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Eine kurze Geschichte der Angst
Es begann bereits zu dämmern. Nicht mehr lange und das verbliebene Tageslicht würde der Nacht vollends weichen.
Er wusste nicht wie spät es war, aber es handelte sich vermutlich nur noch um eine Frage von Augenblicken, bis die Tür aufspränge und sie hereingestürmt kämen.
Lachend und fröhlich würden sie sich im Wohnzimmer ausbreiten, einige Tüten auf dem Teppich abstellen und irgendwelche sinnlosen Phrasen miteinander austauschen.
Eventuell wurde ihm dann auch noch eine knappe Begrüßung zuteil, aber spätestens im Anschluss daran würden sie sehen was er getan hatte, und plötzlich wäre sie weg, die gute Stimmung. Das Gelächter würde einfrieren, Blicke blanken Entsetzens an dessen Stelle treten.
Bloße Ungläubigkeit, die sich unverhofft in reine Wut verwandelte.
Sein Magen zog sich zusammen, er durfte nicht darüber nachdenken, musste es verdrängen.
Es war wie ein innerer Zwang, so sehr er sich auch bemüht hatte ihn unter Kontrolle zu halten, der Drang des Bösen war letztlich doch siegreich über die Vernunft gewesen und er hatte der Versuchung nachgegeben, obgleich er sich der Konsequenzen im Klaren war.
Nichts liebenswertes hatte Ralph mehr an sich. Sie hassten ihn alle, nahmen ihn nichtmals noch mit, wenn sie loszogen um sich zu amüsieren.
Immer wieder hatte er ihnen Gründe geliefert, noch unwillkommener zu sein. Aber eigentlich wollte er doch nur auf sich aufmerksam machen.
Sein Herz stockte. Draußen war eine Autotür zugeschlagen worden. Ganz deutlich hatte er es gehört. Kamen sie jetzt?
Gedanken schossen durch seinen Schädel wie Blitze. Er versuchte sich vorzustellen, wie es ablaufen würde.
Sie würden ihn bestrafen, grausam und brutal, wie es ihre Art war. Das war sicher.
Sollte er davonlaufen, sich verstecken?
Irgendwann bekamen sie ihn immer, egal wie gerissen sich Ralph anstellte, und dann schlugen sie auf ihn ein.
Es war wie in einem Albtraum in dem man vor einem riesigen Schatten flüchtet, der einen dann aber trotz aller Bemühungen am Ende doch erwischt, nur dass ein Erwachen in diesem Fall nicht so böse ist wie die Situation, die ihm noch bevorstand.
Diese Schmerzen, diese unglaubliche Demütigung.
Er entschloss sich heute nicht feige zu sein.
Diesesmal wollte er nicht davonrennen. Er stand jetzt zu seinen Grausamkeiten.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, von draußen waren Geräusche zu hören. Freundliche, nette Stimmen.
Er hatte sich entschieden für seine Tat gerade zu stehen und erwartete in aller Ruhe seine Bestrafung.
Selbst von seinem Körbchen aus konnte er noch den angenehmen Geruch seines Kotes riechen.