Eine kurze Geschichte über den Gleichstand
Ich stehe noch auf meinen Füssen. Aber nicht mehr lange. Ein verstohlener Blick nach rechts bestätigt meine Vermutung:
Der Feind
übertrieben? nein.
zupft sein T-Shirt mit den widerlich arroganten gelben Streifen auf dem Kragen zurecht.
Die Streifen scheinen zu lächeln, mich auszulachen. Kurz zuckt eine Ecke des Kragens. Ich blicke sofort wieder nach vorne, drücke meine Hände so stark ich kann (wahrscheinlich wieder nicht stark genug) um den Griff meiner Waffe.
Und warte auf den Untergang.
Es geht schnell. Zu schnell.
Das Geschoss fliegt, zuerst mich in Sicherheit wiegend, von ihm weg, beschreibt einen tückischen Bogen und schießt auf mich zu.
Ich lasse mich täuschen, mein Gewicht hat sich bereits auf das rechte Bein verlagert. Ich versuche, meine rechte Hand in den Weg der dahineilenden Kugel zu werfen. Mein verlängerter Arm aber wiegt zu schwer.
Ich bewege mich in Zeitlupe, während die Vorgänge außerhalb meines Gefängnisses der Langsamkeit (und Unkonzentration) gerafft erscheinen.
Das Geschoss verfehlt mich knapp, schießt aufs Glas, tropft
ja, es tropft; wie kann derart beschleunigte Materie so schnell die Geschwindigkeit ändern?
gegen den unbarmherzigen Beton und bleibt dann, ohne die geringste Gemütsregung liegen.
Jäh scheint mich das Geschoss anzusehen, zu fixieren; es blinzelt kurz und besteht dann nur noch aus Grinsen und Triumph.
ich bestehe aus Niederlage und Erschöpfung
Meine Augen rollen langsam, ganz langsam in den Höhlen in Richtung meines Gegners: er sieht mich an (die Streifen auf seinem Kragen auch).
Er schüttelt (lächelnd) den Kopf, dann gönnt er mir ein fragendes, freundschaftliches „Revanche?“.
Er wird mich wieder deklassieren. Mich in meinem Zeitlupengefängnis verhöhnen, mich jagen, niederreiten, vernichten.
Es tut ihm so gut.
Und am Ende des Krieges steht wie jedes Mal der Zuspruch des Königs an den Bauern
es war schon gar nicht so schlecht
nur vierzehn zu drei, bald hast du mich
beim Squash kommt es auf die innere Einstellung an
Denn er weiß, dass sein Können sein Selbstbewusstsein stärkt, dass sein perfektes Leben es stärkt, dass seine Gewissheit, ein Gewinner zu sein, es stärkt.
Und das ist der Motor, der ihn antreibt und seine Aura
"ich kann alles und jeden niederzwingen, wenn ich will"
mit Energie speist.
Ein anderer Gedanke nimmt in meinem Kopf Gestalt an und zwingt mich zu lächeln. Schnell drehe ich mich von ihm weg.
Wenn er wüsste, dass der Bauer nach dem Spiel stets heimlich die Königin trifft, und das schon seit zwei Jahren, hätte ich eine reelle Chance.
Im dritten Satz bekomme ich das Lächeln nicht mehr aus meinem Gesicht.