Mitglied
- Beitritt
- 03.05.2021
- Beiträge
- 7
Eine kleine, aber schöne Träne
Er blickte ihr in die Augen, ihre schönen, kleinen, blauen Augen. Er begriff es immer noch nicht. Wieso musste seine Familie sich diesen Schmerzen aussetzen? Wieso musste er sich diesen Schmerzen aussetzen? Wieso musste seine Tochter sich diesen Schmerzen aussetzen? Warum konnte nicht einfach er an ihrer Stelle sterben. „Alles wird gut, mein Spatz.“ sagte er ruhig mit ein wenig Trauer in der Stimme, obwohl er wusste, dass gar nichts gut werde. Noch ein letztes Mal würde er gerne mit ihr in den Zoo gehen und über die Lamas lachen. Noch ein letztes Mal würde er gerne mit ihr ins Kino gehen und einen letzten Film schauen. Der Film müsste nicht einmal gut sein. Er sehnte sich nach der Zeit vor dem Krebs, in der noch alles gut war, und je mehr er über diese Zeit nachdachte, desto eher wurde ihm bewusst, dass nichts mehr gut werden würde. „Alles wird gut, mein Spatz“ sagte er wieder mit ruhiger Stimme und streichelte ihre kleine, zierliche Hand. „Alles wird gut“ Er war sich sicher, dass seine Tochter anhand der kleinen Tränen in seinen Augen erkannte, dass er log. Sie wusste es. Sie war intelligent. Sie war seine kleine, intelligente Tochter - die sterben würde. „Alles wird gut“ Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass das Wertvollste in seinem Leben ihn verlassen würde. Es war als durchströme seinen gesamten Körper ein Rausch voller Tränen, gemischt mit Adrenalin und Hass auf Gott und die Welt – und auf ihn selbst, der seine Tochter nicht beschützen konnte. Ihm wurde diese Pflicht zuteil und er hat versagt.
Eine weitere Träne floss ihm die Wange hinunter und seine Tochter wusste einmal mehr, dass er log. Er wollte gerade noch einmal sagen, wie gut alles werde, da hörte er eine unscheinbare, kleine Stimme etwas sagen: „Alles wird gut, Papa.“ Seine kleine, intelligente Tochter mit ihren kleinen, zärtlichen Händen und ihren kleinen, blauen Augen schaute ihn an und eine kleine, aber schöne Träne floss ihr die Wange hinunter. „Alles wird gut“