Eine Nacht am See
Er stand gerade mit einem frisch gebrühten Kaffee am Fenster, als es im Treppenhaus zu poltern anfing. Wahrscheinlich würde es Krieg geben, aber er war vorbereitet. Da riss sie auch schon die Tür auf.
"Hallo Bärchen, schon Zuhause?"
"Morgen, ja."
"Du wirst nicht glauben, was passiert ist!"
Sie gab ihm einen Kuss, guckte ihn erwartungsvoll an.
"Peter hat Jenny einen Antrag gemacht! Sie kam gerade aus dem Büro und wer steht da? Peter! In einem weißen Anzug und einer Kutsche mit weißen Pferden. Das ist ja so romantisch."
Ihre Augen rollten.
"Aber ihr war das natürlich voll peinlich. Sie hatte ja ganz normale Sachen an und er war voll aufgetakelt, weißt du, und er stand da mit einer Rose - und alle Leute haben nur geguckt! Was die wohl gedacht haben... Ich meine, normalerweise passiert so was ja nur im Film!"
Sie lief aufgeregt durchs Zimmer.
"Und dann sind sie in den Schlosspark gefahren, da wo die Schwäne sind, und plötzlich waren da so Streicher und haben italienische oder spanische Musik gespielt - ist ja auch egal - und dann er hat sie gefragt und sie, voll am Weinen, hat natürlich ja gesagt!"
Peter war ein Idiot. Aber der Kaffee war gut. Er räusperte sich.
"Naja..."
"Was?"
"Das mit der Kutsche klingt ja schön, aber der Antrag war dann doch gar keine Überraschung mehr."
"War ja klar, dass du das mal wieder schlecht machst... ich glaub's nicht. Du machst mir wahrscheinlich einen Antrag per SMS."
Er musste lachen. Sie deutete auf einen großen Rucksack, der am Kühlschrank lehnte.
"Und was ist das? Willst du verreisen?"
"Ich habe mir überlegt ein bisschen Angeln zu gehen, am See."
"Aha, und da brauchst du so einen riesigen Rucksack!"
"Naja, da ist noch'n Zelt drin und so."
"Ein Zelt und so?"
"Ein Zelt, ein Gaskocher, was zu essen."
"Hallo? Schon vergessen? Wir sind heute Abend verabredet!"
"Ich mag deine Freunde ja, aber ich kenne mich nicht mit Fußball aus und ich weiß nicht wer was wann mit wem hatte."
"Weil du einfach nie zuhörst."
Sein Handy klingelte.
"Ihr werdet gar nicht merken, dass ich nicht da bin."
Er guckte aufs Display. Der fette Typ von der Arbeit. Er ging ran.
"Volker."
"Wo bist du, Mann? Wo sind die Prognosen für die nächste Woche?"
"Stopp. Ich hab' mir zwei Tage freigenommen, Volker, tschüss."
Er legte auf. Sie lärmte an der Spüle.
"Aha, du hast also Urlaub. Und das erfahre ich so nebenbei."
"Ja, hab ich vorhin entschieden."
"Was ist nur los mit dir? Du triffst dich doch mit einer! Ich hab's gewusst."
"Baby. Die einzige, die ich anfassen werde, ist meine Angel!"
"Und jetzt machst du dich noch lustig über mich... du hast doch gar keine Angel."
"Eben gekauft."
Er nahm sie in den Arm und verabschiedete sich von ihr. Es war nicht mehr schön. Draußen waren die Bäume mit goldenen Kronen besetzt. Die frische kalte Luft belebte seine Sinne. Zum Treffpunkt musste er nicht weit laufen. Sie hatte den langen Mantel an, von dem sie ihm geschrieben hatte. Sie lächelte, als er vor ihr stand.
"Ich hab' bis zuletzt gedacht, du könntest nicht real sein"
Er überlegte kurz.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich es je war."
Dann presste sie sich an ihn und bedeckte seinen Mund mit ihren warmen feuchten Lippen.