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Eine Nacht mit Bruce Willis
Sie saß noch lange im Halbdunkeln. Noch lange nachdem der letzte Gast gegangen war, saß sie dort auf dem stinkenden braunen Sofa und nippte in regelmäßigen Abständen an ihrer Bacardiflasche. Jeder Schluck der durchsichtigen Flüssigkeit brannte wohltuend den Hals hinunter, wärmte den Magen und ließ ihre Nacht ein kleines bisschen schöner werden. „Siehste!“, sagte sie laut lachend zu Bruce Willis, der hinter dem flimmernden Fernsehbildschirm anscheinend gerade irgendeinen fiesen Kerl kalt zu machen versuchte. „Siehste!“ Sie lachte noch lauter und war davon überzeugt, dass sie mindestens tausendmal besser dran war, als dieser verdammte Mr Willis. „Wenn du so weiter machst, du Arschloch, bist du in spätestens zwei Minuten tot. Und ich nicht!“ Sie kreischte fast vor Entzücken über ihre Feststellung. „Du Arschloch!“ Voll von Schadenfreude und Alkohol zeigte sie mit dem Zeigefinger dorthin wo sie Mr Willis vermutete und lachte sehr aufgesetzt, sehr übertrieben und sehr, sehr laut. Sie schrie „Du Arschloch!“ und sie schrie und schrie und schrie. Sie rollte vor lauter Lachen über den nach Bier und Erbrochenem stinkenden Teppich und sang..
Etwa zwei Stunden später erwachte sie langsam. Ächzend drehte sie sich auf die Seite und befühlte ihren Abdruck vom Teppich auf der linken Wange. Sie war wie betäubt. Draußen war es immer noch dunkel, die fleckigen Wände ihres kleinen, nach kaltem Zigarettenrauch stinkenden Zimmers wurden nur noch ab und an flüchtig mit dem bunten Licht der staubigen Bildröhre bemalt. Sie fror ein bisschen, das Fenster war weit geöffnet. Wann hatte sie es auf gemacht? Mit brummendem Kopf stützte sie sich auf dem Sofa ab und kam mühsam und wankend auf die Beine. Die Bacardiflasche war irgendwann umgefallen und hatte sich ihres Inhalts auf dem alten Sperrmülltisch entledigt. „Scheiße..“ brummte sie leise vor sich hin. Sie rieb sich die geschwollenen Augen und griff nach der Fernbedienung. „Weg mit dem Mist.“ Das Bild verschwand. Sie ließ sich auf das Sofa fallen.
So saß sie einige Zeit und grinste still in sich hinein. „Du dummer Hund, du..“ Sie musste leise kichern. „Was machst du denn für Sachen? .. Meinst du so wird das nochmal was mit Zufriedenheit undsoweiterundsofort..? Du musst.. du musst dir mal mich anschauen! Das kann man ein wahrhaft glückliches Leben nennen. Stimmt doch!? Da sitz ich hier in der größten Scheiße und lache, mach mal nach! Entspann dich mal... Wirklich, Junge, du musst lockerer werden, ist halt so wie’s ist, da darfst du dich nicht zu sehr versteifen....einatmen..ausatmen.... Merkst du’s schon? .. Ach, vergiss es, verstehste ja doch nicht.. du dummer Hund!“ Sie musste wieder lachen, als sie langsam zum Fenster wankte um es zu schließen. Nocheinmal blickte sie aus dem sechzehnten Stockwerk auf die lichterfüllte Stadt. Dann schwang sie das Fenster heftig zu und verschloss es fest.
Die ersten Sonnenstrahlen weckten sie aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Noch etwas orientierungslos suchte sie sich ihren Weg in ihr kleines Badezimmer um sich zu übergeben. Nachdem sie sich sorgfältig das Gesicht gewaschen hatte, suchte sie sich aus dem Klamottenhaufen neben der Wanne ihre zerknitterte, weiße Bluse und einen schwarzen, knielangen Rock heraus und zog beides an. Danach machte sie sich auf den Weg in die Agentur, wo höchstens noch ihre leicht geröteten Augen auf die vergangenen Stunden hinweisen würden.