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Eine Liebesgeschichte mit Pommes zum Hieressen

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30.08.2001
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Eine Liebesgeschichte mit Pommes zum Hieressen

Eine Liebesgeschichte mit Pommes zum Hieressen

Ein dicker Mayonnaisetropfen rutschte über das Salatblatt und platschte auf das Plastiktablett. Aber das bemerkte Franz überhaupt nicht. Auch die Tatsache, dass der Burger inzwischen längst kalt war und nur noch wie Pappe mit Mayo schmeckte, registrierte er nicht. Denn heute war Dienstag. Und dienstags ließ er sich absichtlich Zeit. Nicht etwa, weil er das Essen so genoss, eigentlich machte er sich gar nichts aus Fast Food. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Nachbartisch, auch wenn er dies nicht offen zugeben wollte. Denn dort saß die Liebe seines Lebens. Sie hieß Miriam und aß einen Cheeseburger.
Zum ersten mal hatte er sie vor ungefähr einem halben Jahr gesehen. Er war von einer langen, ermüdenden und alles in allem erfolglosen Geschäftsreise zurückgekommen, spät abends an einem Dienstag im November. Er hatte Stunden im Stau gestanden, wovon er sichtlich strapaziert war, komfortabler FirmenBenz hin oder her. Um seinen lauthals nach Futter schreienden Magen zu beruhigen, war er noch bei McDonald’s vorbeigefahren, ganz gegen seine Gewohnheit. Es war kurz vor Ladenschluss, als er die Filiale betreten hatte. Er wollte eigentlich nur ein paar ChickenMcNuggets, aber als sie ihn dann fragte, was er haben wolle, hatte er versehentlich ein Hamburger Royal Menü bestellt. Er hatte sich hingesetzt, immer die Kasse im Blick, an der Miriam stand, und langsam gegessen. Als sie ihre Kasse ausschaltete und nach hinten ging, war er aufgestanden, hatte sein Tablett weggebracht und war hinausgegangen. Noch von draußen hatte er gesehen, wie sie – jetzt in ihrer normalen Kleidung- sich mit einem Tablett an einen Tisch setzte, während ihre dicke Kollegin die Abrechnung machte. Nachts hatte er nicht eine Sekunde geschlafen. Sie wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. In der folgenden Woche war er täglich im McDonald’s gewesen, um ihre Arbeitszeiten herauszufinden, aber letzten Endes verblieb es bei Dienstag abend.
Seit diesem Tag vollzog er jede Woche das gleiche Ritual: Er betrat den McDonald’s um kurz vor zwölf und bestellte ein Menü bei Miriam. Er stellte sich immer bei ihr an, selbst wenn noch ein Kunde vor ihm war, während die andere Kasse leer war. Das kam zwar selten vor, aber es war immer eine unangenehme Situation für ihn, denn dann sagte ihm die dicke Kollegin von Miriam, er solle doch an ihre Kasse kommen. Da ihm nie eine gute Ausrede einfiel, musste er sich wohl oder übel an die falsche Kasse stellen und war danach eine Woche lang verstimmt.
Wenn er sein Menü hatte, setzte er sich an seinen Tisch, um dort ganz langsam zu essen. In der Zeit ging Miriam nach hinten, um etwas später in Zivil wiederzukommen und sich mit ihrem Tablett an einen der benachbarten Tische zu setzen. Sie aß immer 2 Cheeseburger mit Pommes. Zuerst die beiden Burger, und dann zum Abschluss die Pommes Frites, eine nach der anderen. Und dann gingen sie beide hinaus, er durch die Vordertür und sie durch den Personalausgang.
Aber heute sollte es anders laufen, das hatte Franz beschlossen. Er wollte nicht jede Woche nur stumm neben ihr sitzen, er musste sich endlich ein Herz fassen und sie ansprechen. Das hatte er zwar schon oft geplant, aber dieses mal, so hatte er sich gesagt, würde er es durchziehen. Wenn sie sich hinsetzte, würde er sie ansprechen.
Inzwischen war sie bei ihrem zweiten Cheeseburger, und er hatte immer noch keinen Ton von sich gegeben. Er überlegte fieberhaft, was er sagen sollte. Er kam sich vor wie ein Trottel, und er ahnte, dass er zurecht so empfand: sie hatten noch nie wirklich miteinander gesprochen, und doch hatten sie so viele Worte gewechselt, dass er ganz genau wusste, wie ihre Stimme klang, dass er sie sogar in seinen Träumen hörte, mit dem leichten Lispeln, für das Miriam sich offensichtlich etwas schämte und das der Grund dafür war, dass sie immer so leise sprach.
Ihr Gesicht hatte sich in seinem Kopf festgesetzt, Tag und Nacht hatte er es vor sich, diese dunklen Augen, das widerspenstige, schwarze Haar, und besonders die kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen, der Urheber des von ihr so gehassten und von ihm so vergötterten leichten Lispelns. Und dabei kannte er nicht einmal ihren Nachnamen, denn den gab das kleine „Freundlichkeit hat einen Namen:“-Schild an ihrem Hemd nicht her.
Da saß er also, zwei Meter von der Liebe seines Lebens entfernt und ohne die geringste Idee, wie er ein Gespräch anfangen sollte.
‚Kommen sie öfter hierher?‘ Nein. Das war offensichtlich das Dümmste, was man fragen konnte. ‚Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze?‘ Auch nicht, das klang wie aus dem vorletzten Jahrhundert. Vielleicht sollte er einfach fragen, wie ihr Tag gewesen war. Aber wahrscheinlich wollte sie über alles andere lieber reden als über ihren Arbeitstag. Es durfte nicht zu aufgesetzt klingen. Und auch nicht wie ein chauvinistischer Aufreißer-Spruch. Er musste ganz natürlich sein, aber wie sollte man natürlich klingen, wenn einem alles vor Augen verschwamm und man mit Schweißausbrüchen zu kämpfen hatte? Vielleicht sollte er einfach die Wahrheit sagen: ‚Wissen sie eigentlich, dass ich nur wegen Ihnen 5 Kilo zugenommen habe?‘ Beim zweiten Hinhören klang auch das nicht sonderlich charmant. Ihm wollte einfach nichts Vernünftiges einfallen, während die Zeit ihm davonlief: sie hatte schon mit den Pommes Frites angefangen. Er musste jetzt handeln, so oder so. Er würde einfach rübergehen und drauflosreden, den Verstand abschalten und sein Herz sprechen lassen. Vielleicht hatte er ja eine Chance.
„Stört es Sie, wenn ich mich dazusetze? Ich meine, wir sind ja so oft zusammen hier, da macht es ihnen doch sicher nichts aus, oder?“
Franz blickte irritiert nach oben. Mit großen Augen starrte er die dicke Kassiererin an, die mit einem beladenen Tablett vor ihm stand.
„Darf ich?“, fragte sie noch einmal.
„Sicher...warum nicht“, stammelte er völlig perplex, „...ähm...setzen Sie sich doch.“
Mit einem glücklichen Lächeln setzte sie sich neben ihn. Am Nachbartisch schob sich Miriam die letzte Pommes in den Mund.

 
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Hallo Floydian,

und jetzt???????was jetzt????:heul:
menno!!!!!

aber mal im ernst, schöne geschichte.
ich fand sie irgendwie spannend, bis zum schluß.
auch schön flüssig geschrieben, meiner meinung nach.
aus dem leben gegriffen.
und ein geiler titel!!!!!!!!!


gruss

toxi

 

Genau mein Geschmack. Ein ansprechender flüssiger Aufbau und ein offenes, überraschendes Ende.

Das schöne ist, sich jetzt ausdenken zu dürfen wies weitergeht. Ich tendiere zu rascher (und bald unglücklicher) Heirat mit der Namenlosen.

 

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