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Eine Mahlzeit

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04.08.2001
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Eine Mahlzeit

Die Sonne!
Der Wind fährt leise durch die Äste der Linden und die Strahlen des Feuerballs erwärmen das Gras.
Lächeln!
Das faltige Gesicht voller verwitterter Zügen verklärt sich zu einem Lächeln, das in sich gekehrt und abgewandt ist. Keine Sorgen hier unten, keine Probleme. Er lässt sich fallen und schlägt nicht auf.
Die Haare sind ausgebreitet auf der Wiese. Niemals hat er Acht gegeben auf seine Frisur. Er hat es nicht nötig, er ist nicht angewiesen auf anerkennende Blicke und zustimmendes Lächeln. Er ist ein Tramp, ein Stadtstreicher, ein Outlaw.
Er schließt die Augen, um die Passanten nicht zu sehen, die ihn kopfschüttelnd anstarren. Ihm ist nach Schlafen, Träumen. Also legt er sich auf eine Wiese und träumt. All die, die an ihm vorüberhetzen, können das nicht tun. Sie verspüren den Wunsch, aber haben ihre Pflicht!
Er hat keine Pflichten, außer dann und wann etwas zu essen zu suchen.

Acht Beine arbeiten sich ungesehen durch die Landschaft der Gräser. Acht fleischige, behaarte Beine, die in einen fetten, zweigeteilten Körper münden, wuseln in einem fort über den Boden. Zwei links, zwei rechts, abwechselnd im Diagonalrhythmus. Unbeirrt weicht das handballengroße Tier Hindernissen aus, verliert dabei aber nicht einen Augenblick ihr Ziel aus den überdimensionalen Facettenaugen.
Etwa einen Meter vor den ausgebreiteten Haaren verlangsamt die Spinne ihre Bewegungen und wirkt so bedächtig und lauernd.
Sind Arachniden in der Lage planvoll und zielstrebig vorzugehen? Ist ihnen eine gewisse Logik zuzusprechen?
Das Opfer liegt im Gras und hält die Augen arglos geschlossen. Die Passanten werfen ihm zwar verständnislose Blicke zu, bemerken das Spinnentier, das für diese Gegend recht groß ist, nicht.
Das Tier arbeitet sich vor, es scheint die natürlichen Gegebenheiten als Deckung zu nutzen. Es duckt sich hier und schleicht kurz danach weiter. Es ist kaum zu bemerken.
Der Mann öffnet die Augen. Er scheint etwas zu ahnen von dem Unheil, das sich so heimtückisch nähert, doch nein, sein Blick ist arglos und er blinzelt ins Licht. Dieser Mann hat keine Sorgen, er streckt sich, jetzt verschränkt er die Arme hinter seinem Kopf und kommt der Spinne damit bedrohlich nahe. Sie zuckt zurück, doch sie spürt, dass sie nicht bemerkt wurde. Die Entfernung zum bloßen Unterarm des Mannes beträgt vielleicht die Länge eines Stiftes.
Der Mann dreht den Kopf leicht in die Richtung, hat er das Gifttier endlich bemerkt? Weiß er nicht in welcher Gefahr er schwebt, der Ahnungslose?
Es gibt im Amazonasgebiet Spinnenarten, die Eier in ein bedauerliches Opfertier legen, das dann von innen her von der Brut gefressen wird.
Was hat dieses Tier vor?
Jetzt hat es die Haut des Mannes erreicht, die beiden Taster am Kopf, die den Anschein haben, als wären sie Kauwerkzeuge, vibrieren. Eine Ader im Fleisch des Opfers pulsiert, man sieht, wie das Blut durch sie hindurchgepumpt wird.
Blitzschnell greift die Hand des Mannes zu, er setzt sich auf und greift die Spinne. Er steckt sie in seinen Mund und ganz kurz - für einen winzigen Moment - erkennt man, wie die Beine des Arachnoiden wild rudern und verzweifelt nach Halt suchen. Dann ist sie verschwunden. Es gibt ein kurzes knackendes Geräusch, der Mann schluckt und wischt sich zufrieden übers Gesicht.
Er legt sich wieder zurück und denkt bei sich: Keine Sorgen, nur dann und wann etwas zu essen finden!


ENDE

 

Hallo Hanniball,

kurz und knapp, aber gut.
Innerhalb weniger Absätze gelingt es Dir eine enorme Spannung auf zu bauen, die dann ein überraschendes Ende findet. Hat mir sehr gut gefallen.:)

Gruß
Jörg

 

Hallo,
ein Musterbeispiel einer morbiden Anekdote. Eine bedrohliche Szene wird dem Herannahen eines Monsters aufgebaut --> der Leser fühlt mit einer Figur, die er für das Opfer hält --> Gerade diese Figur stellt sich am Schluss als noch größeres Ungeheuer heraus.

Durch diese Struktur ist es dir auch möglich der allgemeinen Angst vor Spinnen, einen ungewöhnlichen und damit überraschenden Aspekt abzugewinnen.

Ich persönlich fürchte mich nicht vor Spinnen (meine kleinen Lieblinge :naughty: ). Deine Beschreibungen mag ich trotzdem (oder gerade deshalb), weil sie das Bild eines organischen, ekligen Wesens geben. Also keine komische Plastikspinne, die wie in einem Trash-Film einfach durch das Bild geworfen wird.

 

Hi Hanniball!

Deine Mahlzeit hat mich stark an meine eigene Geschichte Instinkt erinnert.

Deshalb hat mich auch die Pointe weder überrascht, noch geekelt. Das heisst, wenn ich sie richtig verstanden habe: der Typ frisst die Spinne, aber sie wird ihre Brut in ihm ablegen, oder?

Der Stil der Geschichte hat was von einer Fabel oder Parabel (hätte besser aufpassen sollen). Alles sehr idyllisch und bildhaft dargestellt. Alles ist halt um die Pointe aufgebaut.

Aber etwas verstehe ich nicht: so wie du es schilderst, meint man, der Typ liegt irgendwo im Dschungel. Du schreibst ja auch vom Amazonasgebiet. Was haben dann aber Passanten dort zu suchen? Klingt so, als ob dort eine Straße entlangläuft, du beschreibst alles sehr "europäisch", als würden dort Fußgänger mit Einkaufstüten in der Hand vorbeispazieren. Und wenn die Geschichte bei "uns" spielt, wo kommt dann so eine Spinne her?

Mein Fazit: eine kleine Mahlzeit (im wahrsten Sinne) für zwischendurch, mehr nicht. Aber mehr hast du sicher auch nicht beabsichtigt.

Viele Grüße
Mike

 

Hallo, hallo!

Ein kurzer, nicht allzu ernster Text - natürlich!

@Jörg: Danke, freut mich, wenn es dir wenigstens für zwei Minuten die Zeit vertrieben hat.

@Noel Smith: Nein, keineswegs. Ich hatte diese Sendung kein bisschen im Sinn, als ich den Text schrieb. Muss ehrlich sagen, dass ich (man kommt dieser Tage nicht vorbei an diesem Thema) mich kaum damit beschäftige. Schätze, mit dem Adjektiv (wenn du es richtig schreibst!) hast du Recht.:D

@Markus Grundtner: Du fürchtest dich nicht vor Spinnen? Kann nicht sein!:cool:
Ich habe wirklich einen Tieratlas vor mir zu liegen gehabt, als ich schrieb, habe sogar im Internet Recherche betrieben. Nützte alles nichts - die arme Spinne:(

@Mike: WErde mich mal an Instinkt machen :cool: und dann werden wir ja sehen. Kenne sie aber noch nicht, also bitte keine Schadensersatzforderungen!:D

Der Stil, ja, wenn ich den normalen Erzählstil gewählt hätte, wäre nicht viel geworden, glaube ich. Bei der Kürze und dem Gehalt des Textes hat man nicht viel Auswahl. Mir ging es tatsächlich nur darum, den Leser auf eine falsche Fährte zu locken, um in dann ein wenig zu schockieren.
Ich habe die Eigenart, jedem Text, den ich schreibe, etwas Tiefes zu geben. Diesem nicht. Nur das was da steht.

Das ganze sollte spielen in einem Park, einem Stadtpark oder ähnlichem. Kann eigentlich nichts finden, was auf einen Dschungel deutet. Außer vielleicht das Amazonasgebiet.
Ja, wo kommt die Spinne her - ist das wirklich wichtig?


Vielen Dank also an alle, weiter so, wir sehen uns!:bounce:

Viele Grüße von hier!

 

Hi nochmal,

ne, das war kein heimlicher Plagiatsvorwurf, ich hab es nur auf das Thema "Spinne sucht sich ein menschliches Opfer" bezogen. Von der Grundidee ähneln sich die Geschichten, wobei der Weg ein ganz anderer ist.

Den Erzählstil halte ich für vollkommen angebracht, was anderes hätte wirklich nicht gepasst.

Gruß
Mike

 

Moin!

Was hast'n du mit kurzen Texten zu tun? :confused:

Ja doch, eher ein untypischer Hanniball. Blöd (Sorry) fand ich das Ende. Du beschreibst den Typen als Stadtstreicher, und dann frisst er das Vieh kurzerhand? Das paßt irgendwie nicht (in meinen Augen). Da du auf das Ziel hingearbeitet hast (Eier in Körper), hättest du vielleicht einen Jäger eines Urwaldstammes nehmen sollen, dann wäre das glaubhafter. Aber eigentlich doch nicht, ich meine, eine lebende Spinne essen... Also wirklich! :sick:

Ich halte den Text für einen deiner schlechtesten, aber damit wirst du natürlich leben können! :D

Grüße nach dort!

Ponch

Sind Arachniden in der Lage planvoll und zielstrebig vorzugehen? Ist ihnen eine gewisse Logik zuzusprechen?
Ich arbeite seit geraumer Zeit an einer Science-Fiction-Erzählung, wo über knapp acht Seiten lang ein Angriff von Spinnen geschildert wird, die sich koordinieren können und eine gewisse Intelligenz besitzen. Noch klappt es aber nicht ganz, jedoch dreitausend Jahre später haben sie sich zu großen 'Achtbeinern' entwickelt, die in einer endlosen Graslandschaft auf Beutezug gehen. Aber das nur am Rande, es geht auch um was ganz anderes. Erwähnte ich, dass ein außerirdischer Organismus daran schuld ist? Ja, ich hör schon auf... :dozey:

 

hey hier muss man ja echt öfter mal reinschauen, ist ja total widerlich, habe mich herrlich amüsiert

 

Hallo, Zwei!

Was hast'n du mit kurzen Texten zu tun?

Ich suche!:D

Ja doch, eher ein untypischer Hanniball.

Ich hab in letzter Zeit den Eindruck, als ob es den gar nicht gibt, hab mich vielleicht ein wenig verrannt, rannte den Kritiken hinterher. Hab auch Selbstzweifel, nicht wenige. Ist vielleicht besser so.
Ist doch aber seltsam, dass dieser kurze Text der seit langem am meisten kommentierte von mir? ist. Tja, was soll ich sagen.
War halt so ne Idee.

Ich halte den Text für einen deiner schlechtesten, aber damit wirst du natürlich leben können

Ho-Ho-Ho! Du scheinst nicht alle meine Stories hier gelesen zu haben!:cool:

Ich arbeite seit geraumer Zeit an einer Science-Fiction-Erzählung, wo...

Ich hoffe, ich bekomme mit, wenn du sie hier postest (ich komme ja kaum über dieses Forum hinaus)

Im Übrigen arbeite ich an einer Horrorstory, in der ein Mann in einem großen Haus lebt und an Alzheimer leidet. In wirklichkeit geht es aber um verlorne Kindheit, und wiedergewonnene Erinnerungen. :D

@Schriftbild:

ist ja total widerlich, habe mich herrlich amüsiert

Ja, hier kann'ste wat erleem!:D

Viele Grüße von hier!

 

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