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Eine mörderische Crew
„Möchten Sie noch etwas trinken?“, entfährt es Claudia schon automatisch. Mit den Gedanken bereits wieder daheim bei ihren Lieben, übergibt sie dem Herren mit dem graumelierten Haar am Fenster den Becher mit Cola.
„So, auch die letzte Reihe ist mit Getränken versorgt. Jetzt dürfen wir uns endlich kurz ausruhen. Wie geht es dir eigentlich, Emma?“. „Ach, bei mir ist alles beim Alten, danke.“, erwidert sie ihrer Kollegin nur knapp. Emma mag Claudia, aber heute hat sie einfach keinen Redebedarf. Manchmal möchte sie es sich einfach ein wenig in ihrer Traumwelt gemütlich machen. Claudia kennt das bereits von Emma und ist deswegen auch nicht verärgert.
„Cabin Crew, please prepare for landing.“ Diese Ansage veranlasst alle Flugbegleiter sich auf ihren Sitz zu begeben und sich anzuschnallen, denn die letzten Minuten vor der Landung laufen. Der Flieger setzt sanft auf und die Gäste applaudieren. Plötzlich ertönt ein lautes Krachen, einige Passagiere in der Kabine schreien und auch Emma und Claudia schauen sich ein wenig verunsichert an. Es kommt aber keine Reaktion aus dem Cockpit. Somit verläuft der Aussteigevorgang ganz normal. Später erfährt die Crew, dass ein kleiner Vogel in das Triebwerk geraten ist und die Maschine muss über Nacht repariert werden. „Hey, ein kleiner Zwischenstopp auf Teneriffa. Das ist doch wunderbar.“, freut sich Marie, die als Chefstewardess an Bord war.
„Sie sagen also, dass Sie den ganzen Abend in Ihrem Hotelzimmer verbracht haben?“. Polizeikommissar Bernd Majowski schaut eindringlich in die grünen Augen von Emma, die fast einem Weinkrampf nahe ist. „Ja. Das sagte ich doch bereits. Ich habe im Zimmer „Wer wird Millionär geschaut.“ Ihre Stimme zittert. „Aber Zeugen gibt es keine?“, hakt Bernd eindringlich nach. Emma verteidigt sich weiter:“ Ja, wie denn auch. Ich war ja allein auf meinem Zimmer.“
Je mehr Emma vibriert, desto ruhiger wird Claudia im Nebenraum. Das Verhörzimmer ist quadratisch, kalt und ganz klar. So klar sind auch Claudias Gedanken. Aber fassen kann sie es immer noch nicht. Thomas Reuter, der Kapitän, wurde in seinem Hotelzimmer tot aufgefunden. Warum nur?
„Es ist momentan zwecklos, ich bekomme keine weiteren Informationen aus dieser Emma Keiser heraus. Ich glaube auch nicht, dass sie etwas damit zu tun hat. Jetzt knüpfe ich mir mal den Co-Piloten Michael Neumann vor. Die Kollegen haben gerade einen interessanten Brief beim Kapitän Reuter gefunden.“ Bernd steht wieder von seinem Schreibtisch auf. Sein Kollege nickt ihm nur kurz zu.
Bevor Bernd die Tür zum Verhörraum öffnet, werden ihm von der Kollegin Richter weitere prekäre Details dargelegt. Dadurch ergibt alles einen Zusammenhang und der Tathergang erschließt sich eindeutig. Kurzfristig werden nun Marie und Michael zusammen in ein Verhörzimmer gebracht und Bernd Majowski lässt die beiden erst gar nicht zu Wort kommen:
„Das haben Sie beide sich ja wirklich fantastisch ausgedacht! Beinahe wären Sie damit durchgekommen. Aber nun liegen uns die Beweise vor. Sie haben gemeinschaftlich Ihren Kapitän Thomas Reuter ermordet. Und Sie hatten dafür auch ziemlich eindeutige Motive. Frau Klein, auf Grund Ihrer rekonstruierten SMS-Historie konnten wir feststellen, dass Sie eine Affäre mit Herrn Reuter hatten und er war nicht bereit sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Ihre Eifersucht steigerte sich ins unermessliche. Und der gute Herr Neumann, ja der wurde vom Kapitän erpresst, denn dieser hatte von Ihrer Alkoholsucht erfahren und wollte daraus Kapital schlagen. Also, hat die feine Frau Klein sich auf ein Tête-à-tête mit Herrn Reuter getroffen. Mitten in der Nacht klopfen dann Sie, Herr Neumann, an der Tür und locken ihn vor selbige um augenscheinlich noch aus der Nummer heraus zu kommen. Die Hotelkamera im Flur hat Ihren Streit aufgezeichnet. Es ist aber nur ein Ablenkungsmanöver gewesen.
Währendessen sticht Frau Klein in den Boden der Red Bull Dose ein Loch um das Arsen zu injizieren. Denn sie wussten, dass Herr Reuter süchtig nach diesem Gesöff war. Wir haben Ihre Fingerabdrücke an der Dose gefunden.“
Der Polizeikommissar ist vollends zufrieden mit sich. Er hat diesen Mord in Rekordzeit von vierundzwanzig Stunden aufklären können. Auch wenn Marie und Michael noch so sehr Ihre Unschuld beteuert hatten, die Forensik lügt nun mal nicht. Der Prozess wird Ihnen natürlich in Deutschland gemacht und sie werden beide für eine sehr lange Zeit nicht mehr fliegen.
Claudia und Emma sitzen nun auch sehr erschöpft von den Ermittlungen im Flugzeug Richtung Heimat. Während Claudia sich versucht mit dem Spielfilm abzulenken, döst Emma vor sich hin und driftet in ihre Träume ab. Dabei steht sie vor den hohen Mauern des Gefängnisses. Ihr ist warm ums Herz, da sie gerade von einem Besuch bei Marie kommt. Es sind zwar noch ein paar Jahre bis zur Entlassung, aber dann gehört Marie zu Emma. Da ist sie sich ganz sicher. Und für diesen Augenblick war es alle Mühe wert…