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Eine schrecklich schlechte Hexe
Eine schrecklich schlechte Hexe
Die kleine Hexe Klecks rümpfte ihre Stupswarzennase und beugte sich grimmig und grübelnd über den großen Kupferkessel, der vor ihr auf der Feuerstelle stand.
„Mist“, murmelte sie und stellte mit Entsetzen fest, dass sie es einfach nicht schaffte, ein grünes, übel riechendes und brodelndes Hexengebräu zu brauen. Anstatt dessen hatte sie wieder mal einen schrecklich lecker riechenden Himbeersaft gehext. Einfach abscheulich! Ihr Rabe Weißnix, der auf ihrer Schulter hockte, schüttelte verzweifelt den Kopf, während Klecks mit ihrem riesigen Holzlöffel lustlos im Kessel herumstocherte und die Stücke ihres Hexenbräuspruches, die sie sich gemerkt hatte, vor sich hin stammelte. Doch der Saft wurden kein bisschen grässlich. Klecks war einfach eine schrecklich schlechte Hexe. Vielleicht lag es daran, dass sie sich den meterlangen Zaubersatz einfach nicht merken konnte, vielleicht aber auch daran, dass Klecks nie eine Hexe werden wollte.
Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust, Zaubersprüche auswendig zu lernen, mit denen man meckernde Menschen in Ziegen verwandeln konnte, und sie hatte noch weniger Lust auf einem harten, holzigen Besen durch den Wind zu sausen und sich die Haare zerzausen zu lassen. Viel lieber würde sie den Bus nehmen, um zur Schule zu kommen, so wie es normale Leute tun und noch viel lieber würde sie, anstatt eine richtig gute Hexe zu werden, Busfahrerin sein.
Aber das war doch unmöglich! Klecks seufzte und beugte sich erneut über ihren Kessel, um ihr Getränk zu prüfen. Immer noch erkannte sie kein grünes Gebräu, dafür aber das Bild einer sehr traurigen Hexe. Diese öffnete langsam ihren Mund und fragte sie: „Warum nicht?“
„Warum nicht?“, wiederholte der Rabe Weißnix und wackelte mit dem Kopf.
„Warum eigentlich nicht?“, murmelte nun auch Klecks und brachte es tatsächlich zustande, das erste Mal in ihrem Leben einen Zauberspruch richtig zu sagen. Einen Zauberspruch, mit dem sie ihr trauriges Gesicht einfach weghexte und dafür ein hoffnungsvolles, breites Lächeln bekam.
Klecks schnappte sich ihren Holzlöffel, fischte ihn fröhlich pfeifend aus dem Kessel heraus und stellte ihn in die Hexenhüttenecke. Dann machte sie sich auf den Weg in die Stadt, um Busfahrerin zu werden. Und siehe da, es klappte!
Klecks war überglücklich, und nachdem das anfängliche Hexenelterngemecker nachließ und ihre Mutter und ihr Vater bemerkten, dass Klecks eine tausendmal besserer Busfahrerin als Hexe war, waren sie gar nicht mehr wütend auf ihre Tochter.
Seitdem nahmen sie sogar ab und zu den Bus anstatt den Besen, wenn sie zur Arbeit kommen mussten und trafen dabei gar nicht selten, die ein oder andere bekannte Hexe, die sich seit Klecks ebenfalls traute den Bus zu nehmen.