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Eine kurze Momentaufnahme

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04.08.2002
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Eine kurze Momentaufnahme

Der graue Tag durchdringt die Seelen der Menschen, der Fön verwirrt ihre Gedanken. Niemand traut der Wärme, denn sie passt nicht zu den Gemütern. Die Depression spiegelt sich wieder an den Börsen der Welt, den Stimmungsbarometern dieser Tage. Sie sind träge, erholen sich nicht. Entgegen den Ankündigungen taumeln sie nach unten, langsam aber konsequent. Vor kurzem schien das noch wichtig; nun nicht mehr.

Die Bedrohung schwebt über den Häuptern, droht wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Die Lage ist nicht zu deuten, die Bedingungen ändern sich schnell, zu schnell um einschätzbar zu bleiben. Alte Bündnisse brechen auseinander, neue entstehen, die niemand vorhersehen konnte, denen niemand traut. Verbrannter Boden vor dem Feuer.

„Atomkrieg kann jederzeit ausbrechen.“ Auch diese Schlagzeile wird hingenommen, ein weiteres mal registriert. Zu lange schon diese ständige Möglichkeit, der angedrohte Krieg, der nicht kommt. Oder ist er längst da? Was nicht in den Medien ist, ist nicht im Bewusstsein. Aber den Medien traut man schon lange nicht mehr, man weiß längst um deren Manipulation. Engagierte Appelle, Schuldzuweisungen, Hass auf einzelne Akteure in diesen undeutbaren Handlungsketten als Reaktion.

Diese Ratlosigkeit und dieses Köpfeschütteln, dieses „Die Welt ist verrückt“ - Resümieren, erscheint endlos. Die Bedrohung, deren Inhalt nicht fassbar ist, hat sich eingeprägt in das Denken und Fühlen der Menschen, bestimmt diesen Moment.

 

Hi klara,

ja, das ist eine Momentaufnahme, und zwar durchaus eine treffende, daher finde ich es okay, dass Du es niedergeschrieben hast.

Aber es ist meiner Meinung nach keine Geschichte ;)

Der angemessenere Ort wäre vielleicht der Diskussions-Thread zum Irak-Krieg.

Uwe

 

Hallo klara!

Du hast einige Froumluierungen drin, die ich sehr gelungen finde:

"Verbrannter Boden vor dem Feuer."

"Was nicht in den Medien ist, ist nicht im Bewusstsein. Aber den Medien traut man schon lange nicht mehr"

Der Text ist recht kurtz, aber doch auf sehr viele Bereiche gestreut. Börse, Bündnisse, Medien, Atomkrieg, Ratlosigkeit. Alles gehört zusammen, durch diesen Moment und dennoch fehlt mir persönlich ein bisschen ein roter Faden. Gedanken sind aufgereiht, Assoziationen, eben ein Moment. Die Gedanken passen durchaus hier in die Gesellschaft, würden auch in Alltag passen, meiner Meinung anch, im Kaffekranz gibts bereits was, das sich Irakkrieg oder so nennt :)

schöne Grüße, Anne

 

@Uwe

Zunächst freut es mich, dass du meine Momentaufnahme treffend findest. :)

Du hast recht, es ist keine Geschichte. Ich habe den Text deshalb in die Rubrik Gesellschaft gestellt, weil es mir hier auch um die Sprache geht. In einem Diskussionsforum würde ich eine andere Sprache wählen. Ich wollte mit den Worten eine Stimmung wiedergeben und eher weniger zu einer Diskussion anregen.

Anders ausgedrückt: Kritik an der Ausdrucksweise ist durchaus willkommen.


@Maus

Es freut mich, dass dir die Formulierungen gefallen. Ja, es sind aufgereihte Gedanken, Assoziationen. Ein verbaler Stoßseufzer sozusagen. Es soll sich hier nur um eine kleine Momentaufnahme handeln, nichts weiter. Ein Ziel wäre, dass sich der Leser stimmungsmäßig identifizieren kann. Zumindest einen Moment lang. ;)

lg
klara

 

Servus Klara!

Ich habe mich auf deine Momentaufnahme gerne eingelassen und geschaut, wo ich mich drin mit meiner eigenen Momentaufnahme wiederfinde. Der Gedanke der abweicht war - auch den alten Bündnissen konnte man nicht trauen, insofern beunruhigt mich Neues nicht. Zu undurchsichtig war, was hinter den Vorhängen gespielt wurde, nur die Bühne selbst war für uns sichtbar. Die sicher vorhandene Gesellschaftsdepression nehme ich zur Zeit nicht so wahr, weil es mir im Moment einfach zu gut geht. Aber so ist das mit Momentaufnahmen, sie sind in der Zeit wandelbar.

Deine Momentaufnahme im Speziellen scheint mir in allem sehr ausgeglichen. Es kann jederzeit der ganze Wahnsinn wahr werden, aber wir leben schon zu lange mit der Möglichkeit. Die Menschen sind sich der relativen Machtlosigkeit bewusst. Du beobachtest im Zeitablauf, was im Beispiel der Börsen gut herauskommt, insofern ist es eine Momentaufnahme welche auch, auf davor liegende Momente, Rücksicht nimmt. Eine dargelegte Sichtweise die tatsächlich nicht zum Diskutieren, wohl aber zum Nachdenken anregt. Denn sie klagt nicht an, sondern stellt nur fest, ohne Angriffspunkte zu liefern. Als Momentaufnahme dir selbst als Grundlage für spätere Vergleiche dienen kann.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo Klara,

deine Momentaufnahme entspricht in einigen (vielen) Punkten auch der meinen und sie gefällt mir. Allerdings möchte ich zwei Punkte ansprechen, die mich etwas irritiert haben:
1. Dadurch, dass du keinen Protagonisten für das Erstellen der Momentaufnahme gewählt hast, sondern formulierst, als sei es eine unumstössliche Tatsache, wird dein Text angreifbar (vergleiche hierzu schnee.eule :lol: ). Im Falle, dass man nicht exakt mit dir überein stimmt, neigt man unter Umständen dazu sich "bevormundet" zu fühlen. Eine Korrektur des Titels in "Meine kurze Momentaufnahme" würde in meinen Augen das "Problem" beheben.
2. Ein Damoklesschwert, das baumelt, verliert durch diese Formulierung an Wirkung. Baumeln klingt so nach hin und her, unkontrolliert, wenig bedrohlich. Assoziation zum Damoklesschwert wäre für mich: droht über den Köpfen.

Trotz dieser zwei gravierenden Teil-Verrisse :D ist es eine sehr anregende Momentaufnahme.

Gruß vom querkopp

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo!

Vorweg: Danke fürs Lesen und Kommentieren Euch beiden! :)

@schnee.eule
Ja, es stimmt, auch die alten Bündnisse waren fragwürdig, aber sie bildeten eine jahrzehntelange Weltordnung, an die man irgendwie auch gewöhnt war. Zur Zeit scheint alles ins Wanken zu geraten. War es vor ein paar Monaten denkbar, dass Großbritannien und die USA miteinander in ernsthafte Schwierigkeiten geraten? Strukturen brechen (vielleicht endlich) auseinander, das Neue ist noch nicht absehbar.

Super, dass es dir gut geht. Auch ich lasse mich vom Weltgeschehen nicht ständig erdrücken, aber manchmal (wenn ich eben wieder so eine Schlagzeile lese) komme ich schon ins Grübeln, und erlebe meine relative Machtlosigkeit, wie du es treffend formuliert hast. Und dann schreibe ich solche Texte.

Besonders freut mich, dass du ansprichst, dass der Text nicht anklagend ist. Es geht nur um die Feststellung der subjektiv empfundenen Verunsicherung. Mehr wollte ich gar nicht festststellen. Dein Vorschlag, weitere Momentaufnahmen gegenüber zu setzen (vielleicht in ein paar Wochen), könnte eine interessante Serie ergeben. Danke für die Anregung.

@querkopp
Es freut mich, dass dir der Text gefällt und du dich einigen (vielen) Punkten anschließen kannst. :)
Zwei gravierende Teilverrisse bei diesem kurzen Text, sind aber schon bisschen heavy ... :shy:

Bevormundend soll der Text nicht wirken. Gut, dass du es ansprichst, es wäre mir nicht aufgefallen. Hmm. Wenn ich es in Ich-Form schreiben würde, würde es vielleicht ein bisschen allzusehr nach Tagebuchaufzeichnung klingen. Wenn es etwas pathetisch klingt, ist das ok, aber bevormundend ... Naja, vielleicht gelingt es mir, bei einem Folgetext das auszumärzen.

Jaja, das mit den Überschriften ... Auch hier will ich sie im nachhinein nicht ausbessern. Ich hab mir irgendwie eingeprägt, dass man Phrasen wie "meiner Meinung nach", "so seh ich das" vermeiden soll, weil das Unsicherheit ausdrückt, und es ja klar ist, dass das was man sagt, die eigenen Ansichten sind. In diesem Sinn lass ich sie mal so, die Überschrift ... Das mit dem baumeln bessere ich hingegen sofort aus.

So, jetzt wird die Antwort bald länger als die Geschichte selbst. Auch Eure Feedbacks waren anregend. ;)

lg
klara

 

Die momentane Situation lastet auf den Gemütern, das merke ich auch auf dieser Seite schon seit einiger Zeit.
Auch mich durchdringen graue Tage, wenn man es so ausdrücken möchte. Du fasst diesen Brei in schöne Worte.
Drückst ihn aus mit literarischer Eleganz.
Deine Momentaufnahme ist intelligent, da sie um Manipulation, Pauschalisierung und Schlammschlacht weiß.
Ich empfinde sie als durchaus gelungen.
Grüße,
para

PS:
Wow, mein vierhundertster Beitrag.

 

Hallo klara,

was (z.B.) Maus und Uwe geschrieben haben, brauche ich ja nicht zu wiederholen.
„Der angedrohte Krieg, der nicht kommt. Oder ist er schon längst da?“ - das halte ich für eine wichtige Aussage. Ich denke, der Krieg ist immer da, in unserem Wesen, weil wir Menschen ein gewisses Aggressionpotential besitzen, egoistische Interessen haben. Zum Glück gibt es zu diesen Eigenschaften auch Gegenspieler...

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Paranova und Woltochinon!

Danke fürs Lesen und Kommentieren Euch beiden. So wie es aussieht, ist mein kurzer Text bald überholt. In diesem Sinn bin ich froh, den Moment festgehalten zu haben.

@Paranova
Danke! Ich freue mich sehr über deine positive Kritik. Glückwunsch zum Beitrag 401 übrigens .. ;)

@Woltochinon
Kann dem, was du gesagt hast, kaum etwas hinzufügen. Im Moment scheint sich das aggressive Potential leider besonders durchzusetzen, auch wenn es viele Gegenspieler gibt.

lg
klara

 

Hi!
Es stört nicht, dass der Text keine Kurzgeschichte ist, sondern wie seine Überschrift sagt nur eine "Momentaufnahme", denn eigentlich sind Kurzgeschichten auch immer nur Momentaufnahmen und Ausschnitte aus einem großen Ganzen.

Dein Text fließt, er könnte von den Metaphern her fast aus einem Fanatasy-Roman entnommen sein. Der Textfluss stockt nur am Schluß und bei den Worten "nun nicht mehr"; die Alliteration stört mich hier, aber das ist meine subjektive Meinung.

Obwohl dieser Text die Realität zu beschreiben versucht, klingt er gleichzeitig realitätsfern und wirkt fast verträumt, was an der Ausdrucksweise liegt (Seelen, grauer Tag, verwirrte Gedanken, Damokleschwert, verbrannter Boden). Er klingt, als wäre er von jemandem geschrieben, der sich aus diesem Geschehen zurückgezogen hat und in leichter Melancholie und darüber seufzt.

Vielleicht hätte man eine solche Realität anders beschreiben können und müssen als mit einem melancholischen Seufzer, vielleicht auch gerade mit ihm, aber wie dem auch sei, er liest sich immerhin gut.

 

Hallo skunk!

Danke für deine interessanten Worte.

Er klingt, als wäre er von jemandem geschrieben, der sich aus diesem Geschehen zurückgezogen hat und in leichter Melancholie und darüber seufzt
Ja, genau das war mein Gefühl beim Schreiben. Nicht Aktivität, Wut oder Aggression waren ausschlaggebend, eher eine gewisse Traurigkeit, Ratlosigkeit. Ich wollte keine Schuldzuweisungen oder Lösungsansätze bieten bzw. "auf die Pauke hauen", sondern eher das subjektiv empfundene Gefühl einer momentan erlebten Resignation beschreiben. Selbstverständlich habe ich eine Meinung und beziehe Standpunkte, aber diese zu beschreiben war nicht das Ziel.
Vielleicht hätte man eine solche Realität anders beschreiben können und müssen als mit einem melancholischen Seufzer
Texte, die die Grauen des Krieges beschreiben und Stellung beziehen, finden sich viele, und sie sind auch sehr wichtig. Diesen wollte ich meinen hinzufügen, sozusagen als Ergänzung und nicht als "Konkurrenz".

lg
klara

 

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