang ist.«
»Ja ja, da haben se ganz recht, ist ein bisschen chaotisch hier am Set. Ich sag schon lang, dass mal einer bisschen Ordnung machen muss. Aber ich kann ihnen nicht helfen, ich bin hier nur Techniker. Aber wo se schon mal da sind, kommen se, schauen se sich das mal an.« Er deutete auf einen eigenartigen Aufbau, den er offenbar gerade fertig gestellt hatte, eine Kamera, die auf einen Fernseher gerichtet war und über ein Kabel an diesen angeschlossen war. »War nicht so einfach die Frames zu synchronisieren, aber ich glaub jetzt hab ich's hingekriegt«, sagte er und nickte, um seine Leistung zu bestätigen.
»Was soll das sein?«, fragte der Darsteller.
»Na das sehen se doch, die Kamera filmt den Fernseher und der zeigt dann, was sie filmt. Ne seltsame Schleife oder wie man das nennt.«
»Und was macht man damit?«
Auf diese Frage schien der Techniker nur gewartet zu haben, seine Augen funkelten begeistert, als er fortfuhr. »Passen se auf, ich zeig's ihnen. Das ist wirklich klasse.« Er schaltete beide Geräte ein und nach ein paar Sekunden erschien schwarz-weißes Rauschen auf dem Bildschirm.
Der Schauspieler blickte verdutzt auf den Fernseher, wollte gerade fragen, was denn an einem Störbild so toll sei, als der Techniker aufgeregt auf etwas deutete.
»Da! Da sind sie. Schaun se mal, da, sehen se das?« Er zeigte aufgeregt auf das Bild.
Und da war tatsächlich etwas, zwischen dem Rauschen, oder vielleicht dahinter, bewegte sich etwas. Schwarze Schlieren glitten behäbig über den Bildschirm, wanderten ziellos umher in einer Bewegung die mehr organisch als mechanisch war. Es war, als kröchen fadendünne Würmer durch die Röhre, lebendig gewordene Artefakte der Apparatur. »Was ist das?«, fragte er.
»Schöpfung«, antwortete der Techniker. »Wissen se, der Mensch ist doch nur Chemie und Elektrizität. Ne einzige große Maschine. Haben se sich nicht mal gefragt wie das Leben da rein kommt? Wieso man das ganze Ding Zelle für Zelle nachbauen kann und es am Ende trotzdem nicht wie Frankensteins Kreatur aufsteht und rumläuft? Ich meine, irgendwas fehlt da doch, ein Teil, dass die reine Mechanik lebendig macht. Das sehen se hier, das ist wie Leben entsteht.«
»Also ich weiß ja nicht«, sagte der Schauspieler, »was soll daran denn lebendig sein?«
»Ne ne, ist klar, das ist erst mal nur ein Bild. Aber ein Bild, bei dem die Kausalität aufgehoben ist. Henne und Ei, wissen se? Darüber haben sich die Philosophen den Kopf zerbrochen und keine gescheite Antwort gefunden. Descartes zum Beispiel, "`Ich denke, also bin ich"', so ein Blödsinn. Genauso die Umkehrung, "`Ich denke weil ich bin"'. Blödsinn. Existenz und Bewusstsein hängen nicht kausal zusammen, beide entstehen erst durch die Selbstreferenz. Das was die Theologen den göttlichen Funken nennen ist bloß eine seltsame Schleife.«
Die Schlieren verdichteten sich, beschleunigten ihren eigenartigen Tanz, ließen sich zappelnd von einer Ecke des Fernsehers in die andere tragen, blieben aber immer zusammen, ein Schwarm, wohl aus Angst sich zu verlieren und im Rauschen zu versinken. Allmählich formten sie eine Struktur, eine Zusammenballung im Zentrum die entfernt einem Gesicht glich, einer verzerrten Fratze aus tanzenden Würmern. Er musste den Blick abwenden, konnte die Geburt dieser scheußlichen Schöpfung nicht mehr ansehen, weil sie ihm wie eine Beleidigung der Natur vorkam, weil ihm der Gedanke unerträglich war selbst nichts anderes als eine solche Schleife zu sein. Der Raum wurde allmählich dunkler, oder vielleicht wurde auch nur das Licht des Bildschirms stärker und verdrängte den Rest, ein bleiches, pulsierendes Licht. Die Schatten, die es auf die Wände warf glichen der neugeborenen Scheußlichkeit, der Kreatur aus der Schleife, und sie schienen mehr als bloße Schatten zu sein, eher etwas plastisches, dass nicht auf eine Fläche gebannt war, sondern in den Raum hinein ragte.
»Sehen sie das mit dem Licht? Woher kommt das?«, fragte er.
»Oh scheiße«, sagte der Techniker, »das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.«
»Was? Was ist hier los?«
»Manchmal geht bei so ner Schleife was schief. Dann verfängt sich das System, der Verstand wenn se so wollen, in ner bösen Resonanz und kommt da nicht mehr raus. Sieht ziemlich übel aus, ich schalt's mal lieber ab.« Er lief um den Aufbau herum, bückte sich nach der Steckerleiste und zog die Kabel von Fernseher und Kamera heraus.
Nichts geschah. Die finsteren Schlieren krochen immer noch über das sich abzeichnende Gesicht, hoben es aus dem Rauschen empor, das Licht schwoll weiter an und mit ihm die grotesken Schatten. Der Mann im Overall glotzte mit offenem Mund auf dem Fernseher, dann auf die Kabel in seiner Hand.
»Was zur Hölle...« Einen Moment verharrte er ungläubig, stand dann auf und griff nach der Kamera. »Dann eben auf die harte Tour«, verkündete er.
Doch als er seine Hand vor die Linse bewegte wurde sie Teil der Schleife und erschien auf dem Bild. Der Techniker schrie auf, versuchte den Arm zurück zu ziehen, doch er war in den Verstand der Schleife gebannt. Schatten wanden sich um den Arm, die Finger begannen zu flimmern, verformten und dehnten sich im Rhythmus der Resonanz und brachen schließlich mit einem grausigen Knacken. Der Mann brüllte, versuchte vergeblich sich zu befreien, rief den Schauspieler um Hilfe an.
Doch dieser dachte gar nicht daran sich dem unheimlichen Licht zu nähern, zog sich statt dessen an die hintere Wand des Raumes zurück. Die Vibration, breitete sich über den Arm des Technikers aus, erfasste seinen Brustkorb und modulierte so seine Schreie zu seinem atonalen Crescendo, bis schließlich die Schwingungen seine Luge zerfetzten und nur noch das Geräusch brechender Knochen, reißender Sehnen, zermalmten Fleisches übrig blieb.
Zwischen ein paar Kartons und Kisten, halb versteckt, entdeckte er eine enge, rostige Eisentür in der Wand. Das Licht des Fernsehers pulsierte, erfüllte nunmehr fast den ganzen Raum, schien nach ihm zu suchen, zu greifen, schien ihm etwas zuzuflüstern, keine Worte, eine uralte, neugeborene Sprache. Er lief zu der Tür, überzeugt sie würde verschlossen sein, doch sie drehte sich knarrend und quietschend in den Scharnieren.
6
Er fand sich in pechschwarzer Dunkelheit wieder, suchte neben der Tür nach einem Schalter und fand keinen. Er tastete sich weiter an der Wand entlang, maß den Raum mit vorsichtigen Schritten ab, die Hand ausgestreckt um nicht gegen die Wand oder ein Hindernis zu laufen. Fünf Schritte, zehn Schritte. Es gab nichts, gegen das er laufen konnte, der Raum schien breit und leer zu sein. Zwanzig Schritte. Immer noch nichts. Fünfzig Schritte. Er blieb stehen, presste die linke Hand gegen die Wand, hielt sich fest an dem einzig gegenständlichen, dass ihn noch blieb, das ihn davor bewahrte ziellos durch die Finsternis zu irren. Der Raum musste riesig sein, titanisch, ihm wurde schwindelig, stickig, die Weite schien auf ihn einzustürzen wie eine Last. Er lief weiter, schneller, bewegte sich nicht mehr gemächlich und vorsichtig durch die Dunkelheit, denn er wäre froh gewesen über ein Kiste zu stolpern, gegen ein Regal zu laufen, einzig um zu sehen, dass er nicht alleine an diesem Ort war, das es noch etwas gab außer der kalten Wand, die sicherlich verschwinden würde sobald er sie losließ.
Der Weg war endlos, mit jedem Schritt wurde der Raum größer, grotesker. Aber natürlich war es gar kein Raum. Es war eine Schleife.
Er ging nur noch um zu gehen, um etwas zu tun, auch wenn es sinnlos war und die Schritte ihn nicht weiter brachten. Nach und nach zersetzte sich die Zeit an diesem Ort, verlor ihre Bedeutung inmitten von endlosem Nichts und er konnte nicht mehr sagen ob er schon Stunden oder Tage durch die Dunkelheit lief. Seine Sinne spielten ihm Streiche, winzige Punkte blitzen auf seiner Netzhaut auf, auf der Haut meinte er einen sanften Windhauch zu spüren und manchmal drang ein Rascheln wie von Laub an seine Ohren. Am deutlichsten aber war der Geruch, ein Duft nach feuchtem Moos und Erde. Das alles musste Einbildung sein, es waren Eindrücke von einem anderen Ort, die nicht in diesen finsteren, unendlichen Raum passten. Er tastete nach der Wand und musste entsetzt feststellen, dass sie verschwunden war, dass sie aufgehört hatte zu existieren weil er sie einen Moment nicht bewusst wahrgenommen hatte.
Panik strömte wie klebriges Gift über seinen Geist, er rannte los, ziellos, denn Richtungen gab es ohne die Wand nicht mehr. Vom Schrecken befeuert schienen seine Halluzinationen stärker zu werden, zum Geräusch der nicht vorhandenen Blätter gesellte sich ein rhythmisches Klappern und unter den Lichtern, die nur Fehlzündungen seiner Nerven waren stach ein gelblicher Schein in der Ferne heraus. Als er schließlich vor Erschöpfung anhalten musste erfüllte nur noch ein dumpfes Pochen seinen Kopf und verdrängte alle Trugbilder, nein, nicht alle, das gelbe Licht blieb. Er bewegte ungläubig die Augen, erwartete, dass der Fleck ihnen folgen würde wie der Abdruck, den die Sonne hinterlässt wenn man direkt hinein sieht. Doch er blieb eine glitzernde Verheißung, weit weg, aber trotzdem eine Struktur in der Leere, etwas, dass einen festen Ort hatte, dass vielleicht außerhalb der Schleife war. Er fand neue Kraft, lief in Richtung des Lichts, beschleunigte seinen Schritt sogar noch, als er sah, dass die Quelle näher kam, als sich der winzige Punkt aufweitete, die ewige Dunkelheit wie ein brausender Wind vertrieb, immer weiter anwuchs und schließlich zum Schein einer Lampe wurde.
Sie stand auf einem Tisch, gleich neben einer Schreibmaschine, einem altmodischen Model mit Stoßstangen und Farbband, welche von Geisterhand getrieben die rhythmischen Anschläge produzierte, die er gehört hatte. Er verfolgte erstaunt und ängstlich das unwirkliche Schauspiel, wie sich die Tasten von alleine senkten und in einer unmenschlichen Geschwindigkeit Buchstaben auf das Papier hämmerten. Er fragte sich, was die Maschine wohl schrieb und ob er es wagen sollte näher zu treten um nachzusehen, als er die Antwort vernahm: das Drehbuch.
Es war keine Stimme die zu ihm sprach, zumindest keine körperliche, es war ein Gedanke der in seinem Kopf aufgetaucht war, gedacht von einem fremden Verstand.
Nicht gedacht, geschrieben.
Die geisterhafte Maschine sprach zu ihm, ohne den Umweg über Schallwellen zu nehmen, erschuf seine Gedanken auf dem weißen Blatt. »Wer bist du?«, fragte er, »was bist du?«
Stell keine sinnlosen Fragen. Darauf gibt es keine Antwort, die man mit diesen jämmerlichen paar Buchstaben ausdrücken könnte.
»Wer bin ich? Bin ich nur eine Figur in deinem Text? In deinem Film?«
Ja.
Sie log. Er wusste nicht woran er es erkannte, es gab schließlich keine Gesten, keine verräterischen Stirnfalten, keine Unsicherheit in der Stimme, aber die Schreibmaschine log. Etwas wusste er, nicht direkt eine Erinnerung, mehr eine Ahnung, etwas unterbewusstes, dass es nicht immer so gewesen war. So wie hier. Dass es etwas anderes gab, ein Draußen. »Lass mich gehen. Lass mich raus.«
Nein. Du bist zu mir gekommen, du wolltest das hier. Es gibt keinen Weg mehr in ein anderes Sein.
»Doch«, sagte er. »Ich kann ihn schmecken. Nach ranzigem Speck und Zwiebeln. Ich kann ihn riechen. Feuchte Erde, und Blätter. Holz. Ein...« Aber ihm fehlte das Wort, die Maschine weigerte sich es zu tippen, hielt seinen Geist fest umklammert und ließ ihn nicht an andere Orte schweifen.
Dein Platz ist hier. Setz dich. Du musst das Drehbuch weiter schreiben.
Er ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf den Stuhl, nicht durch seinen Willen gesteuert, sondern von den Worten auf dem Papier. Der Unterschied verschwamm, er wurde die Geschichte. »Was soll ich schreiben?«, fragte er, während ein kühler Windhauch sein Gesicht streifte, eine letzte Erinnerung an die Ferne, den Ort, der anders war.
Hatte er eine Wahl gehabt? Eine Möglichkeit dorthin zurück zu kehren? Er nicht. Vielleicht der nächste.
Fang mit der vierten Szene an, in der der Komparse vom Regisseur traktiert wird.
Er nickte und schrieb: »Licht und Kamera bereit?«, fragte der Regisseur.